Kleiner Fehler - großer Schaden
Falscher Einlegezeitpunkt und kippelnde Schüler
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen Schaden in einer Schule, wo ein Synthesekautschukbelag unzählige Eindrücke aufwies.
Ein Objekteur übernahm den Auftrag, einen 2 mm dicken Synthesekautschukbelag als Bahnenware in einem Schulneubau zu verlegen.
Zunächst spachtelte er die Oberfläche des vorliegenden Calciumsulfatfließestrichs im Rakelverfahren 2 bis 3 mm dick. Zwei Tage später klebte er den Belag mit einem Kunstharzdis-persionsklebstoff, und zwar einem "Nass-, Haft- oder Kontaktklebstoff" mit der Spachtelzahnung TKB A2.
Weitere 14 Tage später erfolgte die Möblierung der Schule. Nach dem Einräumen der Klassenzimmer mit Stühlen, Tischen und Lehrerpulten, die alle Stahlrohrgestelle aufwiesen, wurden im Bereich der Aufstandsflächen Eindrücke in der Bodenbelagoberfläche festgestellt. Während der Nutzung nahm die Zahl und Intensität der Schäden immer weiter zu.
Nach einer halbjährigen Nutzung kam es zu einem Rechtsstreit, in dem die Ursache der Schäden zu klären war.
Bei der Überprüfung von 18 Klassenräumen stellte sich heraus, dass bei Gegenlichtbetrachtung die Kautschukbeläge in allen Räumen deutliche Eindrücke mit unterschiedlichen Formgebungen zeigten:
- Im Bereich der Lehrerpulte lagen halbkreisförmige/hufeisenförmige Vertiefungen in Tiefen zwischen 0,1 und 0,2 mm vor.
- Unter den Stühlen und Tischen der Schüler zeigte der Belag hammerschlagähnliche "Narben" und unzählige Eindrücke. Die überwiegend länglichen und ovalen Eindrücke waren zwischen 5 bis 15 mm lang und bis 10 mm breit. Gemessen wurden Tiefen von 0,2 bis
0,3 mm.
Ausschließlich im so genannten Aufstandsbereich der Stühle gab es keilförmige Einkerbungen mit Tiefen zwischen 0,1 und 0,2 mm. Dort handelte es sich um regelrechte Einstanzungen in der Belagoberfläche. Auffällig war, dass die Intensität der Schäden in den hinteren Stuhlreihen wesentlich größer war, als im vorderen Bereich vor dem Lehrerpult. Teilweise war schon festsitzender Schmutz innerhalb der Eindrücke und Einkerbungen festzustellen, welcher sich jedoch relativ einfach manuell entfernen ließ.
In mehreren Teilflächenbereichen wurden Prüfmaßnahmen durchgeführt und zu diesem Zweck die Bodenbelagqualität kleinflächig eingeschnitten.
In fast allen Prüfstellen, wo Eindrücke vorlagen, konnte nach dem Entfernen des Belages ein nahezu vollständiges, deutliches Riefenbild festgestellt werden. Nur im oberen Bereich wiesen die Riefen die erforderlichen zerquetschten Klebstoffkuppen auf. Lediglich die Möbelfüße der Tische und Stühle hatten zu einem vollständigen Zusammendrücken des Klebstoffsystems geführt.
Die deutlich erkennbaren Riefen wiesen Höhen von 0,4 bis 0,6 mm auf. Auch in nicht von Eindrücken betroffenen Randbereichen fand man fast ausschließlich stehende Klebstoffriefen mit gering zerquetschten Kuppen. Die Klebung und Arretierung des Belages war trotz der gering zerquetschten Klebstoffriefen als ausreichend zu bezeichnen. Der Belag ließ sich manuell nur in kleinen Stücken entfernen.
Der Sachverständige sicherte Proben des Belags - und zwar aus dem Bereich der Eindrücke und auch eine unverlegte Probe für weitere Prüfmaßnahmen. Ein externes Prüfinstitut überprüfte die Proben hinsichtlich der Vorschriften der DIN-EN 1817 "Elastische Bodenbeläge - Spezifikation für homogene und heterogene ebene Elastomer-Beläge":
- Die Härteprüfung nach dem Shore A-Verfahren ergab, dass die Vorgaben der DIN-EN 1817, die eine Härte von > 75 vorschreibt, mit einem Mittelwert von 93 erfüllt sind.
- Weiter wurde auch die Biegsamkeit des elastischen Belages nach DIN-EN 435, Verfahren A (Dornbiegeprüfung) getestet. Der Belag bestand auch diese Prüfung.
- Die Bestimmung des Resteindrucks nach DIN EN 433 ergab einen Mittelwert des Resteindrucks von 0,02 mm. Damit entsprach der Belag den Vorgaben der DIN-EN 1817, in der der Resteindruck eines Kautschukbelages bis zu einer Dicke von 2,5 mm mit maximal 0,15 mm angegeben ist.
- Zusätzlich erfolgte auch eine Prüfung hinsichtlich des Kerb-eindruckverhaltens, welches das Eindruck- und Wiedererholungsvermögen von elastischen Belägen bei statischer Druckbeanspruchung durch eine harte Kante misst. Auf diese Weise wird ein kippelnder Stuhl simuliert. Das Ergebnis: Ab einer Kantenbelastung von 27,8 N/mm wurden starke Eindruckstellen verursacht, die dauerhaft im Belag verblieben. Bei geringeren Kantenbelastungen waren die Eindruckstellen nach 24-stündiger Erholung kaum noch zu erkennen.
Die Prüfmaßnahmen haben somit gezeigt, dass die überprüfte Synthesekautschukbodenbelagqualität hinsichtlich der Härte, Biegsamkeit und des Resteindruckverhaltens den Anforderungen der DIN EN 1817 entspricht.
Die Ursache für die hohe Kantenbelastung war schnell gefunden: Die Stühle verfügen zwar über gering abgerundete Kunststoffgleiter, doch durch das Kippeln der Stühle wurde die Funktion aufgehoben. Mit bloßem Auge sind die Eindrücke nicht zu übersehen. Unter dem Mikroskop ließen sich außerdem Mikrorisse in der Oberfläche erkennen. Derartig hohe Beanspruchungen können sich materialspezifisch nicht mehr zurückbilden.
Die Schäden gehen nicht auf einen mangelhaften Bodenbelag, sondern auf die hohen und unsachgemäßen Punktbelastungen bzw. Kerbdruckbeanspruchungen zurück. Außerdem wurde der Belag nicht sach- und fachgerecht verklebt.
Der Kautschukbelag wurde mit einer "Haftklebung" verarbeitet. Dabei ist der Kleber eindeutig zu lange abgelüftet worden. Die Klebstoffriefen hatten bereits zum Zeitpunkt des Einlegens eine deutliche Hautbildung und Festigkeit erreicht und haben sich beim Einlegen und Anreiben des Belages nicht mehr ganz zusammengedrückt.
Dieses widerspricht klar dem Stand der Technik und den Verlegeempfehlungen der Klebstoff- und des Belaglieferanten. Beide weisen darauf hin, dass Kaut-schukbeläge in das weiche Klebstoffbett einzulegen sind. Eine vollständige Benetzung der Belag-rückseite und ein Fadenzug zeigt beim probeweisen Zurücknehmen einzelner Bahnen die "richtige" Einlegezeit.
Trotz der guten Klebung/Arretierung des Belages wurde der Bodenbelag nach dem Einlegen in das Klebstoffbett nicht ausreichend angerieben, sonst wären die Klebstoffriefen zerquetscht gewesen.
In der Addition hat somit die zu lange Ablüftezeit des Klebstoffsystems und das ungenügende Anwalzen des Belages die vielzähligen Eindrücke ermöglicht, weil der Belag nur stelzenartig erhöht auf den Klebstoffkuppen auflag.
Die Einkerbungen/Einstanzungen des Belages gehen auf die Überbeanspruchung der Stühle durch das Kippeln der Schüler zurück.
Solche mechanischen Beschädigungen insbesondere durch harte Kanten von Kunststoffgleitern sind allgemein bekannt und haben bereits häufig zu Fußbodenschäden in elastischen Belägen geführt.
Die Aufstandsflächen der Stuhlbeine, die 45 mm lang und 15 mm breit waren, haben beim Kippeln des Stuhles ab einem Winkel von 20 zu Einkerbungen geführt.
Die unter den Kunststoffgleitern eingeklebten Filzgleiter waren nur etwa halb so lang wie die Kunststoffgleiter insgesamt, sodass beim Kippeln die hintere Kunststoffkante den Belag beschädigte.
Da im Bereich der Einkerbungen unter dem Mikroskop bereits feine Mikrorisse im Belag vorlagen, ist die Werterhaltung des Belages auf Dauer gefährdet. Der Belag ist optisch beeinträchtigt und eine ordnungsgemäße Reinigung und Pflege problematisch.
Der geschilderte Schadensfall zeigt zum einen, wie wichtig es ist, dass bei der Verarbeitung von Bodenbelägen die jeweiligen Verlegeanleitungen des Belags- und Verlegewerkstoffherstellers zu beachten sind. Solche Schäden, die letztendlich viel Geld kosten, müssen vermieden werden. Dem Verleger muss es zugemutet werden, den richtigen Einlegezeitpunkt des Belages ins Klebstoffbett herauszufinden.
Damit gehen die festgestellten Eindrücke zu Lasten des Verlegers, weil die Verlegeempfehlungen nicht ausreichend beachtet wurden. Außerdem wurden die Bodenbelagbahnen nicht ausreichend angerieben. Bezüglich der Einkerbungen im Belag, die in gewissem Ausmaße schon mechanische Beschädigungen darstellen, wird der Bauherr unter Berücksichtigung nutzungsbedingter Aspekte (Kippeln der Stühle) gegenüber dem Lieferanten der Stühle Schadensersatzforderungen geltend machen.
aus
FussbodenTechnik 05/04
(Handwerk)