Kritische Würdigung der prEN 14259 "Klebstoffe für Bodenbeläge"
Neue Klebstoffnorm das Maß aller Dinge?
Die Diskussion über die richtige Klebung von Bodenbelägen ist ein "Dauerbrenner" in der Fußbodenbranche. Wenn ein Belag nicht fachgerecht oder mit einem ungeeigneten Kleber verklebt wird, ist ein Schadensfall wahrscheinlich. Der neuen Klebstoffnorm kommt damit eine wichtige Bedeutung für die gesamte Fußbodenbranche zu. Der Sachverständige Torsten Grotjohann nimmt die prEN 14259 kritisch unter die Lupe.
Die neue DIN EN 14259 "Klebstoffe für Bodenbeläge" regelt die Anforderungen an Klebstoffe für Bodenbeläge. Die Bodenbeläge werden in 5 Belagsgruppen wie folgt unterschieden:
- PVC-Bodenbeläge gemäß EN 649
- Kautschuk-Bodenbeläge gemäß EN 1817
- Polyolefinbodenbeläge in homogener Ausführung
- Linoleumbodenbeläge gemäß EN 548
- textile Bodenbeläge gemäß EN 1307 + EN 1470
In der Einleitung dieser Norm heißt es wie folgt: "Im Allgemeinen werden Bodenbeläge auf Unterböden mit einem Klebstoff verlegt. Durch die große Anzahl der möglichen Kombinationen von Bodenbelägen, Arten und Zuständen der Unterböden, Bedingungen bei Verlegung und Anwendung sowie Verschleiß- und Verkehrsanforderungen ist es nicht durchführbar, für jede Produktkombination Mindestanforderungen festzulegen. Es muss jedoch eingeschätzt werden können, ob eine bestimmte Zusammenstellung Bodenbelag/Klebstoff ein zufrieden stellendes Gebrauchsverhalten haben wird ".
Wenn man diese Einleitung inhaltlich zusammenfasst, kann man wohl sagen: Der Bodenbelag muss funktionieren und der Klebstoff muss funktionieren. Und beides zusammen - also das System erst recht.
Weiter heißt es im folgenden Teil der Einleitung:
"Für diese Einschätzung benötigen die Konstrukteure sowohl der Bodenbeläge als auch der Klebstoffe spezifische Kombinationen, um die wechselseitige Kompatibilität sicherzustellen. Auch bei der Entwicklung von Klebstoffen muss die Eignung eines Klebstoffs für die Anwendung mit einem bestimmten Bodenbelag oder einer Gruppe von Bodenbelägen sichergestellt werden"
Die Schlussfolgerung kann nur sein: Bodenbelag und Klebstoff müssen sich vertragen. Die EN 14259 legt die jeweiligen Prüfverfahren in Bezug auf die Anforderungen unter anderem an das mechanische Verhalten von Klebstoffen fest. Dies geschieht unter Berücksichtigung der jeweiligen Bodenbelagsgruppe und der materialspezifischen Eigenschaften. Hierbei handelt es sich jeweils um Prüfverfahren, welche in entsprechenden Laboranlagen normgerecht durchzuführen sind wie folgt:
- EN 1372 Klebstoffe - Prüfverfahren für Klebstoffe für Boden- und Wandbeläge, Schälversuch
- EN 1373 Klebstoffe - Prüfverfahren für Klebstoffe für Boden- und Wandbeläge, Scherversuch
- EN 1841 Klebstoffe - Prüfverfahren für Klebstoffe für Boden- und Wandbeläge, Bestimmung der Maßänderung eines Linoleums im Kontakt mit einem Klebstoff
- EN 1903 Klebstoffe - Prüfverfahren von Klebstoffen für Boden- und Wandbeläge - Maßänderung nach beschleunigter Alterung.
Weitergehend wird allgemein auf folgende Normen hingewiesen:
- EN 1902 Klebstoffe - Prüfverfahren für Klebstoffe für Boden- und Wandbeläge
- EN 13415 Klebstoffe - Prüfverfahren von Klebstoffen für Bodenbeläge - Bestimmung des elektrischen Widerstandes von Klebstofffilmen
Insbesondere im Hinblick auf das mechanische Verhalten von Klebstoffen und Bodenbelägen wurde diese neue Norm hinsichtlich der festgelegten Anforderungen doch mit einiger Skepsis aufgenommen. Schließlich bildet diese Norm - sicherlich unter Berücksichtigung der unterschiedlichen europäischen Interessen - eine Informationsplattform und Grundlage zur Beurteilung von Klebstoffen für Bodenbeläge.
Aber gerade weil es verschiedene Bodenbeläge mit unterschiedlichen Eigenschaften wie Maßänderungen nach Wärme- und Feuchteeinwirkungen, Eigenspannungen, Materialspannungen, Wickelspannungen und unterschiedliche Benetzbarkeit der verschiedenen Belagrücken gibt, kann diese Norm nicht zwangsläufig das Maß aller Dinge darstellen.
Sonderprodukte und unterschiedliche Bodenbeläge werden gegebenenfalls auch besondere Vorgaben und Anforderungen verlangen. Die Anforderungen gemäß EN 14259 schützen nicht zwangsläufig vor Beanstandungen bei geklebten, elastischen Bodenbelägen. Zur allgemeinen Beurteilung eines Klebstoffs muss zur Prüfung ein Bodenbelag ausgewählt werden, der für die vorgesehene genormte Gruppe von Bodenbelägen typisch ist (siehe letzte Spalte der Tabelle).
Was bedeutet dies im Einzelnen?
Für Polyvinylchloridbeläge (PVC) ändert sich eigentlich nichts. Die Anzahl der homogenen Polyolefinbeläge (PO) im Markt ist überschaubar. Es fällt jedoch sofort auf, dass die Norm nicht zwischen Polyvinylchloridbelägen (PVC) und Polyolefinbodenbeläge - bezogen auf die Anforderungen an Klebstoffe - unterscheidet. Da die materialspezifischen Merkmale von PO-Belägen jedoch hinlänglich bekannt sind, werden in diesem Zusammenhang besondere Anforderungsprofile notwendig sein.
Auch wenn textile Bodenbeläge nicht das Thema dieses Beitrages sein sollen, fällt auf: Bei textilen Bodenbelägen werden keine Scherfestigkeiten verlangt. Sind also die Fugenproblematiken bei Nadelvliesbelägen nur Einbildung oder einzig und allein dem Bodenbelag zuzuordnen?
Belag- und Klebstoffhersteller müssen Produkte optimieren
Sicherlich müssen die Hersteller von Bodenbelägen auch in Zukunft unermüdlich versuchen, ihre Produkte kritisch zu optimieren. Insbesondere hinsichtlich der Maßbeständigkeit und der materialspezifischen Eigenspannungen, aber auch der Klebbarkeit, Benetzbarkeit der Belagrückseite mit Klebstoff etc. Diese Weiterentwicklungen finden auch ständig statt. Da gilt genauso für die Klebstoffhersteller. Sie müssen ihre Produkte weiter optimieren, um materialspezifische Eigenschaften der Bodenbeläge möglichst aufzufangen oder im erträglichen Rahmen zu halten. Es ist auch durchaus legitim, als Klebstoffhersteller auf extreme Eigenschaften von Bodenbelägen hinzuweisen und diese Optimierungen einzufordern.
Die Frage, ob die neue Klebstoffnorm das Maß aller Dinge ist, muss klar mit Nein beantwortet werden. Aber dies ist wohl auch nicht beabsichtigt. Bodenbelag- und Klebstoffindustrie müssen für problematische Bodenbeläge die richtigen Anforderungen und Empfehlungen erarbeiten und formulieren. Hierzu gehören Partnerschaft, Offenheit und Ehrlichkeit - auch bei negativen Bewertungen.
Müssen Klebstoffe Maßänderungen von Bodenbelägen verhindern?
Eine eindeutige Beantwortung dieser Frage ist wohl nicht möglich, denn in der DIN 18365 "Bodenbelagarbeiten" heißt es wie folgt: "Klebstoffe müssen so beschaffen sein, dass durch sie eine feste und dauerhafte Verbindung erreicht wird. Sie dürfen Bodenbelag, Unterlagen und Untergrund nicht nachteilig beeinflussen und nach der Verarbeitung keine Belästigung durch Geruch hervorrufen.".
Es scheint also auch die Bezeichnung "fest und dauerhaft" anzukommen. Bei normgerechten und genau definierten Bodenbelägen existieren in aller Regel Klebstoffempfehlungen, welche nach entsprechenden Laborprüfungen erarbeitet wurden und sich durch die Praxiserfahrungen auch bestätigt haben. In diesem Fall sollte und wird der Klebstoff grundsätzlich dazu in der Lage sein, den Bodenbelag fest und dauerhaft zu halten und Maßänderungen - welche ja dann nur in einem definierten Maße auftreten dürfen, zu verhindern.
Bei nicht normgerechten bzw. nicht genau definierten Bodenbelägen existieren in aller Regel Klebstoffempfehlungen, welche nach entsprechenden Laborprüfungen erarbeitet wurden und sich durch die Praxiserfahrungen auch bestätigt haben.
In diesem Fall sollte und wird der Klebstoff grundsätzlich in der Lage sein, den Bodenbelag fest und dauerhaft zu halten und Maßänderungen - welche ja dann nur in einem definierten Maße auftreten dürfen/können, normengerecht gemäß EN 1903 < 0,2% zu halten. Ein normgerechtes Maßänderungsverhalten des Bodenbelags vorausgesetzt.
Bei nicht normgerechten bzw. nicht genau definierten Produkten, z.B. Polyolefinbeläge oder Sonderprodukte, kann man dies von einem Klebstoff nicht zwangsläufig erwarten bzw. voraussetzen.
In diesem Fall sind spezielle Anforderungen und Empfehlungen zu erarbeiten und zu formulieren. Ist ein Bodenbelag aus unterschiedlichen Gründen mit einem bestimmten Klebstoff nicht sicher zu kleben, dann lässt sich daran nicht rütteln und dies sollte auch verbreitet werden. Welche Chance hätte andernfalls der Verarbeiter, eine fachgerechte Arbeit anzubieten bzw. abzuliefern?
Auch wenn Klebstoffhersteller der Meinung sind, ein Bodenbelag entspreche nicht den üblichen, allgemeinen Anforderungen bzw. den Normenvorgaben, so sollte doch immer das Interesse des Endkunden, des Verarbeiters und unserer gesamten Branche im Vordergrund stehen. Ansonsten sind Schadensbilder wie beispielsweise Nahtkantenöffnungen nicht auszuschließen.
aus
FussbodenTechnik 02/04
(Normen)