Ungarn, Tschechien und Polen ein Jahr nach dem EU-Beitritt

Profitiert hat der Export

Die osteuropäische Parkettindustrie sieht sich mit zunehmend schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen in ihren Heimatmärkten konfrontiert. Vertreter der ungarischen, tschechischen und polnischen Parkettindustrie berichteten im Rahmen der FEP-Tagung über sinkende Haushaltseinkommen und steigende Arbeitslosigkeit. Besonders beklagten sie die stark angehobenen Mehrwertsteuersätze in ihren Ländern. Trotzdem verliefen die Jahre 2003 und 2004 durchweg positiv - dank verstärkter oder zumindest stabiler Exporttätigkeit.

Ausgehend von "Überkapazitäten", die eine Gefahr für den europäischen Parkettmarkt darstellen, hatte FEP-Präsident Dieter Betz die osteuropäischen FEP-Mitglieder gebeten, eigene Länderberichte vorzulegen, "um Potenziale einschätzen zu können".

Ungarn

Dem ungarischen Verband der Forst- und Holzwirtschaft Fagosz gehören mit Grabo, Befag, Mátra, Drava, Homparkett und Mecseparkett sowie Bakonyerdö und Cs-FA Csurg alle maßgeblichen Parketthersteller an. Bis 1990 - erinnert Miklos Möcsényi als Vertreter des Verbandes - habe die ungarische Forst- und Holzwirtschaft eine Phase starker Investitionstätigkeit erlebt, die aber Mitte der 90er Jahre abflachte. Trotz verlangsamten Wachstums befänden sich sowohl die Möbel- als auch die Parkettindustrie dennoch in vergleichsweise guter Verfassung.

Der Binnenmarkt wird als schwierig beschrieben, seitdem sich die Folgen der EU-Anpassung zunehmend auswirken: Steuern und Abgaben steigen, Energiekosten haben die Inflationsrate 2004 auf 7,6% klettern lassen, das disponible Einkommen der Haushalte schrumpft. Zudem steigt die Arbeitslosenzahl. Es wird damit gerechnet, dass die Quote 2006 über 6% (2004 = 5,9%) liegen wird.

Vor diesem Hintergrund gewinnt der seit Ende 2003 deutlich gesteigerte Export an Bedeutung. Diese gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat die ungarische Parkettindustrie bislang kaum erfasst. Laut FEP-Statistik hat der Inlandsverbrauch - offenbar im Gegensatz zur allgemeinen Kaufzurückhaltung in Ungarn - in den letzten Jahren stetig zugenommen. Er stieg von 1,1 Mio. qm (2002) auf 1,6 Mio. qm (2004). Entsprechend stieg der Pro-Kopf-Verbrauch von 0,11 auf 0,16 qm. Gleichzeitig blieb das Produktionsvolumen (2002 = 2,8 Mio. qm, 2003 = 3 Mio. qm, 2004 = 2,9 Mio. qm) nahezu konstant. Diese Zahlen (steigender Inlandsverbrauch bei rückläufiger Produktion) weisen nicht auf einen zunehmenden Export hin, wie er für andere ungarische Industriezweige belegt ist.

Ihr besonderes Engagement auf dem heimischen Markt unterstreicht die ungarische Parkettindustrie, indem sie Verbraucheraufklärung betreibt und eine wettbewerbsrechtliche Klarstellung erwirkt hat: In Ungarn darf die Bezeichnung Laminatparkett wegen der Gefahr der Verbrauchertäuschung nicht mehr verwendet werden. Dem ungarischen Beispiel sollten auch andere Länder folgen, regte Miklos Möcsenyi vom Verband-Fagosz an.

Tschechische Republik

Die wirtschaftliche Situation in der Tschechischen Republik entwickelt sich anhaltend positiv, berichtete Libor Vaclavik (Magnum-Parkett). Insbesondere seit dem EU-Beitritt 2004 gebe es kräftige Impulse. Der Export habe um durchschnittlich 22% zugelegt. Es gebe allerdings auch negative Aspekte: Rohstoffpreise und Inflationsrate steigen, die frei verfügbaren Einkommen der Haushalte sinken und die Arbeitslosigkeit nimmt zu. 2004 lag die Quote bei 8,3%.

Einen besonderen Boom erlebe derzeit die Bauwirtschaft - vor allem im privaten Eigenheim- und Mietwohnungsbau, aber auch im gewerblichen und industriellen Bereich. Jedoch partizipiert die Parkettindustrie daran vergleichsweise wenig, bedauerte Vaclavik. Laminatböden machen das Rennen. Er führt dies auf die nicht differenzierende Bezeichnung Parkett und unzulängliche Produktkenntnisse sogar bei Architekten zurück. Untersuchungen hätten ergeben, dass sich aufgeklärte Privatkunden weitaus häufiger (20%) für Holzböden entschieden als nicht Informierte (6%), die den Unterschied zwischen Laminatboden und Holzfußboden meistens gar nicht kennen. Tschechische Parkettproduzenten müssen sich darüber hinaus zunehmend mit Importen aus Asien auseinander setzen. Vaclavik sprach von regelrechter "Angst vor asiatischen Produkten". Insgesamt stehen tschechische Hersteller unter enormem Importdruck. Das Importvolumen vergrößerte sich 2004 in so starkem Maße, dass die Handelsbilanz trotz der 22-prozentigen Exportsteigerung voraussichtlich negativ ausfallen wird.

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet die Parkettindustrie einen bei ca. 1 Mio. qm (2004 = 1,15 Mio. qm) stagnierenden Parkettabsatz, im kommenden Jahr aber infolge neuer Bauprojekte wieder leichte Steigerungen. Unsicherheitsfaktor sei dabei die von 5% auf 19% angehobene Mehrwertsteuer. Das tschechische Produktionsvolumen soll sich, "solange die Märkte nicht wachsen", auf dem derzeitigen Niveau halten.
Polen

Eine eingehende Darstellung der Situation in Polen vermittelte Kinga Urbanska, Marketingleiterin von Baltic Wood. Sie verwies auf positive Entwicklungen infolge der EU-Mitgliedschaft seit Mai 2004, aber auch auf etliche für die wirtschaftliche Zukunft erkennbar kritische Einflussfaktoren.

Wie in Deutschland, werde die insgesamt abnehmende Bevölkerung Polens in den nächsten dreißig Jahren stark altern. Die sich abzeichnende demographische Entwicklung lasse für das Jahr 2030 rund 8,5 Mio. Menschen im Alter von über 65 Jahren erwarten; 5 Mio. sind es gegenwärtig. Die Arbeitslosigkeit werde zunehmen. Derzeit liegt die Quote bei 19,5%. Die Chancen auf Besserung werden gering eingeschätzt. Der 2004 schlagartig von 7% auf 22% erhöhte Mehrwertsteuersatz für Bauleistungen schlägt sich jetzt in einer geringeren Bautätigkeit nieder. Bei durchschnittlichen Wohnungsgrößen von 114 qm (Neubau) bzw. 60 qm (Altbau) bedeute dies - auch hinsichtlich des Renovierungsbedarfs - erhebliche Einbußen.

Dennoch, unterstrich Kinga Urbanska, ist der Zufriedenheitsindex nach dem EU-Beitritt in Polen hoch. Im ersten Jahr (2004) boomten die Produktion, die heimische Wirtschaft und der Export. Insbesondere die rapide um 35% gestiegenen Exporte haben, wie Kinga Urbanska berichtete, "Freude auf den ersten Blick" und optimistische Wachstumsprognosen ausgelöst. Der Wegfall zeitraubender Grenzformalitäten ermögliche Spediteuren wöchentlich statt bisher zwei jetzt bis zu fünf Fahrten in EU-Länder.

Indes, betonte Kinga Urbanska, hat sich das Wachstum 2005 verlangsamt, und die Erwartungen sind bescheidener geworden. Insbesondere viele kleine, nicht exportierende Hersteller befänden sich in schwieriger Situation, weil vom durchschnittlichen Monatseinkommen eines polnischen Haushalts (600 EUR) inzwischen 30% allein für Lebensmittel aufgewendet werden. Und: Infolge der Mehrwertsteuer-Anhebung und Preiserhöhungen zwischen 5 und 15% für Baumaterialien sank zu Beginn des Jahres 2005 die Nachfrage nach Bauleistungen um 4%.

Die polnische Parkettindustrie ist von der schwachen Nachfrage auf dem Bausektor unmittelbar betroffen. Für 2006 wird erwartet, dass sich die Situation gegenüber 2005 kaum ändern wird. Als Bedrohungen der wirtschaftlichen Entwicklung werden die hohe Arbeitslosenzahl, die Verarmung weiter Teile der Gesellschaft und Preiserhöhungen im Rohstoffsektor angesehen. Die größten Chancen sieht die Parkettindustrie in Tradition und Prestige von Holzfußböden, in der Möglichkeit, sie zu einem modischen Produkt zu machen, sowie in den ökologischen Vorteilen.

Das Potenzial für Parkett in Polen sieht Kinga Urbanska jedoch bei weitem nicht ausgenutzt: "Obgleich Holzfußböden in Polen über eine lange und starke Tradition verfügen, liegt der Pro-Kopf-Verbrauch noch weit hinter den alten EU-Ländern zurück, wo er dreimal so hoch ist."
aus Parkett Magazin 04/05 (Bodenbeläge)