Kleiner Fehler - großer Schaden

Verspannter Teppich durch Lasten ausgedehnt

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um
Schäden, die durch rollende Lasten an einem verspannten Teppichbodenbelag entstanden.

In einem repräsentativen Hotel wurde in einem 140 Quadratmeter großen Seminarraum eine Webware mit mit einem Rücken aus Synthese-Latexappretur verspannt. Bei dem Bodenbelag handelte es sich um einen Schlingenteppich. Als Verlegeuntergrund diente eine mehrere Jahre alte schwimmende Estrichkonstruktion, von der selbstliegende Teppichfliesen entfernt worden waren.

Von dem glatten Untergrund waren keine negativen Sachverhalte bekannt. Der Auftragnehmer für die Bodenbelagsarbeiten klebte wandangrenzend zwei parallel nebeneinander liegende, jeweils 10 mm breite Nagelleisten, die sowohl mit Zweikomponenten-Reaktionsharzkleber auf den Untergrund geklebt wurden, als auch zusätzlich gedübelt wurden.

Zwischen den Nagelleisten wurde dann systembezogen ein Spannfilz ausgelegt. Anschließend erfolgte die Verlegung des im Bereich der Längsnähte konfektionierten, gewebten, ca. 7 mm dicken Teppichboden im Spannverfahren, d.h. die Webware wurde in die entsprechenden Nagelleisten eingehängt. Innerhalb einer einjährigen Nutzungszeit wurden keine negativen Sachverhalte bekannt: Der Teppichboden wurde im Rahmen der Unterhaltsreinigung regelmäßig gesaugt und jährlich ein- bis zweimal durch Shampoonieren und Sprühextraktion gereinigt.


Nach Ablauf der ein einjährigen Nutzung und in der Folgezeit wurden schließlich Wellen und Faltenbildungen innerhalb der Teppichbodenebene gerügt. Nachdem das Ausmaß der Wellenbildungen weiter anstieg, wurde der Sachverständige mit einer gutachterlichen Überprüfung beauftragt.

Zum Zeitpunkt des Gutachtertermins wies die Teppichbodenebene neben vereinzelten Fleckenbildungen innerhalb der Fläche deutliche Wellenbildungen auf. Teilweise gab es regelrechte Faltenbildungen in der Längsrichtung der Bahnen und im Bereich des um 90 versetzt verlegten umlaufenden Frieses. Besonders auffällig war, dass im Bereich der Außenlängswand angrenzend an einen Bodenheizkonvektor, die Teppichbodenqualität dicht und fest eingehängt war. Auf der gegenüberliegenden Seite im Längsbereich und vor Einbauschränken war der Teppich deutlich gestaucht, d.h. er ist parallel zur Wellenbildung größer geworden. Ein erfolgtes "Aushängen" des Teppichbodens war nicht festzustellen. Versuchsweise wurde er schließlich probeweise ausgehängt, um die Verspannung zu überprüfen: Dabei zeigte sich, dass der Belag gut in die doppelten Nagelleisten eingehängt war und die Nagelleisten ausreichend fest zum Untergrund arretiert worden waren.

Festgestellt wurde, dass der Abstand der Nagelleisten zu dem Metallrand des Bodenheizkonvektors ca. 6 bis 8 mm betrug. Im Hinblick auf die rund 7 mm dicke Teppichbodenqualität war dieser Abstand zu breit. Dieser Abstand sollte grundsätzlich nur zwei Drittel der Dicke des Teppichbodens betragen. Ebenso überraschend: Obwohl keine so genannten "Herkules-Leisten" verwendet worden waren, war der Teppichboden in keinem Bereich ausgehängt. Weitere Prüfmaßnahmen an sechs Stellen ergaben, dass hinsichtlich der Befestigung des Teppichs, der Befestigung der Nagelleisten, der Anordnung des Nadelsfilzes und der Nahtkonfektionierung keine negativen Sachverhalte erkennbar waren.

Schließlich wurde die Beanspruchung des Teppichbodens in dem Seminarraum erfragt: Die Hotelleitung räumte ein, dass nahezu täglich eine Nutzungsänderung mit unterschiedlichen Bestuhlungen und Möblierungen erfolgte. Von der Nutzungsaufnahme bis zum Zeitpunkt der gutachterlichen Überprüfungen hatte über 1.000 Mal ein Ein- und Ausräumen stattgefunden. Dabei wurden Tische und Stühle mit fahrbereiten Transportwagen über die gesamte Teppichbodenfläche des Raumes geschoben. Eine persönliche Inaugenscheinnahme ergab: Die Transportwagen hatten weiche Gummilaufrollen mit Rollenbreiten zwischen 35 und 15 mm. Teilweise waren die Geräteträger mit 30 Tischen beladen, die ein Gewicht von je 20 bis 25 kg aufwiesen.

Die Eignung der vorliegenden Teppichbodenqualität unter Berücksichtigung der nunmehr feststehenden Beanspruchung überprüfte der Sachverständige, in dem er ein unverlegtes Muster von einem Prüfinstitut untersuchen ließ. Insbesondere wurde im Rahmen der Prüfungen das Relaxtionsverhalten bzw. die Beurteilung des Spannungsabfalls überprüft. Als Referenzprobe wurde eine ebenfalls unverlegte Probe mit Baumwollkette und Juteschuss ("klassische Rückenausrüstung") herangezogen.

Die Prüfergebnisse ergaben, dass der im Bauvorhaben verlegte Bodenbelag für Bereiche mit starker Beanspruchung geeignet ist und somit dem Stand der Technik entspricht. Auch reinigungstechnische Problemstellungen schieden aus.

Zusätzlich wurde im Rahmen der Prüfung des Relaxtionsverhaltens festgestellt, dass Polteppiche mit der klassischen Rückenausrüstung wie mit Baumwollkette und Juteschuss einen deutlich geringeren Spannungsabfall aufweisen als die überprüfte Probe mit synthetischer Grundkette, Grundschuss und einer Rückenappretierung. Dieser Spannungsabfall war bei der im Bauvorhaben verlegten textilen Bodenbelagsqualität etwa um 20 % größer als bei der Vergleichsprobe mit klassischer Rückenausrüstung. Auch eine weitere Prüfung des Relaxtionsverhaltens nach einer sach- und fachgerechten Nassreinigung zeigte keine signifikanten Unterschiede zu den anderen Prüfergebnissen.

Im Rahmen der durchgeführten Prüfmaßnahmen war eindeutig feststellbar, dass aufgrund der deutlichen Falten und Formveränderungen die Webware "gewachsen", d.h. größer geworden ist.

Da keine verlegetechnischen Problemstellungen vorlagen und die Webware in allen Bereichen fest verspannt war, kam der Sachverständige zu einem eindeutigen Ergebnis: Hauptursache der vorliegenden Formveränderungen war eine Überbeanspruchung der Teppichbodenqualität durch dynamische Radpressdrücke infolge des Befahrens mit Geräteträgern im Rahmen des Ein- und Ausräumens. Die beschriebene Belastung hat durch Walk-, Scher- und Drehbewegungen zu erheblichen Spannungsverlusten geführt. Schließlich ist der Teppich größer geworden und die resultierenden Formveränderungen haben zu Wellenbildungen geführt.

Dieser intensiven Beanspruchung konnte die in Rede stehende textile Bodenbelagsqualität mit synthetischer Grundkonstruktion nicht standhalten. Selbst bei einer gewebten Teppichbodenqualität mit klassischer Rückenausstattung aus Jute und Baumwolle hätte das Auswalken - eventuell später - zu Formveränderungen geführt. In Verbindung mit den Materialprüfungen wurde festgestellt, dass die Fussbodenkonstruktion mit den verwendeten Materialien dem Stand der Technik entsprachen. Da auch keine reinigungstechnischen Problemstellungen erkennbar waren, war nach sachverständiger Ansicht die Ursache eindeutig in der nutzungsbedingten Überbeanspruchung zu sehen.

Auf der Grundlage der im Bauvorhaben gewollten Exklusivität der Böden in Verbindung mit einem hohen Gehkomfort, hätte es bei der Nutzung vermieden werden müssen, die Teppichbodenebene mit den hohen rollenden Lasten zu beanspruchen. Um rationell das vielfach erforderliche Ein- und Ausräumen der Seminarräume zu ermöglichen, hätte man Lastverteilungsplatten für das Befahren mit den Geräteträger auslegen müssen oder beim Befahren die Lasten reduzieren müssen.

Eine geeignete Lösung wäre die vollflächige Verklebung des Teppichbodens gewesen - eventuell in Verbindung mit einer systembezogenen, auf die Belastung abgestimmten Dämmunterlage. Da sowohl materialspezifisch als auch verlegetechnisch keine negativen Sachverhalte festzustellen waren, liegt die Verantwortung weder beim Teppichbodenlieferanten, noch beim Bodenleger. Nach sachverständiger Ansicht ist die Planung verantwortlich.

Einmal mehr bestätigt sich, dass vielfach von Planern das Hauptaugenmerk auf architektonische und optische Aspekte gelegt wird, ohne dass die materialspezifischen Eigenschaften und/oder die handwerklichen Möglichkeiten ausreichend berücksichtigt werden.
aus FussbodenTechnik 04/03 (Handwerk)