Olaf Rützel, Holzring-Geschäftsführer
"Die Preisfalle in der Holzbranche"
Wachstumsschwäche, mangelnde Ertragskraft und eine schwierige Wettbewerbsposition lassen es nicht gelingen, dass in der Industrie und im Handel ein für alle auskömmliches Preis- und Ertragsniveau herzustellen ist. Die Vertreter der Industrie klagen über nicht kostendeckende Preise und der Handel bemängelt, dass mit vielen Produkten der Holzwerkstoffindustrie keine ausreichende Handelsspanne zu erwirtschaften ist.
Die Kosten verringern?
Kostensenkungspotentiale sind nach diversen Phasen der Optimierung und Reorganisation in den Unternehmen zu einem großen Teil ausgeschöpft. Der Industrie zu Gute gekommen ist die Erfahrung, dass mit jeder Verdoppelung der kumulierten Produktionsmenge die auf die Wertschöpfung bezogenen (Grenz-)Stückkosten um einen bestimmten Prozentsatz sinken. Zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation hat das allerdings nicht geführt. Permanent müssen Arbeitsabläufe verbessert und die Produktivität gesteigert werden - das ist unbestritten, reicht aber allein nicht aus. Gleich bedeutend, wenn nicht gar wichtiger, scheint es, die Preispolitik auf den Prüfstand zu stellen.
Mengendruck führt zur Preisfalle
Die Industrie und auch der Holzhandel haben sich in einigen Bereichen in eine Preisfalle hinein manövriert. Durch immer neue Kapazitäten, die teilweise die Nachfrage übersteigen, wird die Regel bestätigt: Je höher die Absatzmenge, desto geringer der Preis! Auch der Einkaufsvorteil durch die Mitgliedschaft in Kooperationen fließt tragischerweise oft direkt in eine Reduzierung des Verkaufspreises ein. Es sollte aber jedem kaufmännisch Handelnden bewusst sein, dass die bloße Weitergabe von Einkaufsvorteilen über den Verkaufspreis vom Ertragsgedanken her einem Nullsummenspiel gleicht.
Eine Reduzierung des Preises schafft in gesättigten Märkten nicht mehr Nachfrage, sondern reduziert das Preis- und Ertragsniveau im gesamten Markt. In der Konsequenz ist man selber benachteiligt, da die Wettbewerber diesem Treiben nicht tatenlos zusehen und der Preis am Ende bei austauschbaren, standardisierten Produkten zum einzigen verkäuferischen Argument wird.
In den Bilanzen eines Holzhändlers oder Industrieunternehmens kann der Preisverfall tiefe Spuren hinterlassen: Wenn nämlich der Lagerdurchschnittswert zum Bewertungsstichtag höher liegt als der gerade gültige Marktpreis. Dann muss nach dem Niedrigstwertprinzip der jeweils geringere Preis für die Bewertung angesetzt werden und verursacht am Stichtag eine (zumindest bilanzielle) Kapitalvernichtung. Dadurch kann ein Unternehmen in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.
Neues Preisverständnis nötig
Es ist notwendig, dass Industrie und Handel in der Holzbranche gemeinsam zu einem neuen Preisverständnis und zu einer neuen Preiskultur kommen. Dabei soll sich nicht ein Teil der Wertschöpfungskette zu Lasten des anderen bereichern, hier geht es um eine Erhöhung des gemeinsamen Ertragniveaus, von dem alle profitieren. Dazu ist es notwendig, dass über die gesamte Wertschöpfungskette eine differenzierte Preispolitik praktiziert wird, zum Beispiel mittels deckungsbeitragsorientierter Preissteuerung. Ziel muss es sein, durch kundenbezogene Preisdifferenzierung die individuellen Preisräume maximal auszuschöpfen und somit den Deckungsbeitrag zu erhöhen.
Merkmal der Preisdifferenzierung können logistische Kriterien (Entfernung, Ausladung, Auftragsgröße etc.) sein oder Staffelpreise nach der Einstufung in A-, B- oder C-Kunden. Zurechenbare Vertriebskosten und die Definition als attraktiver Zielkunde können sich auf die Preisbildung auswirken. Am Ende müssen leistungsstarke Kunden im Vergleich zu anderen einen Preisvorteil erhalten.
Ein gewagter, aber diskussionsfähiger Gedanke ist die Vereinbarung von nachträglichen Rückvergütungen: Sie würden mit Blick auf den Verkaufspreis des Handels kalkulationsneutral behandelt und von den Kooperationen treuhänderisch verwaltet werden. Über diese "Sparkassenfunktion" der Kooperationen könnten die Effekte der Zuschlagskalkulation wirken, das Preisniveau angehoben und der abwärts gerichteten Preisspirale Einhalt geboten werden. Im Baumarktbereich wird dieses Verfahren von großen Ketten seit langem praktiziert. Dort werden Verkaufspreise grundsätzlich nicht auf Basis der Netto-Netto-Einstandskonditionen kalkuliert.
Eine intelligente Preispolitik kann erfolgreicher wirken als Kostensenkungen oder Mengensteigerungen. Für die Umsetzung ist jedoch ein gemeinsames Grundverständnis über die gesamte Wertschöpfungskette notwendig. Die angespannte Wirtschaftslage sollte Anlass genug sein, sich mit diesem Thema intensiv auseinander zu setzen.
aus
Parkett Magazin 01/04
(Handel)