Kleiner Fehler - großer Schaden
Woher kommen die Verfärbungen des Teppichbodens?
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen Schaden, bei dem sich auf einem Tufting-Teppichboden mit einer Pol-Schicht aus Polypropylen dunkle Flecken bildeten.
In einem Mehrfamilienhaus wurde eine Teppichbodenkonstruktion aufgefunden, die sich 2 Jahre nach der Verklebung fleckenartig verdunkelte bzw. Verschmutzungen und Verfärbungen aufwies. Diese Beobachtungen konnten in sechs Wohnungen eines Wohnblockes gemacht werden. In den Fluren, Wohnzimmern und Schlafräumen wurde eine 4-m-Bahnenware mit einer Pol-Schicht aus Polypropylen verklebt. Laut Protokollangaben war der Estrich zum Zeitpunkt der Teppichbodenverklebung ausreichend trocken. Nach der Spachtelung wurden die Belagbahnen mit einem Kunstharzdispersions-Klebstoff vollflächig verklebt.
Die Leistung wurde abgenommen und die Wohnungen den Bewohnern übergeben. Nach zwei Jahren traten dann Schäden auf: Die Mieter beobachteten, dass sich aus dem Teppichboden weiße, pulverförmige Substanzen herauslösten, die nach dem Wegsaugen wieder neu auftraten. Alle Schadensfälle traten im Fenster-Bereich auf, wo Lichteinfall zu verzeichnen war.
Ausfransungen und Beschädigungen der Teppichbodenoberflächen wurden nicht festgestellt. Aufgrund der Behauptung des Bauherrn, die Mieter hätten die Teppichbodenfläche mit ungeeigneten Reinigungsmitteln beschädigt, kam es zum Rechtsstreit. Das Gericht wollte zwei Fragen klären lassen:
1. Wodurch sind die Farbtonänderungen der Teppichbodenoberfläche entstanden?
2. Welche Raparatur- oder Sanierungsmaßnahmen sind erforderlich?
Der Sachverständige überprüfte drei leer stehende Wohnungen. In den betroffenen Räumen, insbesondere im Wohnzimmer, vor den Balkontüren, aber auch im Lichteinfallsbereich vor den Fenstern waren bräunliche Verfleckungen zu sehen, die an Trittspuren erinnerten.
In anderen Bereichen wies der Belag einen Grauschimmer auf. Auch hier waren vereinzelt dunkle Verfleckungen in Fußtrittform festzustellen.Die Schäden reichten 2 bis 3 m in die Räume hinein, je nach Reichweite des Sonnenlichtes. In erster Linie waren Räume Richtung Süden und Westen betroffen. In den Schlafzimmern zur Nordseite waren die Verfleckungen selbst im unmittelbaren Fensterbereich nicht feststellbar.
Durch Reinigungsversuche und Bürstbehandlungen des Teppichbodens ließ sich "weißes Pulver" in erherblichem Ausmaß herausbürsten. Die Folge: Der zunächst hellbeige melierte Belag wurde gleichmäßig braun. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass die weißen Polfäden des dreifarbig (weiß, hellbeige und braun) melierten Teppichbodens nicht mehr zu erkennen waren. Die bräunliche Farbgebung basierte auf den beiden verbliebenen Farben hellbeige und braun.
Bei weiteren Reinigungs- und Bürstversuchen in angrenzenden Bereichen, wo der Boden noch die ursprüngliche Farbe aufwies, ließ sich ebenfalls "weißes Pulver" ausbürsten. Bei der Überprüfung mit einer Leuchtlupe zeigte sich auch hier, dass die weißen Polschlingen nicht mehr erkennbar waren. Sie waren zerstört und - wenn überhaupt - nur noch im unteren Bereich des Belages vorhanden.
Reinigungsversuche mit klarem Wasser und mit Teppichbodenreiniger ergaben, dass in dem Schadensbereich keine übermäßige Verschmutzung vorlag. Schließlich wurden Proben des Belages entnommen: Zum einen von den Flächen mit Lichteinfall, zum anderen von Flächen ohne Lichteinfall. Unverlegte Proben standen nicht zur Verfügung.
Ein externes Prüfinstitut untersuchte die Proben auf Lichtechtheit nach EN ISO 105-B 02. Bei beiden Proben waren nur geringe Farbveränderungen festzustellen, so dass der Teppichboden den Anforderungen der Lichtechtheit nach DIN EN 1307 "Textile Bodenbeläge - Einstufung von Polteppichen, in der eine Lichtechtheit von > 5 gefordert wird, entsprach.
Durch weitere Laborprüfungen stellte man allerdings eine Versprödung des Polmaterials fest, die besonders bei der Wärme-Prüfung nach DIN 75202 eintrat. Bei leichter mechanischer Druckbeanspruchung kam es sogar zum Faserbruch und die weißen Polfäden wurden beschädigt. Lichtmikroskopische Prüfungen zeigten eine deutliche mechanische Beschädigung der Schlingennoppen. Das galt besonders für die weißen Polnoppen, die im oberen Drittel aufgebrochen waren oder teilweise gänzlich fehlten.
Das Prüfinstitut kam zu dem Schluss, dass die farbliche und strukturelle Veränderung des Polmaterials auf fotooxidative und thermooxidative Einflüsse - also auf Licht und Wärme - zurückzuführen war. Das verwendete weiße Polmaterial wies eine ungenügende Stabilität gegenüber beiden Einflüssen auf. Die beiden anderen Garne hatten aufgrund der Färbung einen etwas höheren Schutz gegen Licht und Wärme.
Das "weiße Pulver" wurde als zerstörte, gebrochene Fasern des Teppichbodens analysiert. Weitere Prüfungen zeigten, dass Reinigungsmittel als Ursache für die Schäden ausschieden.
Die im Mehrfamilienhaus festgestellten Oberflächenveränderungen sind in materialspezifischen und produktionstechnischen Gründen zu sehen. Es wurde ein textiles Material verwendet, das für Fußböden problematisch ist. Das Betreten des Belages führte zu einer Zerstörung des weißen Polmaterials. Die Beschädigung der Fasern durch Licht und Wärme führte kausal zu den strukturellen Veränderungen des optischen Erscheinungsbildes. Die Schäden sind ausschließlich in produktionstechnischen und materialspezifischen Defiziten des Teppichbodens begründet. Die Mieter oder auch der Objekteur für die Bodenbelagsarbeiten haben die Schäden nicht zu vertreten.
Der vorliegende Schaden war irreparabel und erforderte das vollflächige Entfernen der Teppichbodenkonstruktion und die Neuverlegung einer geeigneten Teppichbodenqualität. Dieser Schadensfall ist beispielhaft für den heutigen Wettbewerb bei Mietwohnungen. Planer formulieren keine genauen Vorgaben für die Auswahl eines geeigneten Teppichbodens. Nicht selten werden Qualitäten ausgewählt, die irgendwo preisgünstig aufgetrieben wurden.
Aufgrund der Aktenlage ließ sich nachvollziehen, dass eine melierte Schlingenware einschließlich Verlegung mit einem Preis von 18 Euro/qm ausgeschrieben war. Auch wenn der Auftragnehmer der Bodenbelagsarbeiten eine preisgünstige Teppichbodenkonstruktion ausgewählt hatte, musst er sich darauf verlassen können, dass die Ware für den Wohnbereich bei üblicher Beanspruchung geeignet ist und den allgemein anerkannten Regel der Technik entspricht.
Üblicher Lichteinfall und Sonnenstrahlen führten zu einer Schädigung der Nutzschicht des Teppichbodens, so dass die Werterhaltung des Teppichbodens bereits nach einer zweijährigen Nutzung nicht mehr gegeben war. Die Verantwortlichkeit für die vorliegenden Fußbodenschäden geht eindeutig zulasten des Teppichbodenherstellers, wobei sich dieser wahrscheinlich mit dem Garnlieferanten auseinanderzusetzen hat.
aus
FussbodenTechnik 06/03
(Handwerk)