Dr. Udo F. Windhövel, Henkel, bezweifelt den Nutzen der europäischen Normung
Was ist das Besondere an Parkettspachtelmassen?
Fußbodenspachtelmassen finden aus verschiedenen Gründen Verwendung. Entsprechend unterschiedlich sind die an sie gestellten Erwartungen und die daraus erwachsenden Anforderungen. Eines haben Bodenspachtelmassen jedoch gemeinsam: Sie werden eingesetzt, um einen Untergrund - meist einen Estrich - für die Aufnahme eines Nutzbelages vorzubereiten.
Im Fall von Parkett werden im Markt besondere, "parkettgeeignete" Spachtelmassen angeboten. Was leisten diese Spachtelmassen und wonach richtet sich ihre Parketteignung?
Anforderungen an Parkettspachtelmassen
Die in Deutschland und im benachbarten Ausland seit vielen Jahren erfolgreich praktizierte "schubfeste" Klebung von Parkett stellt relativ hohe mechanische Anforderungen an einen Untergrund. Parkettböden "arbeiten" unter dem Einfluss jahreszeitlicher Klimaschwankungen. Dabei treten teilweise hohe Schubspannungen auf, die im Fall schubfester Klebung unmittelbar auf den jeweiligen Verlegeuntergrund übertragen werden.
Dem trägt der BEB Rechnung mit einem Merkblatt vom November 1995 "Haftzugfestigkeiten von Fußböden". Für Estriche, auf die Parkett und Holzpflaster geklebt werden sollen, werden darin höhere Haftzugfestigkeiten gefordert als für andere Bodenbeläge. Es werden außerdem, was bemerkenswert ist, den Haftzugfestigkeiten konkrete Estrich-Festigkeiten nach DIN 18560-1 zugeordnet.
Die Suche nach deutschen Normanforderungen für Spachtelmassen ist unergiebig. Erst in der europäischen Normung wurden die Levelling and Smoothing Compounds, wie Spachtelmassen im Englischen bezeichnet werden, behandelt. Leider gelang es deutschen Herstellern nicht, ihre hohen Standards in den relevanten Normen festzuschreiben. Künftig werden Spachtelmassen normativ nicht von Estrichen zu unterscheiden sein. Spachtelmassen sind nach der Definition aus DIN EN 13318 "nur" Estriche. Damit gelten die an Estrichmörtel und Estrichmassen gestellten Anforderungen nun auch für Spachtelmassen.
Am Sackaufdruck wird künftig erkennbar sein, dass eine Spachtelmasse A, gekennzeichnet als CT-C35-F6, eine höhere Druckfestigkeit bringt als Spachtelmasse B mit der Bezeichnung CT-C30-F7, wobei B sich aber durch eine etwas höhere Biegezugfestigkeit auszeichnet. Wir werden aber nicht erfahren, ob eine Spachtelmasse für einen bestimmten Verwendungszweck besser oder schlechter geeignet ist.
Lässt sich die Parketteignung von Spachtelmassen aus der Einstufung nach DIN EN 13813 ableiten? Wir glauben nicht. Die anzugebenden Festigkeitswerte beziehen sich nämlich auf die für Estrichprüfungen typischen 28 Tage. Spachtelmassen werden jedoch in der Praxis bereits nach ein bis drei Tagen belegt, und den Parkettflächen wird nicht selten nach weiteren drei bis zehn Tagen mit "schwerem Gerät", sprich Schleifmaschinen, zu Leibe gerückt. Aus hohen Biegezug- und Druckfestigkeiten allein würden wir deshalb noch keine Eignung für Parkett ableiten. Sie können allenfalls ein Hinweis sein.
Anhand welcher Prüfungen lassen sich Spachtelmassen besser charakterisieren? Wir entscheiden uns für die Haftzug- und die Scherprüfung. Anhand von zehn marktüblichen Spachtelmassen - sechs davon für Parkett ausgelobt - betrachten wir sowohl Druck- und Biegezugfestigkeiten (DIN EN 13813 bzw. prEN 13892-2) als auch Haftzug- (prEN 13892-8) und Scherfestigkeiten (in Anlehnung an DIN 281). Ziel ist es, die wichtigsten Unterschiede zwischen Spachtelmassen mit ausgelobter Parketteignung und Standardspachtelmassen herauszuarbeiten.
Ergebnisse aus Haftzugprüfungen
Ergebnisse von Haftzugprüfungen hängen entscheidend von bestimmten Randbedingungen ab. Wir möchten deshalb davor warnen, Haftzugfestigkeiten als Absolutwerte, d.h. ohne Bezug auf bekannte Standards durchzuführen. Es ist wichtig anzugeben, wie die Prüfkörpervorbereitung erfolgte und welcher Hilfsklebstoff Verwendung fand. Für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Haftzugprüfungen an 10 Spachtelmassen verwendeten wir als Hilfsklebstoff einen zweikomponentigen Polyurethanklebstoff für Parkett mit guter Metallhaftung.
Folgende Fragen interessierten uns
- Wie groß sind die Unterschiede zwischen Standardspachtelmassen und Parkettspachtelmassen?
- Welche Rolle spielt die Dicke der Spachtelschicht?
- Wie gut reproduzierbar ist die Haftzugprüfung?
Die Antworten: Unabhängig von der Schichtdicke (Abb. 1) zeigen die Parkettspachtelmassen (P2 bis P 6) mindestens 2 N/qmm, während Standardspachtelmassen (AGL-1 bis AGL-4) dieses Niveau nicht erreichen. Letzteres gilt auch für die als "parkettgeeignet" ausgelobte Universalspachtelmasse (P1).
Beim Vergleich der 2 mm und 5 mm dick gespachtelten Prüfkörper (Abb.1) fällt eine Dickenabhängigkeit der Ergebnisse auf. Zur Absicherung wurden die Prüfungen wiederholt und in 5 Fällen auf 10 mm Schichtdicke ausgedehnt. Auch hier war die Dickenabhängigkeit deutlich erkennbar, wobei in 2 mm Schichtdicke jeweils die höchsten Werte ermittelt wurden. Wir sehen es als wahrscheinlich an, dass die in größerer Schichtdicke langsamer erfolgende Trocknung zu den Unterschieden geführt hat.
Nach längerer Vorlagerung erzielten wir eine weitere Festigkeitssteigerung, vor allem bei den Prüfkörpern mit höherer Schichtdicke.
Eine mit 5 Produkten durchgeführte Wiederholungsprüfung zeigt eine erstaunlich gute Übereinstimmung mit dem Ergebnis aus der ersten Serie und belegt die Brauchbarkeit der Methode.
Ergebnisse aus Scherprüfungen
Die feuchtigkeitsbedingten Dimensionsänderungen von Holz führen eher zu einer Scherbelastung als zu einer Zugbelastung für Klebstoff und Spachtelmasse. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden Parkettklebstoffe seit vielen Jahren nach DIN 281 im Scherversuch beurteilt. Die nachfolgend beschriebenen Prüfungen wurden in enger Anlehnung an die DIN 281 durchgeführt.
Uns interessierten folgende Punkte
- Wie verhalten sich marktübliche Spachtelmassen unter Scherbeanspruchung?
- Welchen Zusammenhang gibt es zu den Ergebnissen aus den Haftzugprüfungen?
- Welchen Einfluss haben Spachtelmassendicke und Prüfgeschwindigkeit?
Die Ergebnisse von Scherprüfungen hängen stark von der Geschwindigkeit ab, mit der geschert wird. Wir untersuchten deshalb vorab an zwei typischen Parkettspachtelmassen, wie groß dieser Einfluss ist. Erwartungsgemäß werden bei niedriger Prüfgeschwindigkeit auch niedrigere Scherfestigkeiten ermittelt. Wegen der kürzeren Prüfdauer, die eine höhere Probenanzahl ermöglicht, entschieden wir uns für die höhere Geschwindigkeit von 20 mm/min.
Wie verhalten sich marktübliche Spachtelmassen im Scherversuch? Einen Oberblick gibt die Vergleichsprüfung der aus den Haftzugprüfungen bekannten Produkte. Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Bild nicht wesentlich von dem der Haftzugprüfung. Dennoch gibt es wichtige Unterschiede. Bemerkenswert ist z.B., dass gerade die Spachtelmassen im"Mittelfeld" (z.B. AGL-3, AGL-4 und Pl) hier deutlich besser abschneiden, als in der Haftzugprüfung. Außerdem ist eine Abhängigkeit der Scherfestigkeiten von der Schichtdicke der Spachtelmassen überraschenderweise nicht gegeben. Ein Zusammenhang der Ergebnisse aus Haftzug- und Scherversuchen existiert daher ebenfalls nicht.
Einfluss der Spachtelmassendicke
Welche der beiden hier praktizierten Methoden die höhere Aussagekraft in der Beurteilung von Spachtelmassen hat, ist schwer zu sagen. Solange die Erfassung von Festigkeitsunterschieden in der Spachtelmasse im Vordergrund steht, ist für uns die Haftzugprüfung die Methode der Wahl. Wenn es aber darum geht, den Einfluss von Klebstoffen zusätzlich zu erfassen, würden wir die Scherprüfung in Anlehnung an DIN 281 favorisieren.
Ergebnisse aus Druck- und Biegezugfestigkeitsprüfungen
Eingangs wurde auf die künftige Bedeutung der DIN EN 13813 für Estriche und Estrichmörtel sowie für Spachtelmassen hingewiesen. Bleiben Zweifel, ob die nach dieser Norm anzugebenden Druck- und Biegezugfestigkeiten nicht doch in einem engeren Zusammenhang zu den ermittelten Haftzug- oder Scherfestigkeiten zu sehen sind. Lassen sich den ermittelten Haftzugfestigkeiten konkrete Festigkeitsklassen nach DIN EN 13813 zuordnen? Kann man aus den Angaben zur Druck- und Biegezugfestigkeit auf die Parketteignung schließen?
Wir haben dazu alle 10 Spachtelmassen, die im Rahmen dieser Arbeit betrachtet wurden, nach DIN EN 13813 eingestuft und mit den Haftzugfestigkeiten aus der ersten Prüfserie verglichen. Die Spachtelmasse AGL-1 mit der geringsten Haftzugfestigkeit fällt erwartungsgemäß in die niedrigste Klasse CT-C30-F6 und unterscheidet sich nicht von der Universalspachtelmasse P1. Weil letztere eine relativ geringe Haftzugfestigkeit zeigt, könnte man noch von einen Zusammenhang ausgehen, denn auch der Vergleich der CT-C35-F7Spachtelmassen AGL-2 und AGL-4, die sich im Ergebnis der Haftzugprüfung ebenfalls kaum unterscheiden, spricht für eine Parallelität von Haftzug-, Druck- und Biegezugfestigkeit.
Dem widerspricht jedoch die Betrachtung der nach Haftzugfestigkeiten nahezu identischen Spachtelmassen AGL-3, AGL-4 und Pl (alle ca. 2 N/qmm). Diese drei Produkte werden nach der künftigen CE-Kennzeichnung unterschiedlichen Klassen angehören. Sie decken sogar das komplette Spektrum der hier betrachteten Spachtelmassen ab. Für besonders wichtig betrachten wir die Feststellung, dass eine seit vielen Jahren bewährte, hochvergütete Parkettspachtelmasse (P6) sich nach der neuen Euro-Norm nicht mehr von einer preiswerten StandardSpachtelmasse (AGL-3) unterscheiden lässt.
Unsere Vermutung wird bestätigt: Die Klassifizierung von Spachtelmassen nach DIN-EN 13813 bringt uns in der Fragestellung nach der anwendungstechnischen Eignung nicht weiter.
Ergebnisse aus Systemprüfungen
Unter praktischen Aspekten besonders interessant sind mögliche schädigende Einflüsse von Parkettklebstoffen auf Spachtelmassen. Lösemittelhaltige und/oder weichmacherhaltige Klebstoffe führen nachgewiesenermaßen zur Erweichung von hochvergüteten Parkettspachtelmassen. Wir selbst haben Schadensfälle gesehen, in denen ein weichmacherhaltiger Parkettklebstoff auf Epoxy-Basis innerhalb relativ kurzer Zeit zur Erweichung der obersten Spachtelmassenrandzone und zu kapitalen Parkettschäden führte. Elastische Polyurethanklebstoffe, die hohe Weichmacheranteile enthalten, sind in diesem Punkt ebenfalls kritisch zu sehen.
Bei der Auswahl von Spachtelmassen empfiehlt es sich, entsprechende Aussagen der Klebstoffhersteller in den technischen Merkblättern zu berücksichtigen oder gleich auf empfohlene und geprüfte Systeme zurückzugreifen.
Für die nachfolgend beschriebenen Versuche haben wir willkürlich einige Produktkombinationen aus dem Markt herausgegriffen und diese im Scherversuch geprüft. Dazu wurden neun der zehn in dieser Arbeit beurteilten Spachtelmassen 2 mm dick auf grundierte Betongehwegplatten gespachtelt. Nach einem Tag wurden Eiche-Mosaikparkettlamellen mit unterschiedlichen Klebstoffen aufgeklebt und nach drei Tagen die Scherfestigkeit bestimmt.
Bei keinem der drei geprüften Lösemittel-Kunstharzklebstoffe konnte nach drei Tagen die Endfestigkeit erreicht werden. Es kam in allen Prüfungen bei geringer Kraft zum Kohäsionsbruch im Klebstoff. Die Festigkeit der Spachtelmassen wurde also gar nicht ernsthaft beansprucht.
Dispersionsklebstoffe verhalten sich anders. Sie erreichen üblicherweise schon nach 24 Stunden Scherfestigkeiten von über 5 N/qmm und damit ein Niveau, welches über dem von Standardspachtelmassen liegt. Unsere Systemprüfungen bestätigen das. Es ließen sich markante Unterschiede zwischen den einzelnen Spachtelmassen feststellen. An mindestens drei Beispielen (P2, P4 und P6) lässt sich positiv erkennen, dass mit Dispersionsklebstoffen Verbundfestigkeiten auf einem Niveau zu erreichen sind, wie wir es von Polyurethanklebstoffen bereits kennen
Dass Spachtelmassen aber auch das schwächste Glied in der Kette sein können, zeigen die Negativbeispiele AGL-2, AGL-3 und AGL-4. Die ohnehin geringeren Scherfestigkeiten der Standardspachtelmassen gehen im Verbund mit Dispersionsklebstoff noch einmal um mehr als ein Drittel zurück und liegen dann nur noch bei 2 bis 3 N/qmm. Für Parkett ist das nach unserer Ansicht zu wenig.
Zusammenfassung
Weder nationale noch internationale Normen stellen Mindestanforderungen an Bodenspachtelmassen, geschweige denn an Parkettspachtelmassen. Boden- und Parkettleger musste das nicht stören, sie konnten bisher im Markt auf sehr leistungsfähige Produkte zurückgreifen, die eigene Standards definierten.
Nun droht für Fußbodenspachtelmassen durch die DIN EN 13318 der völlige Identitätsverlust, denn sie sind nach dieser Norm von Estrichen nicht zu unterscheiden. Das CE-Zeichen für Spachtelmassen und die damit einhergehende Klassifizierung wird keineswegs zu einer Leistungssteigerung in dieser Produktgruppe führen. Es wird sehr schwer fallen, zu vermitteln, weshalb für einen als CT-C25-F4 (=> ZE 20) ausgeschriebenen Zementestrich eine Spachtelmasse der Kategorie C35-F7 oder darüber erforderlich ist.
Spachtelmassen sind keine Estriche! Sie werden ausnahmslos im Verbund und überwiegend in dünnen Schichten aufgebracht. Nach einer Trocknungszeit von nur einigen Stunden bis zu wenigen Tagen werden sie dann - das ist der wesentliche Unterschied zu Estrichen - direkt mit Bodenbelägen belegt.
Anhand der Prüfergebnisse konnten wir zeigen, dass Parkettspachtelmassen sich vor allem durch höhere Haftzug- und Scherfestigkeiten von Standardspachtelmassen deutlich abheben, sowie durch ihre besondere Verträglichkeit gegenüber Dispersionsklebstoffen.
Die Schlussfrage lautet: Haben hochwertige Parkettspachtelmassen, deren Leistungsprofil sich nach der EN 13813 gar nicht abbilden lässt, eine Überlebenschance? Sie haben es, wenn es gelingt, die technische Notwendigkeit von Parkettspachtelmassen zu begründen und die Botschaft bis hin zu Planern und Entscheidern zu bringen.
aus
Parkett Magazin 02/03
(Normen)