Blauer Engel

Jeder Verbraucher kennt ihn

Die aktuelle Diskussion unter den Herstellern von Verlegewerkstoffen über das Für und Wider einer Zertifizierung mit dem Blauen Engel zeigt zumindest eines: Ein Umweltzeichen, das 80 % der Verbraucher kennen und das bei 38 % die Kaufentscheidung beeinflusst, kann man nicht ignorieren. Seit mehr als 30 Jahren zeichnet das Siegel Produkte aus, die umweltfreundlicher sind als vergleichbare Erzeugnisse. Zeit, einmal genauer zu beleuchten, wer und was dahinter steckt, welche Kriterien die ausgezeichneten Produkte erfüllen müssen und wie hoch die Kosten für die Vergabe sind.

Deutschlands Konsumenten sind so umweltbewusst wie die kaum einer anderen Nation. Immerhin 66 % sind sogar bereit, für umweltfreundliche Produkte mehr Geld auszugeben. Doch woran sollen sie diese Produkte erkennen? Umweltsiegel gibt es mittlerweile zuhauf. Allerdings kann nur eines mit solchen Werten aufwarten: 80 % der Verbraucher kennen ihn, 38 % beachten ihn beim Einkauf - den Blauen Engel. Der außergewöhnlich hohe Bekanntheitsgrad und die große Akzeptanz beim Endkunden machen das Signet für jedes Unternehmen, das seine Waren an den Endverbraucher verkauft, als Marketinginstrument interessant. Knapp 1.000 Firmen nutzen es bereits, etwa 15 % davon kommen aus dem Ausland. 11.500 unterschiedliche Produkte dürfen das Logo auf ihrer Verpackung führen.

Ständig erweitert und entwickelt

Bereits 1978 vom Bundesinnenministerium als weltweit erste umweltbezogene Produktkennzeichnung ins Leben gerufen, hat der Blaue Engel zwischenzeitlich einige Veränderungen durchlaufen. So sind es mittlerweile 90 Produkt- und Dienstleistungskategorien, in denen er vergeben wird; ständig kommen neue hinzu. Sie teilen sich aktuell in fünf Lebenswelten auf: Büro und Homeoffice, Mobilität, Garten, Renovieren und Bauen sowie Wohnen, Haushalt und Einrichten. Außerdem enthält das produktbezogene Logo mittlerweile einen Hinweis auf die relevante Eigenschaft, etwa "weil emissionsarm" oder "weil energieeffizient". Seit 2009 wird das blau-weiße Siegel mit weiteren Informationen versehen. Anhand des jeweiligen Schutzzieles können Verbraucher nun auf einen Blick sehen, was die ausgezeichneten Eigenschaften das jeweiligen Produktes bewirken: den Schutz des Klimas, der Gesundheit, des Wassers oder der Ressourcen. Geblieben ist der ursprüngliche Ansatz des Blauen Engel: Produkte hervorzuheben, die umweltverträglicher, gebrauchstauglicher und gesundheitsschonender sind als vergleichbare Waren und Dienstleistungen. Dafür stehen das Siegel und die Institutionen dahinter:

das Bundesumweltministerium als Inhaber des Blauen Engel,
das Umweltbundesamt, das die Vergabekriterien entwickelt,
die Jury Umweltzeichen, die für die Festlegung der Vergabegrundlagen zuständig ist, und
der RAL, der auf Grundlage dieser Vorgaben die eigentliche Vergabe durchführt.

Kosten halten sich in Grenzen

Ob es grundsätzlich sinnvoll erscheint, sich mit einem Produkt um den Blauen Engel zu bewerben, muss jeder Anbieter selbst entscheiden. Einen Automatismus oder gar Zwang gibt es nicht. Aus finanzieller Sicht sollte sich der Schritt in jedem Fall lohnen. Das Umweltzeichen sorgt für ein besseres Image des Produkts, lässt sich gezielt in der Werbung einsetzen und verspricht so höhere Umsätze. Die Kosten sind im Gegensatz dazu vergleichsweise moderat: Neben einer einmaligen Bearbeitungsgebühr (250 EUR) und ggf. einem Bearbeitungsentgelt für die Erweiterung des Benutzungsrechts auf andere Markennamen oder Vertriebsformen (je 150 EUR) fällt nach Abschluss des Zeichenbenutzungsvertrages ein Jahresentgelt an, das sich an den Umsätzen der gekennzeichneten Produkte bemisst. Im Höchstfall sind dies 6.000 EUR, wobei dafür Jahresumsätze von mehr als 25 Mio. EUR erzielt werden müssen. In der Entgeltklasse 1 (bis 0,25 Mio. EUR Umsatz) beläuft sich der Betrag auf lediglich 270 EUR. Hinzu kommen natürlich noch die Kosten, die für den Nachweis der Produkteigenschaften im Hinblick auf die Vergabegrundlagen entstehen.

Zunehmend in öffentlichen Ausschreibungen gefordert

Was Verbraucher oft nicht wissen oder beachten: Die Kennzeichnung mit dem Blauen Engel ist keine Unbedenklichkeitserklärung. Zwar sind die ausgezeichneten Produkte in Relation zu vergleichbaren Waren und Dienstleistungen umweltfreundlicher; sie können aber dennoch Risiken für den Benutzer oder die Umwelt bergen. An diesem Punkt entzündete sich in der Vergangenheit die wesentliche Kritik an dem Umweltzeichen, denn: Produktgruppen, die von Haus aus umweltfreundlich sind, können das Siegel gar nicht erhalten. Allerdings war dies nie das Ziel der Initiatoren. Sie wollten nicht etwa das Fahrrad als umweltfreundlicher gegenüber einem Motorrad kennzeichnen, sondern - um im Beispiel zu bleiben - allenfalls ein Fahrrad, das im Vergleich zu anderen Fahrrädern umweltfreundlicher ist. Die Entscheidung, fahre ich Fahrrad oder Motorrad, muss hingegen jeder selber treffen. Einsichtig zeigten sich die Verantwortlichen bei dem Vorwurf, nicht den gesamten Lebenszyklus eines Produktes in die Bewertung einzubeziehen. Heute werden die eingereichten Erzeugnisse ganzheitlich nach dem Prinzip Cradle-to-grave (frei übersetzt: von der Herstellung bis zur Entsorgung) betrachtet. Diese und andere Vorwürfe haben dem Blauen Engel in seiner Außenwirkung nicht geschadet. Im Gegenteil: Mündige Verbraucher suchen vor dem Hintergrund von Umweltschutz, Nachhaltigkeitsdebatte und gestiegenem Gesundheitsbewusstsein verstärkt nach zertifizierten Produkten und sind dankbar, wenn sie dabei auf ein derart renommiertes Siegel stoßen.

Und der Blaue Engel wird auch bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge immer wichtiger. Nachhaltig sollen Gebäude heute geplant, errichtet und betrieben werden; die öffentliche Hand will und muss dabei eine Vorreiterrolle spielen. Zertifikaten und Siegeln kommt so eine große Bedeutung zu. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Strahlkraft des Blauen Engel vom Endkonsument-Markt bis auf den öffentlichen Bausektor reicht. So ist es sinnvoll, dass das Umweltsiegel heute unter anderem Dämmstoffe, Bodenbeläge, Kleb- und Verlegewerkstoffe, Farben, Lacke und Wandbeläge auszeichnet.

Das Vergabeverfahren - In vier Schritten zum Blauen Engel


Unternehmen, die ihre Produkte mit einem Blauen Engel auszeichnen lassen wollen, müssen ein einheitliches Vergabeverfahren durchlaufen:

1. Ausgangspunkt ist die Antragsstellung beim RAL. Hier müssen auch die Nachweise über die Einhaltung der Vergabegrundlagen eingereicht werden.

2. Im nächsten Schritt gleicht der RAL die Unterlagen mit den spezifischen Anforderungen für die jeweilige Produktgruppe ab.

3. Anschließend wird das Bundesland, in dem der Antragsteller seine Produktionsstätte hat, um eine Stellungnahme hinsichtlich der grundsätzlichen Unbedenklichkeit des Unternehmens gebeten.

4. Im vierten Schritt schließt dann der RAL den Zeichennutzungsvertrag mit dem Antragsteller.

Von diesem Zeitpunkt an kann das Umweltsiegel auf Verpackungen und bei der Werbung eingesetzt werden. Die Dauer richtet sich nach der Gültigkeit der Vergabegrundlagen. Sofern sich diese ändern, muss ein zertifiziertes Produkt anhand der neuen Kriterien bewertet werden.

Vergabegrundlagen


Damit ein Produkt mit dem Blauen Engel ausgezeichnet werden kann, muss es die Vorgaben der jeweiligen Vergabegrundlage erfüllen. Diese werden von der Jury Umweltzeichen in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen des Umweltbundesamtes erarbeitet. Sie gelten in der Regel drei bis vier Jahre und werden dann überarbeitet und aktualisiert. Im Einzelfall kann eine solche Überarbeitung auch früher erfolgen, wenn technische Weiterentwicklungen dies erforderlich machen.
aus BTH Heimtex 01/11 (Handel)