Neue Wege in der Ausbildung der Lehrlinge


Eine Anregung der Parkettlegerschule in Stade ist jetzt offiziell in die Neuordnung der Parkettlegerausbildung aufgenommen worden: Als Jahresarbeit kann ein Lehrling - alternativ zu den üblichen Arbeitsberichten - die Dokumentation eines teilweise selbständig abgewickelten Kundenauftrags vorlegen.

Ausbildungsbetriebe, die es wagen, einem Lehrling die Ausführung eines Kundenauftrages "von A bis Z" zu übertragen, sind bisher eine Seltenheit. In Zukunft könnte der Anreiz größer sein: Der Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik hat auf der Basis eines Hamburger Modellversuchs einen Leitfaden verfasst, an dem sich Lehrlinge, Ausbildungsbetriebe und Berufsschullehrer orientieren können.

Lernen im Kundenauftrag wird heute für die handwerkliche Berufsausbildung als moderne Form der beruflichen Ausbildung akzeptiert. Vom Lehrling wird im Rahmen der Jahresarbeit zusätzlich zum Ausbildungsnachweis ohnehin ein Arbeitsbericht gefordert. Der soll Aufschluss darüber geben, ob und wie komplexe Vorgänge erfasst und dargestellt werden können. Dieser Arbeitsbericht kann sich nunmehr auf eine Parkettverlegung beziehen, die der Lehrling tatsächlich für einen Kunden ausgeführt und dokumentiert hat.

In Absprache mit dem Lehrherrn und der Berufsschule wählt der Lehrling einen betrieblichen Kundenauftrag. Dieser muss nach Umfang und Anspruch dem Leistungsvermögen des Lehrlings entsprechen. Das heißt: Die Anforderungen können mit Renovierungsschliff und Neuversiegelung eines Holzfußbodens relativ niedrig gehalten werden oder auch bis hin zur kompletten Neuverlegung mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad reichen.

Erwünscht ist, dass der Lehrling an allen Etappen der Auftragsausführung - von der Erarbeitung des Entwurfs und der Auftragsannahme bis zur Abnahme des fertigen Bodens - aktiv beteiligt ist und sie so weit wie möglich selbständig meistert. Lehrherr und Berufsschullehrer sollen ihn unterstützen. Dazu müssen sich alle zu Beginn des Schuljahres über das geplante Projekt einig werden. Gegen Ende des Schuljahres bekommt der Lehrling die Gelegenheit, seine Jahresarbeit vor der Klasse zu präsentieren. Die schulische Bewertung geht wie eine Klassenarbeits-Note in Fachtheorie in das Jahreszeugnis ein.

Die erste Jahresarbeit nach diesem Muster lieferte der Lehrling Daniel Schwinges. Sein Lehrherr ist Parkettlegermeister Frank Bender aus Hamburg, der zuständige Berufsschullehrer Jörg Kock von der Parkettlegerschule in Stade. Die Arbeit bezog sich auf die Neuverlegung eines vollflächig verklebten, mit umlaufendem Fries geschmückten Bodens aus Bambus-Mehrschichtparkett. Die Berechnung der benötigten Materialmengen wurde dadurch erschwert, dass die Fläche mehrere Ecken aufwies. Ferner waren Reste vom Altbelag zu entfernen und die erforderlichen Schritte bei der Untergrundvorbereitung vorzubereiten. Bei der Arbeit aufgetretene Probleme wurden dokumentiert. Im vorliegenden Falle stellte der Lehrling Verschmutzungen an den Stirnseiten der Bambusparkett-Elemente fest. Nachdem der Lieferant nicht weiterhalf, "wurde das gesamte Material zu einem Tischler gebracht, der übers Wochenende sämtliche Stirnseiten neu bearbeitete" - so steht es im Bericht.

Lehrling Daniel Schwinges machte bei der Aufgabe eine ganze Reihe von Erfahrungen. Positiv war, dass sein Entwurf mit Fries ausschlaggebend für den Auftragserhalt war. Am Beispiel der schadhaften Stirnseiten lernte er Problembewältigung. Es galt abzuwägen zwischen einer Ersatzlieferung, die lange gedauert und den Kunden verärgert hätte, und einer schnellen, unkonventionellen Lösung. Am eigenen Körper erlebte er die Folgen von Stress, als er bemüht war, die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Unmittelbar betroffen war er auch von den Folgen eines nachlässigen Umgangs mit einem hautschädigenden Epoxidharzprodukt: Er hatte die Giscode-Hinweise nicht beachtet und vergessen, Schutzbrille und Schutzcreme zur Arbeitsstelle mitzunehmen. "Schließlich muss ich lernen, ruhiger zu arbeiten und in stressigen Situationen Ruhe zu bewahren" zog Daniel Schwinges ein Fazit seines Modellversuches.
aus Parkett Magazin 02/03 (Handwerk)