Kleiner Fehler - Großer Schaden

Fehlende Randfuge sorgt für Beulen in Teppichfliesen

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um Randfugen, auf die aus gestalterischen Gründen verzichtet wurde. Mit Beginn der Heizperiode kam es dann beim Teppichboden zu Verformungen.

In einem atriumförmigen Bürogebäude waren Calciumsulfat-Doppelbodenplatten installiert worden. Angrenzend an die Wände sowie zwischen den Platten und den zum Innenhof gelegenen und bis zum Boden reichenden Aluminiumfenstern hatte der Verleger ein etwa 10 mm breites Schaumdichtband eingesetzt.

Auf dieser Konstruktion sollten selbstliegende Teppichfliesen verlegt werden. Die Wahl fiel auf Veloursfliesen im Format 50 x 50cm mit einer Bitumen-Schwerbeschichtung.

Vor der Verlegung wurde die Oberfläche der Doppelbodenplatten mit einer leitfähigen Fixierung vorgestrichen. An den Plattenstößen durfte dabei kein Fixierungsmaterial aufgetragen werden. Entsprechend dem Wunsch des Architekten wurden die textilen Fliesen an die untere Schwelle der Fensterelemente "dicht angeschnitten".

Schaden: Teppichfliesen bekommen Beulen

Im Spätherbst bildeten sich in dem textilen Belag Stauchblasen und Beulen. Der hinzugezogene Sachverständige stellte eine Vielzahl solcher Verformungen fest. Der Schaden trat nicht nur da auf, wo in Randbereichen die Fixierung fehlte, sondern auch dort, wo sie unmittelbar bis an den Rand geführt wurde. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde allerdings klar, dass nicht die rutschbremsende Fixierung für die Stauchblasen verantwortlich war: Die Fixierung wies bei allen Überprüfungen den erforderlichen Tack auf, die Teppichfliesen lagen ohne erkennbare Verschiebungen und Verformungen in den übrigen Flächenbereichen vor.

Nahezu in allen schadhaften Bereichen waren die Veloursfliesen direkt an die Schwelle der Fensterelemente geschnitten. In angrenzenden Flächen, in denen sich keine Beulen gebildet hatten, war zwar ebenfalls dicht angeschnitten worden. Allerdings gab es hier geringfügige Randfugen zu den Metallfensterelementen bis maximal 1 mm.

Eine weitere Untersuchung ergab, dass die ursprünglich mithilfe des Schaumdichtbandes erstellten 10mm breiten Randfugen zwischenzeitlich deutlich schmaler geworden waren, teilweise nur noch weniger als 5 mm betrugen. An diesen Stellen wurde das Kompriband wulstartig hochgedrückt.

Zwar beeinflussen handwerklich bedingte unterschiedliche Einpassungen von Doppelbodenplatten in den Randzonen die Breite und Komprimierung des Dichtbandes. In diesem Fall war aber die Verringerung der Randfuge auf bauphysikalisch unvermeidbare Bewegungen der Doppelbodenkonstruktion und/oder auf Bewegungen der gesamten Gebäudekonstruktion zurückzuführen.

Ursache: Technische Notwendigkeiten ignoriert

Sowohl bei schwimmenden Estrichkonstruktionen, aber auch bei bei Doppel- und Hohlböden muss die Fußbodenkonstruktion Bewegungsmöglichkeit gegenüber allen aufsteigenden Bauteilen haben. Ausreichende Randfugen an Wänden - in der Regel ca. 5 bis 10 mm breit - sorgen dafür, dass Bewegungen des Belags ausgeglichen und Verformungen verhindert werden.

Diese Vorgabe gilt auch bei bodentiefen Fensterelementen. Und tatsächlich hatte sich der Doppelbodenverleger auch daran gehalten: Die Randfugen und das komprimierbare Dichtband entsprachen dem Stand der Technik und den aktuell geltenden Normen und Richtlinien.

Der Bodenleger wurde jedoch durch die Vorgaben des Architekten regelrecht genötigt, die Teppichfliesen "absolut dicht" an die unteren Schwellen der Fensterelemente zu schneiden. Der Grund: Hier sollten später keine Spalten den optischen Gesamteindruck stören.

Dass Fugen aus gestalterischen Überlegungen verringert oder gar komplett vermieden werden, kommt inzwischen in vielen Bürogebäuden mit Doppelböden und textilen Belägen vor - auch bei Anschnitten an Bewegungsprofilen, Pfeilern und Pfosten oder Schienen, die unterschiedliche Bodenbeläge voneinander trennen. Innenarchitektonische Ansprüche werden dabei über technische Grundregeln gestellt.

Unberücksichtigt bleibt dabei, dass sämtliche Bauteile eines Gebäudes - insbesondere Stahlkonstruktionen, aber auch Betonbauteile - temperaturabhängigen Formveränderungen (Schwinden oder Quellen) unterliegen: Jahreszeitliche Gebäudeverformungen, Bauteilaktivierungen und Schwund von Betonteilen verursachen unvermeidbare Bewegungen. Daher sind Bewegungsfugen unbedingt erforderlich. Sie waren im vorliegenden Fall jedoch nur in der Doppelbodenkonstruktion vorhanden. Darüber hinaus sind aber auch funktionstüchtige Randfugen im Bodenbelag ein Muss, und zwar umlaufend um die gesamte Fußbodenkonstruktion.

Verantwortlichkeit: Planer und Verleger teilen sich die Kosten

Nahezu alle Normen und Richtlinien zu Fußbodenkonstruktion führen klar aus, dass die Fugen vom Planer vorzugeben sind. Daher trägt dieser hier die Verantwortung für den entstandenen Schaden.

Allerdings hat auch der Bodenleger eine Hinweispflicht. Es ist wichtig, dass Handwerker Vorbehalte gegen technisch nicht umsetzbare Vorgaben seitens ihrer Auftraggeber äußern. Sie müssen vor Beginn der Arbeiten ausreichende Aufklärungsarbeit leisten und diese formal mit einer Bedenkenanmeldung absichern. Dies aber hatte der Verleger versäumt.

Schließlich einigte man sich auf eine Teilung der Kosten für die notwendigen Nachbesserungen. Den Großteil der Aufwendungen für das Nachschneiden der gesamten Fußbodenkonstruktion bzw. die Herstellung gleichmäßig breiter, geradlinig geschnittener Bewegungsfugen übernahmen Planer und Bauherr, den Rest trug der Bodenleger.

Der Autor



Fußboden-Gutachter Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für Bodenbeläge.

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aus FussbodenTechnik 01/11 (Handwerk)