Unklarheiten durch die DIBt-Vorgaben

Hebelt die bauaufsichtliche Zulassung den Wettbewerb aus?


Die bauaufsichtliche Zulassung für Bodenprodukte sorgt nach wie vor für Unruhe. Auf den zentralen Messen der Bodenbelagsbranche in Hannover und München wurde deutlich, dass ausländische Hersteller noch nie davon gehört hatten, andere wiederum halten die deutsche Maßnahme für reinen Protektionismus. Auch Handel und Handwerk zeigen sich nicht oder schlecht über die neuen Vorschriften informiert.

Seit Oktober 2004 müssen Bodenbeläge, die in Deutschland verlegt werden, durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) zugelassen sein. Grundlagen dazu sind die europäische Bauproduktenricht-linie (89/106/EWG) und das deutsche Bauproduktengesetz. Die Zulassung gilt für fünf Jahre, die zugelassenen Produkte sind mit dem Ü-Zeichen (Übereinstimmungszeichen) zu kennzeichnen. Es trägt den Hinweis "Emissionsgeprüft nach DIBt-Grundsätzen'.

Bis Ende 2010 hatten Parkettböden und Verlegewerkstoffe eine Schonfrist. Jetzt ist auch für Fertigparkett, endbehandelte massive Dielen und unbeschichtetes Mehrschichtparkett das Ü-Zeichen erforderlich.

Die Zulassung von Verlegewerkstoffen und Bodenbelägen durch das DIBt erfolgt nach den "Grundsätzen zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten in Innenräumen', deren Bestandteil das AgBB-Schema ist. Beurteilt werden VOC und SVOC (schwerflüchtige organische Verbindungen), die aus Bauprodukten in einer Prüfkammer am 3. und am 28. Tag ausgasen. In das Bewertungsschema gehen neben der Raumluft-Konzentration auch gesundheitsschädigende Eigenschaften ein. Selbst wenn die Produkte den Blauen Engel tragen, der nach teilweise strengeren Vorschriften vergeben wird, müssen sie sich einer erneuten Prüfung unterziehen.

Diese Prüfungen kosten Zeit und Geld. Erst muss ein aufwändiger Antrag beim DIBt eingereicht, dann ein zugelassenes Prüfinstitut beauftragt werden. Diese Regelung gilt für Produktgruppen, soweit Aufbau und Rohstoffe vergleichbar sind. So muss nicht jedes Produkt einzeln getestet werden, sondern exemplarisch ein Zweischicht-, Dreischicht- und Massivparkett eines Herstellers. Ändert sich jedoch die Rohstoffzusammensetzung, muss ein neuer Antrag her.
Rechtliche Grauzone

Hersteller von Verlegewerkstoffen beklagen, dass sich die Anforderungen des DIBt zwischenzeitlich geändert haben und mittelfristige Planungen behindern würden. Hieß es beispielsweise erst, lösemittelhaltige Produkte könnten eine Zulassung bekommen, wenn sie die Emissionswerte einhalten, gibt es heute für solche Produkte keine Zulasung mehr. Das zeigt: Die Ansichten im DIBt sind im Wandel. Schärfere Auflagen sind für die Zukunft zu erwarten.

Seit 1. Januar 2011 ist die DIBt-Verordnung für Holzfußböden in Kraft. Und das, obwohl weder das Institut für Bautechnik noch die Prüflabore mit der Flut der Anträge rechtzeitig fertig geworden sind. Deswegen befinden sich manche Produkte der Branche in einer rechtlichen Grauzone. Sie zu verlegen, könnte bedeuten, ein mit Mängeln behaftetes Produkt einzubauen. Ob der Auftraggeber daraus allerdings eine Zahlungsverweigerung ableiten darf, ist mehr als fraglich. In einem Fall aus dem Jahre 2008 hatte das Landgericht Magdeburg gegen die Mängelrüge eines Bauherrn entschieden, bei dessen Einfamilienhaus die eingebaute Bodenplatte weder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung noch eine Zustimmung im Einzelfall von der obersten Baubehörde hatte. Da es aber keine Anhaltspunkte für eine mangelhafte Ausführung oder eingeschränkte Nutzbarkeit der Bodenplatte gab, folgerte das Gericht, stelle das Fehlen einer Zulassung oder Zustimmungserklärung allein noch keinen Mangel dar.

Auch in ähnlichen Fällen war es gängige Rechtsprechung, dass der Verstoß gegen DIN-Vorschriften bei der Verarbeitung, die Missachtung von Verarbeitungshinweisen, fehlende Zulassungen und eine unzureichende Dokumentation für sich allein keine Mängelrüge rechtfertigen. Aber verlassen sollte man sich darauf nicht.

Zulassung auch bei Renovierung gefordert

Falsch ist die vielfach in der Branche veröffentlichte Meinung, die DIBt-Zulassung für Bodenbeläge, Klebstoffe und Beschichtungen sei nur für den Neubau nötig, bei Renovierungen aber nicht. Dieses Missverständnis beruht auf unterschiedlicher Interpretation der Bauregelliste B Teil 1, weil diese zum Schleifen und Neubeschichten alter Böden - also dem klassischen Renovieren - keine explizite Aussage enthält. Die Bauregelliste wiederum bezieht sich auf die Parkettnorm DIN EN 14342. Für die Oberflächenbeschichtung von Parkett und Holzfußböden nach DINEN 14342 wird die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) im DIBt-Bescheid unter Punkt "Zulassungsgegenstand und Anwendungsbereich" erteilt. "Diese DIN EN 14342 hat seit Anfang 2010 Gültigkeit. Wenn also heute eine Renovierung eines Bodens ansteht, der vor 2010 verlegt wurde, greift die abZ aus meiner Sicht aus rein formalen Gründen nicht", meint, wie viele in der Branche, Vertriebsleiter Wolfgang Breetzke von Berger-Seidle.

Während die einen also die Parkettnorm DIN EN 14342 als rechtliche Grundlage für die DIBt-Zulassung (von Klebstoffen und Beschichtungen) ansehen, hält sich das DIBt an die Vorschriften der Landesbauordnungen. Dort nämlich gilt die Verwendung von Bauprodukten sowohl für die Errichtung und Unterhaltung als auch die Instandhaltung baulicher Anlagen. Insofern argumentiert das DIBt, die Zulassungspflicht für Bodenbeläge und Verlegewerkstoffe bei Verwendung in Aufenthaltsräumen sei unabhängig davon, ob es sich um einen Neubau oder ein Gebäude im Bestand (Altbau) handelt.

Wird ein altes Parkett herausgerissen und durch ein neues ersetzt oder wird die Holzoberfläche komplett abgeschliffen und neu versiegelt, so müssen auch im Altbau die dabei verwendeten Parkette, Oberflächenbeschichtungen und Kleber eine DIBt-Zulassung haben. Nur die teilweise Ausbesserung eines Parkettbodens auf recht kleiner Fläche, so gesteht Wolfgang Misch vom DIBt zu, könne derzeit mit nicht zugelassenen Produkten toleriert werden. Diese Frage aber würde sich bald von selbst erledigen, da so gut wie für alle im Markt befindlichen Produkte eine Zulassung beantragt wurde.

Wettbewerbsvorteil für Deutsche

Parkettimporteure sind von der geforderten DIBt-Zulassung besonders betroffen. Ihr Geschäft ist es, durch kurz- oder mittelfristigen Wechsel ihrer Lieferanten in aller Welt günstige Einkaufspreise zu erzielen. Für solche schnell gewonnenen Lieferprodukte eine bauaufsichtliche Zulassung zu erhalten, ist kaum möglich. Viel zu lang sind die Antragswege, viel zu kompliziert ist das Sammeln der nötigen Daten beim fernen Hersteller.

Daher hatte die Europäische Föderation der Parkettimporteure (EFPI) eine einstweilige Verfügung gegen die DIBt-Vorschrift in Brüssel erwogen, wegen ungünstiger Erfolgsaussichten allerdings nicht weiterverfolgt. Jetzt will man in einem Brief dem EU-Wettbewerbskommissar die besondere Problematik aufzeigen: Die deutsche Verordnung verfälsche den Wettbewerb und grenze an Protektionismus. Eine solche Argumentation könnte die sensiblen Wettbewerbshüter aufschrecken, denn natürlich haben die wichtigen deutschsprachigen Fußbodenhersteller ihr Zulassungs-Schäfchen rechtzeitig ins Trockene gebracht.

Noch also scheint die Sache nicht ausgestanden zu sein. Während einige Unternehmen schon jubelnd auf ihre DIBt-Zulassung verweisen und damit Werbung machen, wollen viele andere das Thema nicht hochkochen. Denn an Ungereimtheiten und Problemen fehlt es nicht. So erhielt ein großer deutscher Chemieproduzent seine DIBt-Zulassung für einen lösemittelhaltigen Parkettkleber. Zwei anderen Herstellern wurde die Zulassung für ein vergleichbares Produkt versagt. Ähnliches gilt angeblich für Holzböden aus Räuchereiche. Auch dort sollen einige der Produkte durch den Prüfprozess gekommen sein, andere nicht.


Das CE-Zeichen bei Holzböden reicht nicht für eine DIBt-Zulassung


Parkett mit gültigem CE-Zeichen erhalte gewissermaßen automatisch die DIBt-Zulassung, meinte ein deutscher Parketthersteller. Das ist falsch: Die CE-Prüfung bei Parkett bezieht sich ausschließlich auf Brandschutz- und Formaldehyd-Klassen - bei elastischen Belägen auch auf den Gehalt an PCB. Wolfgang Misch, Leiter des Referates Gesundheits- und Umweltschutz in Berlin, führt dazu weiter aus: "Das CE-Zeichen ersetzt keineswegs die DIBt-Zulassung von Holzböden/Parkett. Wenn es so wäre, wäre unser Vorgehen vollkommen unsinnig. Das CE-Zeichen gemäß DIN EN 14342 deckt eben den Gesundheitsschutz nicht ab.

Dieser Aspekt wird ergänzend zur CE-Kennzeichnung durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassung geregelt. So ist es der Bauregelliste B Teil 1 zu entnehmen. Das Produkt muss dann ergänzend mit dem nationalen Ü gekennzeichnet und regelmäßig überwacht werden. Im Zulassungsverfahren wird dieser Aspekt geprüft und bewertet.

Der Homepage vom DIBt kann jeder entnehmen, auf welcher Basis dies erfolgt. Unter anderem wird eine Emissionsmessung zur Bestimmung der Abgabe flüchtiger organischer Verbindungen durchgeführt und die Rezeptur der Materialien bewertet."

Mit anderen Worten: Das Ü-Zeichen ist ein nationaler deutscher Verwendbarkeitsnachweis, der zusätzlich erforderlich ist. Durch das CE-Zeichen (DIN EN 14342) bestätigt der Hersteller lediglich, dass sein Produkt europäischen Richtlinien entspricht und er es auf dem europäischen Markt in den Verkehr bringen darf.
aus FussbodenTechnik 02/11 (Bodenbeläge)