Kleiner Fehler - großer Schaden
Rissbildung durch "unechten" Schnellzementestrich
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastetsten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es Schäden, die durch einen Schnellzementestrich verursacht wurden, weil dieser eigentlich gar keiner war.
In einem zweigeschossigen Neubau in Norddeutschland war aufgrund des großen Termindrucks anstelle eines konventionellen Zementestrichs ein Schnellzementestrich eingebaut worden. Die Baustellensituation ließ es jedoch nicht zu, den Estrich schon nach einer Frist von drei Tagen mit dem vorgesehenen elastischen Bodenbelag zu belegen - wie es die technischen Merkblätter des Materiallieferanten eigentlich vorsahen. Daher wurde als Schutz zunächst richtigerweise eine Kunststofffolie aufgelegt. Rund 20 Tage nach Estricheinbau sollte dann schließlich mit der Bodenbelagsverlegung begonnen werden.
Da der Bodenleger ungünstige klimatische Bedingungen anmahnte, setzte man mit dem Beheizen der Räume über die Heizkörper ein.
Der Bodenleger führte nach eigenen Angaben die gewerbeübliche Belegreifeprüfung durch und ermittelte dabei einen Feuchtigkeitsgehalt von deutlich unter 1,5 CM-%. Als sich durch das Heizen auch noch ein günstiges Raumklima eingestellt hatte, wurde im Vertrauen auf die Ergebnisse der Feuchtigkeitsmessung mit der Untergrundvorbereitung begonnen: der Estrich angeschliffen, nach entsprechender Reinigung eine Grundierung aufgetragen und anschließend vollflächig mit einer zementären Spachtelmasse gespachtelt.
Nach etwa zwei bis drei Tagen zeigten sich Risse in der Spachtelmasse - Anlass für eine erneute CM-Messung an dem Schnellzementestrich, die einen Feuchtigkeitsgehalt zwischen 2,5 und 3,0 CM-% ergab. Daraufhin wurde ein Sachverständiger hinzugerufen, der bei der Begehung mittlerweile in erheblichem Umfang Risse in der Spachtelmasse fand. Diese Risse verliefen nahezu rasterförmig in fast gleichmäßigen Abständen zueinander - sowohl in Längs- wie in Querrichtung des Raumes. Die Rissbreiten betrugen bis zu 1 mm. Der relativ gradlinige Verlauf der Risse parallel zu den Wänden vermittelte den Eindruck, dass die Risse deckungsgleich oberhalb der Scheinfugen angeordnet waren - also den Kellenschnitten im Estrich.
Darüber hinaus wies der Estrich im Rand- bzw. Wandbereich sowie auch im Bereich der Risse deutliche Aufschüsselungen auf. Der ehemalige Fugenspalt von etwa 7 bis 10 mm zwischen der Estrichoberfläche und den an den Raumwänden befestigten Holzspanplatten war dadurch vollständig aufgebraucht.
Beim Öffnen der Konstruktion bestätigte sich die Vermutung, dass die Risse deckungsgleich zu den mit Reaktionsharzmaterial geschlossenen Scheinfugen bzw. Kellenschnitten im Zementestrich verliefen. Sie setzten sich in diesen Bereichen auch in der Estrichkonstruktion fort. Ein weiterer Riss im Estrich fand sich oberhalb einer Folienfalte in der Dämmschichtabdeckung.
Unterschiedlicher Feuchtigkeitsgehalt in oberer und unterer Estrichzone
Eine orientierende Feuchtigkeitsmessungen ergab zudem, dass der Feuchtigkeitsgehalt des Schnellzementestrichs tendenziell von der Oberseite zur Unterseite hin deutlich zunahm. Daraufhin wurden Materialproben für eine Darr-Prüfung entnommen - sowohl aus dem oberen und unteren Bereich der Estrichkonstruktion als auch aus der Dämmschicht. Die gravimetrische Messung belegte das Ergebnis der orientierenden Prüfung: Während die Materialproben aus der oberen Estrichzone einen Feuchtigkeitsgehalt von 4,0 bis 4,5 Gewichts-% aufwiesen, wurde an den Proben aus der unteren Zone ein Feuchtigkeitsgehalt zwischen 5,5 und 8,5 Gewichts-% ermittelt. Zwischen der oberen und unteren Estrichzone lag im Feuchtigkeitsgehalt also eine Differenz zwischen 1,0 und 5,0 Gewichts-% vor. Das Dämmschichtmaterial selbst zeigte einen Feuchtigkeitsgehalt von rund 1 % und war damit durchaus nicht als feucht oder nass zu bezeichnen.
Die primäre Ursache für die Risse in der Spachtelmasse und die Aufschüsselungen im Randbereich lag sicher im teilweise erheblichen Unterschied des Feuchtigkeitsgehalts von unterer und oberer Estrichzone. Diese Feuchtigkeitsdifferenz entstand durch das Aufheizen der Räume - also ab dem Zeitpunkt, an dem der Bodenleger die ungünstigen raumklimatischen Bedingungen gerügt hatte. Mit Aufnahme der Kunststofffolie von der Estrichoberfläche und dem gleichzeitigen Aufheizen der Räume wurde rasch Feuchtigkeit aus der oberen Estrichzone in die Raumluft abgegeben, wodurch die obere Estrichzone deutlich schneller trocknete als die untere.
Die zunehmende Feuchtigkeitsdifferenz bewirkte, dass an der Oberfläche des Zementestrichs materialtypische Schwindvorgänge einsetzten - während diese in der unteren Zone durch den hohen Feuchtigkeitsgehalt hingegen kaum wirksam wurden. Die Folge war eine deutliche Aufschüsselung des Schnellzementestrichs. Die Schwindspannungen bzw. Zugspannungen fielen zudem offenbar so groß aus, dass die bereits kraftschlüssig geschlossenen Scheinfugen im Schnellzementestrich wieder aufgerissen wurden - wobei deckungsgleich schließlich auch die aufgebrachte Spachtelmasse riss.
Warum aber enthielt der ausdrücklich als Schnellzementestrich angebotene Estrich zum Zeitpunkt der Bodenbelagsverlegung überhaupt noch soviel Feuchtigkeit? Die Ursache dafür beruht mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf, dass der Estrichleger bei Herstellung des Schnellzementestrichs das Mischungsverhältnis von Bindemittel zu Wasser nicht eingehalten hat. Kurz: Er hat der Estrichmischung einen überhöhten Wasseranteil zugegeben, um die Verarbeitung zu erleichtern. Diese Schlussfolgerung ergibt sich vor allem aus folgenden Sachverhalten:
- dass der Zementestrich bereits kurz nach der Herstellung mit einer Folie abgedeckt und diese Folie erst abgenommen wurde, nachdem der Bodenleger die Flächen für die Bodenbelagarbeiten vorbereitet hatte;
- die Dämmschicht selbst als trocken anzusehen war;
- der Estrich in der unteren Zone ein deutlich überhöhtes Feuchtigkeitspotential aufwies.
Mit einem erhöhten Wasseranteil war es dem Bindemittel nicht mehr möglich, das gesamte angemischte Wasser im Kristallgitter einzubinden - also wie ein Schnellestrichbindemittel zu wirken. Das heißt: Durch das Überschusswasser wurde vielmehr ein konventioneller Zementestrich hergestellt als ein Schnellestrich. Dieses Überschusswasser musste dann im Zuge der üblichen Trocknungsprozesse an die Raumluft abgegeben werden. Für einen konventionellen Zementestrich gelten allerdings die üblichen Bedingungen bezüglich des Austrocknungsverhaltens unter Berücksichtigung der Estrichdicke, des Wasser-/Zement-Faktors und insbesondere der bauklimatischen Bedingungen vor Ort. Da jedoch eine Folie auflag, war kein geregeltes Austrocknen der Estrichkonstruktion möglich.
aus
FussbodenTechnik 01/03
(Handwerk)