Umfrage zur HWO-Reform

"Mit Möchtegern-Unternehmern am Markt ist niemandem gedient"

Die Pläne der rot-grünen Regierung für eine umfassende Änderung der Handwerksordnung sind im Bundesrat vorerst gescheitert. Die Länderkammer, in der die CDU-geführten Bundesländer die Mehrheit haben, sprach sich gegen das Vorhaben aus, die Pflicht zum Meisterbrief in vielen Berufen abzuschaffen. Wirtschaftsminister Clement sorgte mit seiner Aussage "Wir sind nicht bereit, das Handwerk so zu lassen, wie es ist" weiter für großen Wirbel. FussbodenTechnik hat in der Estrich- und Bodenlegerbranche nachgefragt, welche Auswirkungen die HWO-Reform in der ursprünglich geplanten Form haben würde.

Die 5 wichtigsten Fragen zur HWO-Reform:

1. Was sagen Sie zu den Plänen zur Änderung der Handwerksordnung?

2. Gibt es Versäumnisse, die zu den Reform-Plänen der HWO geführt haben?

3. Welche Probleme entstehen für das Estrich- und das Parkettlegerhandwerk durch ein Verschieben von Anlage A in Anlage B?

4. Wenn die Änderung der HWO wie geplant verabschiedet wird, hat das für das Estrich- und das Parkettlegerhandwerk welche Folgen?

5. Wie müsste die Reform der Handwerksordnung Ihrer Meinung nach aussehen?


Hans-Uwo Freese, 1. Vorsitzender Bundesverband Estrich und Belag e.V.

Zu1: Eine Änderung der HWO ist nach unserer Ansicht deshalb notwendig, weil es durch die Entwicklung in der Technik einige Berufe in der Anlage A nicht mehr geben muss oder sie in dieser Form keine Bedeutung mehr haben. Auch eine Zusammenfassung verwandter Berufe ist unter Wahrung gewisser Spezialisierung angeraten.

Die Art und Weise, wie heute die Politik die Handwerksordnung neu ordnen will, halten wir jedoch als betroffenes Gewerk für absolut unprofessionell und an falschen Kriterien festgemacht. Für uns gilt dies für das gesamte Gewerk Fußboden, d.h. für alle am Boden beteiligten Unternehmungen. Der Estrich ist das meistbeanspruchte Bauteil in einem Gebäude, ohne dass die Planer (Architekten) und Nutzer (Betreiber) im vorherein über die dauerhafte Belastung im Klaren sind.

Zu 2: Aus unserer Sicht gibt es schwere Versäumnisse der Berufsverbände, angeführt vom ZDH, der letztlich als oberste Handwerksvertretung nicht früh genug über eigene Vorschläge nachgedacht und sie detailliert mit ihren Mitgliedern ausgearbeitet hat. In den 90er Jahren war schon zu erkennen, dass die Politik die Handwerksordnung verändern wollte. Wären zu diesem Zeitpunkt aus unseren eigenen Reihen Vorschläge erarbeitet worden, gäbe es heute keinen Referentenentwurf, der unsere Interessen nicht oder nicht voll umfänglich berücksichtigt. Hätte die Politik einen vom Handwerk ausgearbeiteten Vorschlag rechtzeitig vorgelegt bekommen, wäre der zur Diskussionsgrundlage gemacht worden.

Zu 3: Durch Wegfall des Vollhandwerks für das Estrichgewerbe wird sich Folgendes ereignen:

a) Durch neu etablierte Fußbodenfirmen, sofern sie keine Meisterausbildung haben und wenig kaufmännische Vorkenntnisse mitbringen, werden die Preise am Markt zusammenbrechen und damit alteingesessene Firmen in finanzielle Schwierigkeiten bringen.
b) Die neu gegründeten Firmen werden zu einem hohen Prozentsatz in kurzer Zeit Insolvenz anmelden müssen, da die kaufmännischen Fähigkeiten zum Führen eines Unternehmens nicht ausreichen. Somit werden sie auch keine weitere Ausbildung leisten können.
c) Die notwendigen technischen Kenntnisse wie Normen, Berechnungen, physikalische und chemische Zusammenhänge, insbesondere für industriegenutzte Fußböden, werden nicht im vollen Umfang vorhanden sein. Hieraus resultieren hohe Bauschäden, Fehler bei der Ausführung, wenig oder keine Weiterbildung, keine umfangreiche handwerkliche Vertretung, die zur Weiterbildung befähigt ist.
d) Nach der Umsetzung des jetzigen Referentenentwurfs wird eine Zusammenlegung aller am Fußboden beteiligten Gewerke - Estrich, Fliesen, Parkett, Bodenleger - dringend notwendig und geboten sein. Weitergehende können in einer gebündelten gemeinsamen Ausbildung liegen, z.B. in Form eines Ersatzmeisters, eines ausgebildeten Fußbodenechnikers mit so genannter staatlicher Prüfung.

Zu4: Eine Zusammenfassung der nicht mehr zeitgemäßen oder technisch gefordeten Handwerksbetriebe sollte einer Prüfung unterzogen werden, wie man die qualifizierte Ausbildung eines eventuell aussterbenden Berufes bündeln kann. Handwerksbetriebe, und dazu zählen wir auch das Estrichgewerbe, die großes technisches Wissen erfordern, sollten in der Anlage A verbleiben, um eine umfangreiche, auch kaufmännische Ausbildung für künftige Betriebsinhaber zu gewährleisten.

Zu 5: Es ist niemandem damit gedient, Möchtegern-Unternehmer am Markt zu haben, die weder von kaufmännischer Kalkulation noch von technischer Betriebsführung ausreichend Kenntnis haben und damit ganze Berufszweige in Verruf bringen und die Kundschaft im hohen Maße verunsichern. Eine Flut von Streitigkeiten, die allenfalls die Gerichte belasten, wäre aus unserer Sicht die Folge.


Gemeinsame Erklärung von Joachim Barth, Bundesinnungsmeister des Zentralverbandes Parkett- und Fußbodentechnik und Gert F. Hausmann, stellvertetender Bundesinnungsmeister und Berufssachverständiger

Zu 1: Verschiedene Pläne sind uns nicht bekannt, wohl aber sehr unterschiedliche Meinungen. Die Meinung von Bündnis 90/ Die Grünen hat sich in der Koalitionsvereinbarung mit der SPD durchgesetzt, bis auf die so genannten gefahrgeneigten Handwerke den Meisterzwang als gesetzliche Voraussetzung zur Eintragung in die Handwerksrolle abzuschaffen. Über dieses Ziel hat sie weit hinausgeschossen.

Dass sich jeder Geselle nach 10 Jahren in den gefahrgeneigten Handwerken selbständig machen können soll, stellt die Aushebelung des Meisterzwanges auch in diesen Handwerken dar, nur eben zeitlich verzögert. Überdies gelingt die komplette Zerschlagung mit der Regelung, dass jede innerhalb von 3 Monaten erlernbare Tätigkeit von Ich-AGs ausgeführt werden darf. Diese Punkte sind, unter anderen, Inhalt des vom Kabinett Schröder verabschiedeten Gesetzentwurfes.

Zu 2: Vom Handwerk aus gesehen, ja und nein. Warum nein: In den letzten 12 Jahren wurde die Handwerksordnung mehrfach verändert und das Handwerk hat immer seinen konstruktiven Teil dazu beigetragen. Warum auch ja: Das Handwerk war stets gutmütig und nachgiebig. Nie hat es aufgezeigt, wo die Grenzen liegen. Das Handwerk hat immer nur gewarnt oder Bitten ausgesprochen. Was liegt da näher, als mit ihm so umzuspringen?

Auf die Politik bezogen, ja. Industrie und Handel war die als Schutzzaun für das Handwerk verteufelte HWO schon immer ein Dorn im Auge. Die Politik hat sich leider dieser Meinung angeschlossen. Die Gründe dafür:
- Einflußnahme der Industrie und des Handels auf die Politik: Hier erinnern wir an das erfolgreiche Herausbrechen des Trockenbaus aus dem Handwerk, von der Industrie initiiert.
- Klein- und Mittelbetriebe lassen sich gewerkschaftlich schwer gängeln: Auch im real existierenden Sozialismus waren kleine und mittlere Betriebe nicht gewünscht. Wir werden derzeit auch von Soziallisten regiert, deren kleiner Koalitionspartner sicher nicht rechts von der SPD angesiedelt ist.
- Gegengewicht zu Einschnitten der Arbeitnehmer in der Agenda 2010: Die tiefen Einschnitte für das Handwerk und damit für rund 800.000 Arbeitgeber sind das Gegengewicht zu den - uns viel zu geringen - Einschnitten in Bezug auf die Arbeitnehmerbelange in der Agenda 2010. Mit dem "Bauernopfer" Handwerk stellt sich aus Sicht der Regierungskoalition offenbar eine Symmetrie ein und Industrie und Handel können sich, weil nicht betroffen, zufrieden zurücklehnen.

Zu3: Dieselben Probleme, wie für alle anderen Gewerke: Jeder "Blödmann" kann und darf alles. Ohne jeden Nachweis ausreichender Fertigkeiten und Kenntnisse im Fach und der Bauphysik, in der Betriebswirtschaft, ohne Kenntnisse über die Gefahrstoffverordnung, die Unfallverhütungsvorschriften, die Verbraucher- und Umweltschutzvorschriften wird er auf die Kunden und mögliche Mitarbeiter losgelassen.

Dies, obwohl unser Gewerk sehr wohl gefahrgeneigt ist. Als Beispiele sollen hier nur asbestfaserhaltige Altbeläge, PAK-belastete Parkettklebstoffe und PCB-haltige oder formaldehydhaltige Altversiegelungen genannt werden. Beim Umgang damit sind nicht nur die Handwerker selbst, sondern auch Bewohner einer Wohnung oder eines Hauses gefährdet. Im Weiteren ist bekannt, dass Lärm krank macht und zum fachgerechten Schallschutz ebenso wie zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften wie die der Wärmeschutzverordnung Wissen und Können vorhanden sein muß, dass man mit einer Gewerbekarte eben nicht kaufen kann.

Dank staatlich verordneter, vereinfachter Buchführung, geringerer Steuerlast und vierjähriger Beitragsfreiheit bei der Handwerkskammer werden die Preise ordentlicher Betriebe noch weiter unterboten und die Existenzen dieser noch massiver gefährdet. Daraus resultieren Entlassungen und höchstwahrscheinlich weitere Ich-AGs. Diese Neugründungen kann dann Rot-Grün für sich als Erfolg verbuchen. Und dies in einem seit Jahren ständig kleiner werdenden Markt. Bravo!

Die Zahl der Meisterbriefinhaber wird sinken und damit geht ein Stück gute, solide Ausbildung und eine nicht vorhersehbare Zahl von Ausbildungsplätzen verloren. Als Folge davon wird die Qualität langsam aber stetig abnehmen.

Zu 4: Zunächst verweisen wir auf die Ausführungen zur Frage 3. Aber: Der Meisterbrief kann, mehr denn je, zum Güte- und Qualitätssiegel werden. Im Rahmen der immerhin verbleibenden freiwilligen Ablegung der Meisterprüfung bietet er jungen, wirklich am Fach Interessierten die Gelegenheit, sich zur Elite des Handwerks fortzubilden. Im Rahmen der handwerklichen Selbstverwaltung müssen die Rahmenbedingungen für Güte- und Qualtiätssicherung erdacht, durchgesetzt und in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Zu 5: Die Bewertung, ob ein Handwerk ein Vollhandwerk mit Meisterzwang bleiben soll, darf nicht allein am Kriterium der Gefahrgeneigtheit festgemacht werden. Bei der Gelegenheit diese Anmerkung: Niemand weiß, wer im Hause Clement über ausreichendes Fachwissen verfügte, um die Gewerke zuzuordnen, geschweige denn, nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte. Andere Kriterien, wie zum Beispiel die Zahl der jährlichen Meisterprüfungen, die Ausbildungsleistung, die Aspekte der Nachhaltigkeit also und das Kriterium des Verbraucherschutzes, das sind besonders wichtige Punkte, die einfach Beachtung finden müssen.

Ein anderer Aspekt ist die nachhaltige Veränderung unserer Gesellschaft. Das Handwerk mit seinen vielen Betrieben, Arbeitsplätzen und seinen vielschichtigen Leistungen ist ein Stabilitätsfaktor und stellt den größten Anteil des Mittelstandes. Wird der Mittelstand als unbestreitbar tragende Säule in Frage gestellt, muss auch die soziale Marktwirtschaft in Frage gestellt werden, die dieser Mittelstand maßgeblich mitfinanziert und trägt.

Konkret: Niemand in Europa hat eine derartig tiefgreifende Änderung verlangt. Es hätte ausgereicht, den Meisterzwang aufrecht zu erhalten und lediglich Gesellen nach 10 Jahren den Zugang ohne Meisterbrief zu ermöglichen. Das wäre ausreichend europakonform gewesen. Für "unsere" Politiker in den Regierungsparteien aber auch in den Oppositionsparteien war das mehrheitlich leider nicht ausreichend. Besonders pikant ist dies: Das umliegende Ausland beneidet Deutschland um das duale Ausbildungssystem, dessen Erfolg wesentlich mit den Stufen Lehrling/Geselle/Meister zusammenhängt und gar künftige, osteuropäische EU-Mitglieder führen die Handwerksordnung fast wörtlich übersetzt gerade ein, während sie hier abgeschafft werden soll.

Lassen Sie uns abschließend noch eine Bitte äußern: Keiner sollte Ausbildungsverweigerung betreiben, er würde die Falschen bestrafen. Trotz der Bereitschaft zur Ausbildung bestehen teilweise erschreckende Zahlen fehlender Lehrstellen, die allgemein beklagt werden. Dabei sei auch dies nicht vergessen: Die mangelnde Ausbildungsreife der Schulabgänger wirkt ebenso hinderlich wie ein oftmals negatives familiäres Umfeld.


Jürgen Knöller, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Estrich und Belag im ZDH

Zu1: Die Änderung der Handwerksordnung und wichtige handwerksrechtliche Vorschriften sollen laut Aussage der Bundesregierung den großen Befähigungsnachweis und die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks stärken, existenzielle Gründungen erleichtern, Arbeitsplätze sichern, sowie Impulse für neue Arbeits- und Ausbildungsplätze geben. Wir lehnen diese Pläne kategorisch ab, da die vorliegenden Gesetzentwürfe von einer falschen Ausgangslage ausgehen und in sich widersprüchlich sind.

Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Reform wird genau das Gegenteil erreichen. Ausbildungsbereitschaft und Qualität werden nicht steigen, sondern sinken. Die erwartete Welle von Neugründungen wird ausbleiben, die zahlenmäßige Verstärkung der Anbieterseite, das heißt das Schaffen von noch mehr Markt, wird mit Sicherheit nicht zu einer konjunkturellen Belebung am Bau führen. Sie werden vielmehr nach kurzer Zeit angesichts eklatanter Nachfrageschwäche wieder vom Markt verschwinden. Was eintreten wird, ist ein noch größerer ruinöser Preiswettbewerb.

Zu 2: Soweit mir bekannt ist, und so stand es auch in der Presse, sollten nochmals vor Verabschiedung der Novelle Gespräche mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks erfolgen. Dies ist nach meinem Kenntnisstand nicht geschehen. Mit Sicherheit wurde vom ZDH in dieser Angelegenheit zu wenig Druck ausgeübt. Hier werden auch die Interessen der Handwerksbetriebe sehr unterschiedlich wahrgenommen. Außerdem verfolgen teilweise die Handwerkskammern ganz andere Interessen als die Fachverbände. Von Seiten des ZDB kann ich anmerken, dass meiner Ansicht nach von dieser Seite aus alles Mögliche getan wurde und getan wird, um darauf einzuwirken, dass die Novelle in dieser Form nicht verabschiedet wird.

Zu 3: Wie bereits unter Punkt 1 dargestellt, wird der Wettbewerb noch ruinöser, die Ausbildung weniger. Die Frage stellt sich, wozu noch ausbilden, wenn jeder ein Handwerk ausüben kann.

Die fehlende Begründung der Verschiebung von der Anlage A in die Anlage B zeigt, dass dieses Reformvorhaben von der Kenntnis über die einzelnen Tätigkeiten unseres Bauhandwerks nicht geprägt sein kann. Ganz offensichtlich sollen durch die möglichst weitgehende Befreiung unseres Gewerbes von der Meisterprüfungpflicht Fakten geschaffen werden, ohne die zugrunde liegenden Beweggründe anzuführen.

Zu 4: Mit Punkt 3 beantwortet.

Zu5:Was unseren Berufsstand angeht, also das Estrichlegerhandwerk, sollte keine Änderung eintreten, was den großen Befähigungsnachweis angeht. Das heißt, wir sollten unbedingt in A bleiben, da es dafür auch gute Gründe gibt. Hierzu kann man auch den Parlamentarierbrief zur HWO für das Estrichlegerhandwerk vergleichen.

Die so genannte "Altgesellenregelung", die nach 10jähriger Berufserfahrung (davon 5 Jahre in "herausgehobener, verantwortlicher oder leitender Stellung") einen Rechtsanspruch auf Selbstständigkeit vorsieht, entwertet den Meisterbrief. Mit dem "Meister durch Zeitablauf" wird das für den Verbraucher so wichtige Prinzip der "geprüften Qualifikation" aufgegeben.

Das Einzige, was sich ändern sollte, dass der Fußbodenbau insgesamt enger zusammen rückt; bei Parkett und Estrich ist dies ja schon der Fall. Auch die Anderen, wie z.B. Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk sowie Beton und Terrazzohandwerk, sollten nach Möglichkeit hier mit eingebunden werden.


Edgar Leonhardt, Geschäftsführer des Bundesverbandes Estrich und Belag und des Zentralverbandes Parkett und Fußbodentechnik:

Zu1: Die Bundesregierung hat in der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung der Handwerksordnung angegeben sie wolle
- den großen Befähigungsnachweis und die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks stärken
- Existenzgründungen erleichtern
- Arbeitsplätze sichern
- sowie Impulse für neue Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze geben.

Die meisten dieser Ziele werden voraussichtlich nicht erreicht. Die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks wird stark negativ beeinträchtigt werden durch qualitativ schlechtere handwerkliche Leistungen infolge des Abbaus von Qualifikationsprinzipien. Der große Befähigungsnachweis wird an Bedeutung verlieren. Der Gesetzgeber sollte die wirtschaftliche Entwicklung des Handwerks in seinen heutigen gesunden Strukturen der Marktwirtschaft überlassen. Gerade in der jetzigen Rezession hat sich gezeigt, dass die Insolvenzquote im Handwerk deutlich geringer ist als in der Gesamtwirtschaft.

Ebenso werden die Impulse für neue Ausbildungsplätze eher abnehmen als zunehmen. Heute ist das Handwerk beschäftigungsstärker als die Gesamtindustrie. Es stellt rund zwei Drittel aller gewerblich technischen Ausbildungsplätze.

Wenn zukünftig kein Meisterbrief für die Führung eines Handwerkbetriebs mehr gebraucht wird, sind mittelfristig auch keine Meister mehr vorhanden die qualitativ gut ausbilden werden. Damit wird der Reiz für eine handwerkliche Ausbildung bei jungen Menschen abnehmen. Es werden auch immer weniger Betriebe die Voraussetzungen für eine geordnete Ausbildung bieten können.

Kurzfristig wird es zu einem Strohfeuer bei Existenzgründungen kommen, das sich auf Dauer gesamtwirtschaftlich negativ auswirken wird. Durch die Novellierung der Handwerksordnung wird ein eher heute noch intakter Wirtschaftzweig - nämlich das Deutsche Handwerk - ohne Not demontiert.

Zu 2: Die letzte Reform der Handwerksordnung erfolgte im Jahr 1998. Schon damals hatte die konservativ-liberale Regierung die Vollhandwerke von 128 Berufen in der Anlage A der Handwerksordnung auf 94 Berufe reduziert. Die Grünen hatten 1998 schon anlässlich der Schlussabstimmung zur geänderten Handwerksordnung im Deutschen Bundestag ausdrücklich die Reduzierung der Vollhandwerke auf maximal zehn gefordert. Wohin die Reise war spätestens nach dem Regierungswechsel klar. Den berufständischen Vertretern des Deutschen Handwerks war dies klar.

Meiner Auffassung nach hatten die Spitzenverbände in Berlin ein halbes Jahrzehnt Zeit sich dem heute vorliegenden Gesetzesentwurf mit allen Mitteln entgegenzusetzen. Aus meiner Sicht ist dies kaum geschehen. Der Wirtschaftzweig Handwerk - der immerhin über 20 % des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet - hätte sich sonst nicht innerhalb von wenigen Wochen eine solche Gesetzesvorlage bieten lassen müssen. Andere ständig subventionierte Wirtschaftzweige machen es den Spitzenvertretern des Handwerks schon seit Jahrzehnten vor wie man erfolgreich Lobbyarbeit leistet.

Zu 3: Sowohl für das Estrich- als auch für das Parkettlegerhandwerk entstehen durch die Herabstufung vom Vollhandwerk in das handwerkähnliche Gewerbe zunächst völlig falsche Signale in Richtung der qualitative Ansprüche zur Ausführung der Gewerke. Der Gesetzgeber hat als ein wesentliches Kriterium zur Herabstufung der beiden Handwerke die Gefahrgeneigtheit bei der Bauausführung als auch bei der Nutzung angeführt. Sowohl beim Parkettleger- als auch beim Estrichlegerhandwerk hat er diese bisher verkannt. Er verschließt sich im Gesetzgebungsverfahren anscheinend auch völlig entsprechenden Argumentationen.

Zu 4: Sollten die Änderungen der HWO für die Handwerksgewerbe Estrichleger und Parkettleger endgültig verabschiedet werden, bedeutet dies zunächst, dass für den Auftraggeber ein Verbraucherschutz durch die Inanspruchnahme der Leistungen eines Meisterbetriebs entfällt. Geringer Qualifizierte können dann Tätigkeiten am Markt anbieten, die bisher dem Fachbetrieb vorbehalten waren.

Wahrscheinlich wird es auch im Kampf um Aufträge vermehrt zu ruinösen Wettbewerbsituationen kommen. Neu gegründete "Ein-Mann-AGs" werden seriösen langjährigen Meisterbetrieben die Existenz erschweren. Mittelfristig werden dann wieder die Insolvenzen - bei beiden Unternehmensformen - zunehmen. Darunter leiden wird auch die Qualität der Bauausführungen worüber sich dann bei zunehmenden Streitfällen die Sachverständige und Rechtsanwälte freuen werden.

Mit Sicherheit wird auch die Zahl der Ausbildungswilligen in den Handwerken rückläufig sein. Viele Gesellen werden sich fragen, warum sie noch den aus ihrer Sicht langen und teuren Weg der Meisterprüfung gehen sollen. Ob sich die Vorstellung durchsetzt, dass der freiwillig erlangte Meisterbrief einen Wettbewerbsvorteil darstellen kann, bleibt abzuwarten.

Zu 5: Zunächst ist nicht ganz einzusehen, warum in Deutschland rund alle fünf Jahre eine Novellierung der Handwerksordnung erfolgen muss. Auch der Hinweis auf europäische Erfordernisse erscheint wenig plausibel angesichts aller möglichen europaweiten Sonderregelungen.

Meiner Meinung nach sollte man heute eher eine Reform der gesamten Handwerksorganisation angehen. Ist diese in ihrer heutigen Vielstufigkeit noch zeitgemäß und insbesondere auch finanzierbar? Stehen die Kosten noch im Verhältnis zum Nutzen? Sind wir heute möglicherweise dort angekommen, wo die Spitzen der Organisationen kaum noch die Belange der sie finanzierenden Basis vehement genug vertreten.


Bertram Abert, Landesfachgruppenleiter Estrich und Belag Südbaden

Zu 1: Sch...lecht. Die SPD Regierung hat noch Ende 2002 fest versprochen, die Vorschläge des Regierungspartners "die Grünen" zur Änderung der HWO nicht umzusetzen. Jetzt werden Erfolge gebraucht, dann greift man solche Dinge auf, die nichts kosten. Ob sie sinnvoll sind oder nicht. Es ist ein Hohn gegenüber dem Handwerk, wenn man in der Begründung sagt, wenn mehr Betriebe da sind, gibt es auch mehr Arbeit zu geringeren Preisen.

Zu 2: Ja. Das Zentralorgan der deutschen Handwerkskammern hat eine Vorlage der Politik geliefert, die dann natürlich aufgenommen und weiter ausgebaut wurde. In der Vorlage von den HWKs hat man deutlich weniger Handwerke in die Liste B bringen wollen. Auch ist die Uneinigkeit im Handwerk ausschlaggebend für solche Vorschläge. Viele Abgeordnete haben schon einmal schlechte Erfahrungen mit Handwerkern gemacht, daraus wird abgeleitet, alle Handwerker sind so.

Zu 3: Neue unqualifizierte Mitbewerber werden zu einer viel größeren Schadensbilanz beitragen, die dann meist auf Kosten der Bauherrn und der öffentlichen Hand geht. Bodenständige Betriebe werden, wenn sie den dann ruinösen Wettbewerb mitmachen ebenfalls in die Insolvenz gehen, andere, die Leistungen sach- und fachgerecht kalkulieren, werden sich verkleinern müssen. Mit der erhöhten Schadensbilanz wird das Ansehen des Handwerks leiden.

Zu4: Diese Frage wurde weitgehendst unter Punkt 3 beantwortet. Also Marktnischen suchen, ruinöse Preise nicht mitmachen, evt. Betriebe verkleinern, Kosten auf jeden Fall runter fahren, Zwangsbeiträge zur HWK auf den Prüfstand. Meisterausbildung und Meisterprüfung zu einem wirklichen Qualitätssiegel ausbauen und entsprechend auch öffentlich machen.

Zu 5: Ablage P (Papierkorb). Man hat nicht begriffen, dass die HWO so wie diese jetzt noch besteht in erster Linie Verbraucherschutz darstellt. Also meiner Meinung nach eher ausgebaut und verstärkt gehört.

Jeder Handwerker sollte unbedingt Kontakt zu örtlichen Abgeordneten knüpfen und seine Sorgen dort deutlich vortragen. Auf Verbände zu schimpfen bringt leider kein Erfolg. Wir selbst sind die Mitglieder der Verbände und müssen was tun!
aus FussbodenTechnik 04/03 (Handwerk)