Kleiner Fehler - großer Schaden
Fehlende Estrich-Fugen führen zu Beulen im Belag
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um Beulen in einem Synthesekautschukbelag, der in einem Bürogebäude verlegt wurde.
Der Schadensfall ereignete sich in einem kreisrunden Büro-Gebäude, das über Glasfassaden und ein Atrium verfügt. Der Fußbodenaufbau über zwei Etagen bestand aus einem schwimmenden Zement-Estrich auf den ein anthrazitfarbener Synthesekautschuk-Bodenbelag geklebt wurde. Die Besonderheit lag darin, dass die Flure die Form eines Kreisringes mit einer Länge von 130 m und eine Breite von 1,6 m aufwiesen.
Die Verlegung der Kautschuk-Bodenbeläge erfolgte nach Beachtung der Hinweis-, Prüfungs- und Sorgfaltspflicht des Bodenlegers am Untergrund, wobei der Zementestrich mit CM-Werten < 2,0 CM-% als belegereif festgestellt worden war.
Der Estrichleger schloss die Scheinfugen im Zementestrich - sowie es der Planer vorgesehen hatte. Im Anschluss wurde die Estrichoberfläche geschliffen und mit einer geeigneten Grundierung und Spachtelmasse versehen und der Belag mit einem Dispersionsklebstoff geklebt.
Trotz der scheinbar fachgerechten Arbeit kam es nach einem Jahr zu Formveränderungen und Beulen des Kautschuk-Bodenbelages - jeweils vor den Wänden zu den Büroräumen. Auf der anderen Seite des Flures zu den Fensterfassaden entstanden Abrissfugen in der elastischen Verfugung und Fugenbildungen zwischen den Kautschukplatten.
Eine akustische Überprüfung der mittleren Teilflächenbereiche des Flures ergab keine Hohllagen zwischen Kautschukunterseite und Oberfläche des Untergrundes.
Die großen Glasfassaden machten auf mindestens der Hälfte der kreisringförmigen Flure eine direkte Sonneneinstrahlung auf den Kautschukboden möglich.
In beiden Fluren gab es mehrfach quer über die Breite des Flures längliche Formveränderungen und Beulen. Diese waren dort festzustellen, wo eine Scheinfuge im Zementestrich mit einem Reaktionsharzmaterial kraftschlüssig geschlossen worden war. Mehrere Prüfstellen vor den Wänden ergaben, dass der ursprünglich 5 mm dicke Randdämmstreifen im Zementestrich auf eine Dicke von 2 bis 3 mm komprimiert vorlag.
Außerdem war die Spachtelmasse über den Randdämmstreifen bis zu den Wänden eingebaut und hierüber der Kautschukbelag mit einer Fuge von 2 mm zur Wand verlegt und anschließend elastisch verfugt worden. An einigen Stellen war der Belag sogar direkt an die Wand verlegt worden. An mehreren Stellen scherten Spachtelmassen-Schollen im Bereich des Randstreifens vom Untergrund ab und schoben sich regelrecht auf die angrenzende Spachtelmassenoberfläche.
Im Bereich der länglichen Formveränderungen und Beulen quer über den Flur war beim Aufstemmen des Bodens festzustellen, dass sich die Belagsplatten mit rückseitig anhängender Spachtelmasse streifenförmig vom Untergrund abgelöst hatten. Wie vermutet lagen Abrisse zwischen Reaktionsharzmaterial in der Scheinfuge und angrenzender Zementestrichflanke vor.
Auf der Flurseite zur Gebäudeinnenseite hin war demgegenüber beim Aufnehmen des Belages festzustellen, dass die Randfuge (einschließlich Randdämmstreifen) eine Breite von 7 bis 8 mm aufwies, wodurch es zu den teilweisen Abrissen der elastischen Verfugung gekommen war. An den Stellen, wo ein sehr gutes Klebe-Verhalten der elastischen Verfugung zum Geländersockel und zum Belag hin vorlag, war es zu Fugenbildungen aneinandergrenzender Belagsplatten gekommen.
Die Schäden in der Bodenbelagebene sind auf zwei Hauptursachen zurückzuführen:
1. Konstruktionsbedingte Probleme in der Lastverteilungsschicht durch fehlende Bewegungsfugen.
An den Prüfstellen vor den Wänden war deutlich festzustellen, dass die Estrichkonstruktion regelrecht in den Randdämmstreifen hinein gewandert war und hierdurch die oberseitige Spachtelmasse (innerhalb der Randfuge) abgeschert und über die Estrichkonstruktion mit anhaftender Spachtelmassenebene geschoben hatte.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Flures war demgegenüber erkennbar, dass die Estrichkonstruktion von der Geländerkonstruktion weggewandert war. Dieses Wegbewegen der Estrichkonstruktion von der Geländerkonstruktion, auf die gegenüberliegende Wand war nicht mit Schwindvorgängen im Estrich zu erklären.
Über die Glasfassade und direkte Sonneneinstrahlung auf den Kautschuk-Bodenbelag ist es zu einem Erwärmen bzw. Aufheizen der Estrichkonstruktion gekommen. In der Folge führte dies zu Längenänderungen und zum Wandern des Zementestrichs auf die Außenwand zu.
Weil der Flur aus einem vollständigen "Ring" Zementestrich in einer Länge von 130 m bestand, multiplizierte sich so der Temperaturunterschied zwischen normaler Raum- und Fußbodentemperatur zu aufgewärmter Estrichkonstruktion auf. Längenänderungen und die festgestellten Bewegungen der Estrichkonstruktion waren die technisch logische Folge.
Da durch das Fehlen von Bewegungsfugen die schwimmende Estrichkonstruktion nicht in kleinere Teilflächen unterteilt worden war, addierten sich diese Spannungen in der Estrichkonstruktion und wurden durch die Überspachtelung der Randfuge verstärkt, so dass es zu Abrissen im Bereich von kraftschlüssig geschlossenen Scheinfugen kam.
Auf der Seite, wo sich die Estrichkonstruktion von der Geländerkonstruktion wegbewegte, kam es zu Abrissen im elastischen Fugenmaterial. In weiteren Bereichen, wo die Klebkraft des elastischen Fugenmaterials zwischen Geländerkonstruktion und Belag sehr hoch war, wurden die Belagsstücke regelrecht festgehalten, so dass lediglich die Estrichkonstruktion wegwanderte. So entstanden keilförmige Fugenbildungen zwischen aneinandergrenzenden Kautschuk-Elementen.
2. Hauptursache ist die nicht sach- und fachgerechte Verlegung des Bodens im Bereich der Randfuge.
Entgegen den allgemein anerkannten Regeln des Fachs ist durch das Überspachteln der funktionsfähigen Randfuge im Zementestrich die schwimmende Estrichkonstruktion und Lastverteilungsschicht teilweise aufgehoben worden. Das heißt, dem Zementestrich war es nicht mehr möglich, auftretende Formveränderungen in Breite und insbesondere Länge der Lastverteilungsschicht schadensfrei über die Randfugen abzubauen.
Partiell wurden die Kautschuk-Platten direkt an die aufgehenden Wände verlegt, so dass es in Verbindung mit der Bewegung der Estrichkonstruktion auf die Innenwände zu Formveränderungen und Blasen, aber auch Stauchblasen im Belag vor den Wänden kam. Die Überspachtelung der Randfugen hat außerdem zu Schallbrücken geführt, die eine Schallübertragung des Trittschalls der schwimmenden Estrichkonstruktion in die angrenzenden Büroräume ermöglichte.
Die Verantwortung für diese Schäden lag somit zum einen auf Seite des Planers, da keinerlei Bewegungsfugen in der schwimmenden Lastverteilungsschicht eingeplant wurden.
Zum anderen bei dem Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten, da entgegen den allgemein anerkannten Regeln des Fachs für die Bodenbelagarbeiten teilweise die funktionsfähigen Randfugen in der Zementestrichkonstruktion mit Spachtelmasse geschlossen wurden bzw. die Kautschuk-Bodenbelagplatten bis an die Wände geklebt wurden.
aus
FussbodenTechnik 06/04
(Handwerk)