Holzpflastertagung Bamberg

Ursachen für Abrissfugen

Abrissfugen können entstehen, wenn Holz nicht ungehindert arbeiten kann. Typische Zeichen sind unregelmässige Fugen und sichtbarer Holzausriss. Zu diesem Thema gab es auf der Holzpflastertagung in Bamberg zwischen den Experten rege Diskussionen. Die sogenannte Seitenverleimung hat ihre Ursache in frisch aufgetragenem Oberflächensiegel, das in die Fuge sickert und die angrenzenden Stäbe oder Dielenkanten miteinander "verleimt". Reißt die Fuge an dieser Stelle später wieder auf, weil das Holz arbeitet, gibt es den typischen Weißbruch. Schwerer wiegt der Schaden, wenn die Seitenverleimung stark genug ist und das Parkett deshalb an anderer Stelle reißt.

Die verschiedenen Oberflächenbehandlungssysteme wirken in ihrer Seitenverleimung unterschiedlich intensiv. Gar keine Seitenverleimung weisen Öl-Wachs-Kombinationen auf. Auch Öl-Kunstharzlacke zeigen in der Regel keine Seitenverleimung. Dagegen sind DD-Lacke, für die es keine Minimierung des unerwünschten Effekts gibt, stark seitenverleimend. Ebenso Wasserlacke, bei denen in Kombination mit speziellen Grundierungen versucht wird, das Problem zu mildern.

Schon heute wird die Alternative "Lösemittellack für Wasserlack" immer stärker durch gesetzliche und juristische Vorgaben eingeengt. Deshalb versuchen die Entwicklungslabors der Oberflächenveredler, dem Wasserlack seine seitenverleimende Wirkung zu nehmen. Neue wasserbasierte Rezepturen, die das Problem weitgehend beheben sollen, kommen auf den Markt. Zuletzt war es die Firma Oli Lacke, die sich von einem Prüfinstitut bestätigen ließ, dass ihr 1K-Parkettsiegel Oli-Aqua-Flex auch ohne Grundierung die Kantenverleimung und damit die Gefahr von Abrissfugen deutlich minimiert und hier einem klassischen Öl-Kunstharz-System entspräche.

Natürlich ist bei der Entscheidung für einen Oberflächenschutz nicht allein die seitenverleimende Wirkung ausschlaggebend. Gesundheitliche Akzeptanz, Geruch, Abriebfestigkeit, Chemikalienbeständigkeit, Anfeuerung und Pflegeaufwand sind für den Endnutzer von Bedeutung. Der Verleger achtet zudem auf mögliche Verfärbung durch Lichteinwirkung, rasche Trocknungszeiten, Schichtaufbau, Feuergefährlichkeit, benötigte Rutschhemmung - und natürlich auf den Preis.

Die Oberflächensysteme am Markt erfüllen all diese Eigenschaften unterschiedlich. Der Kunde muss also Prioritäten setzen. Wäre die Verhinderung der Seitenverleimung seine Priorität, stünde ein Öl-Kunstharzlack ganz oben auf der Liste. Die Erfüllung der TRGS 617 und die Rechtsprechung zwingen den Verleger jedoch in Richtung Wasserlack.

Bona-Anwendungstechniker Richard Hlubek hat eigene Versuche zum Thema Seitenverleimung angestellt. Demnach lässt sich Seitenverleimung minimieren, wenn ein Öl-Kunstharzlack als Grundierung eingesetzt, zwischengeschliffen und mit einem Wasserlack überzogen wird. Ein relativ gleichmäßiges Fugenbild ergeben auch Kombinationen von Rollgrundierung und Wasserlack sowie Spachtelgrund und Wasserlack.

Allerdings zeigen Hlubeks Untersuchungen auch, dass manche Grundierungen sogar eine noch höhere seitenverleimende Wirkung haben, als einige Lacke. Für den Verarbeiter gilt es also, das geeignete System zu finden. Grundsätzlich wirkt folgende Vorgehensweise gegen Seitenverleimung: Das Parkett sollte mit Fugenkitt gespachtelt werden. Dann kann der Lack nicht in die Fugen eindringen. Eine aufgebrachte Grundierung muss noch am gleichen Tag überversiegelt werden, da sich der Boden zwischenzeitlich bewegt. Die Grundierung könnte nämlich an manchen Stellen aufplatzen und gäbe dem Lack erneut Raum zum Eindringen in die Fugen.

Nicht nur Lack beeinflusst Fugenbild

Das Fugenbild eines Bodens wird aber nicht allein durch die Oberflächenbeschichtung beeinflusst. Richard Hlubek gibt ein Beispiel: "Ein Altparkett wurde renoviert, fachgerecht grundiert und mit Wasserlack versiegelt - dennoch entstanden Abrissfugen. Auf einer angrenzenden Fläche, die neu verlegt und mit dem gleichen System grundiert und versiegelt wurde, gab es keine Abrissfugen."

Eine Rolle spielen sowohl die Holzart als auch die Vorbehandlung des Parketts. Kantenimprägniertes Parkett bzw. Holzpflaster ist beispielsweise gegen Seitenverleimung geschützt. Ein gleichmäßiges Fugenbild, so Richard Hlubek, wird zudem nur bei intakter Verklebung möglich. Ist der Klebstoffauftrag zu satt erfolgt, kann es zu Abrissfugen kommen. Gelangt zudem Klebstoff zwischen die Stäbe, hat das ähnliche Folgen. Weitere Ursachen für unerwünschte Fugen sind Parkett-ablösungen, mürber Estrich und die Belastung durch Schleifen.

Keine Alternative zum Wasserlack

Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung gibt es kaum eine Alternative zum Oberflächenschutz mit wasserbasierten Produkten. Denn ein Werkmangel, der zu Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen führen kann, liegt bereits dann vor, wenn aufgrund konkreter Risikomomente der Verdacht einer Gesundheitsgefahr nahe liegt. Den vollen Beweis der Gesundheitsbeeinträchtigung muss der Verbraucher gar nicht erbringen. Nachzuweisen ist lediglich, dass die Schadstoffe aus dem beanstandeten Material entweichen und dass ihre Konzentration ungewöhnlich hoch ist.

Aus diesem Grund ist der Parkettleger nur mit Wasserlacken auf der "sicheren Seite". Die vielerorts noch existierende Abneigung unter den Handwerkern gründet auf überholten Meinungen:
- Der Quelldruck des im Lack enthaltenen Wassers könne das Parkett schädigen.
- Der Quelldruck könne Ablösungen vom Untergrund oder bei Mehrschichtparkett Decklamellenablösungen verursachen.
- Wasserlacke seien nicht zum Einsatz auf Fußbodenheizung geeignet.
- Altparkett oder kritische Holzarten könnten nicht wasserbasiert versiegelt werden.
- Holzpflaster, Exotenhölzer und Dielenböden könnten nicht mit Wasserlacken versiegelt werden.

Richard Hlubek: "Demnach wäre eine Versiegelung mit Wasserlacken lediglich bei neu verlegten, massiven Parkettböden der Holzart Eiche möglich." Dass es anders geht, zeigt die Realität. Heute werden längst 85 % aller bauseits versiegelten Böden mit Wasserlacksystemen behandelt. Den Rest teilen sich Öl-Kunstharzlacke und die ebenfalls stark lösemittelhaltigen 1K- oder 2K-PU-Lacke (DD-Lacke). Dazu der Sachverständige Gert F. Hausmann: "Raumluftvorschriften werden in Zukunft bald nur den Einsatz des Wasserlacks ermöglichen. Wir müssen dann sehen, was an Gewährleistung noch möglich ist."

Ein Schaden hat oft viele Väter

Bei der Beurteilung eines ungleichmäßigen Fugenbildes und bei Parkettablösungen müssen alle zusammenwirkenden Faktoren in Augenschein genommen werden. In der Regel sind immer zwei der drei wesentlichen Faktoren - Holzfeuchte, Kleberbett, Siegel - betroffen. Zu häufig, meint Richard Hlubek, werde die Schuld allein beim Wasserlack gesucht. Das verdecke den Blick auf andere Mängel im Objekt.

Das Schadensbild hat oft komplexe Ursachen. Hlubek: "Die Unterstellung, der Schaden sei durch gleichmäßige Fugen erträglicher, sollte überdacht werden." Was Parkettablösungen betrifft, fordert der Bona-Anwendungstechniker: "Es kann erwartet werden, dass eine intakte Verklebung und bei Mehrschichtparkett ein ordnungsgemäßer Parkettaufbau den sehr kurzfristigen Belastungen durch Wasser aus der Versiegelung standhält."

Handwerker wünschen sich von der Industrie, dass der Grad tatsächlicher Seitenverleimung eines Produkte angegeben würde. Es gibt jedoch für diesen ungeliebten Effekt keine Testmethode. Lediglich die Risiken der einzelnen Produkte könnten deutlicher hervorgehoben werden.

Die meisten Schäden beim Schiffsverband

Nicht ohne Grund zeigen sich die meisten Abrissfugen nach der Verlegung im Schiffsverband. Dieses "angesagte" Verlegemuster lässt die Holzkräfte vornehmlich in einer Richtung arbeiten. Werden zudem nervöse Holzarten genutzt, verstärkt sich die Wirkung. Abhilfe schaffen hier Verlegemuster wie Mosaik oder Fischgrät, bei denen sich die Holzkräfte gegenseitig aufheben.

Auch Holzpflaster mit seinen liegenden Jahresringen und vertikaler Holzfaser zeigt, laut Richard Hlubek, "heftige Reaktion auf Feuchte, wenn der Boden nicht fest liegt."

Probleme sehen die Fachleute schließlich dort, wo in Zukunft Fertigparkett zur Renovierung ansteht. Zu dünne Nutzschichten oder spröde gewordene Verleimungen auf der Trägerschicht können zu Deckschichtablösungen führen, wenn ein neues Wassersiegel aufgetragen wird. Im Zusammenhang mit Auffeuchtung des Parketts in der oberen Holzschicht weist Willi Nürnberger auf das Problem der Faserstauchung hin: Das Holz entwickelt dabei starke Kräfte.

Eine der Hauptursachen für Fugen im Parkett bleibe schließlich das Raumklima. Der Verleger kann hier nur seine "warnende" Empfehlung aussprechen, verantwortlich ist letztlich der Nutzer der Räume. Die Realität zeigt: Befeuchten ist aufwendig, kostenintensiv, kein Highlight für die Wohnungseinrichtung und wird vom Endverbraucher nur bedingt akzeptiert. Trotzdem - und das ist die Kehrseite - erwartet der Verbraucher eine perfekte Parkett-oberfläche.

Fazit: Verleger und Industrie sind aufgefordert, das Bild vom fugenfreien, aalglatten Parkett zu revidieren und statt Design den Naturcharakter des Produktes in den Mittelpunkt zu rücken.


Gesetzliche Vorgabe TRGS 617

Verstöße gegen die TRGS sind Verstöße gegen die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und können als Ordnungswidrigkeit oder sogar als Straftat geahndet werden.

Daraus ergibt sich die Verbindlichkeit zur Anwendung und Beachtung der TRGS. Für die Oberflächenbehandlung von Parkett und anderen Holzfußböden gilt die TRGS 617. Sie enthält Vorschläge bezüglich des Einsatzes von Ersatzstoffen und Ersatzverfahren anstelle stark lösemittelhaltiger Oberflächenbehandlungsmittel.

Ersatzstoffe im Sinne der TRGS sind Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse mit geringerem gesundheitlichem Risiko, die stark lösemittelhaltige Oberflächenbehandlungsmittel für Parkett und andere Holzfußböden ganz oder teilweise ersetzen können.
aus Parkett Magazin 04/04 (Bodenbeläge)