Betten-Kärgel

Gute Zeiten - schlechte Zeiten

Forst/Lausitz - "Wenn wir nicht die Gabe hätten, uns klein zu machen, wir wären längst nicht mehr da ..." Erika Kärgel (65) und Liana Kärgel (40) treffen die Feststellung zu einem Zeitpunkt, da Ereignisse anstanden bzw. anstehen, die weitere Fixpunkte in der Biografie des gleichnamigen Bettenfachgeschäftes markieren. Zum einen: "Kärgel" war jüngst 25 Jahre als auf Federn und Daunen ausgerichteter Branchenbetrieb tätig. Zum anderen: Mit dem 1. Februar dieses Jahres hat Betten-Kärgel seine Dependancen in Cottbus und Weißwasser geschlossen.

Die Schließung der Filialen bedeutet für den Bettenausstatter "zurück auf Anfang". Bestehen bleibt das über 130 qm Verkaufsfläche verfügende Fachgeschäft in Forst, wo nach dem politischen Umbruch in der DDR die Zeit der Entwicklung als Fachhändler unter marktwirtschaftlichen Bedingungen begonnen hatte. Ein Jahrzehnt davor - seit 1980 - war man ein in die sozialistische Planwirtschaft einbezogener und mit Restriktionen belegter Dienst leistender Handwerksbetrieb. Nach der Wende war Betten-Kärgel dann sukzessive gewachsen und mit den Filialen in Cottbus und Weißwasser verfügte man Mitte der 90er Jahre über insgesamt nahezu 450 qm Verkaufsfläche.

Was zu DDR-Zeiten als privat geführte und im eigenen Haus betriebene Bettfedernreinigung mit zuletzt bis eine Million Ost-Mark Jahresumsatz Bestand hatte, formierte sich dynamisch zum profilierten Bettenfachhandel mit Rundum-Service, der auf profunder praktischer Erfahrung im Umgang mit Federn und Daunen aufbauen konnte. Kein Wunder, dass Reinigung und Füllen sich als starke Stütze der Geschäftskonstruktion behauptete. Das Segment wurde zunehmend zum "Rettungsring"; die Dienstleistungen waren dem Familienbetrieb eine enorme Hilfe, gerade die letzten, von schwindender Kaufkraft geprägten Jahre zu überstehen.

Weil nichts im Selbstlauf geschieht, ist der persönliche Einsatz von Erika und Rudolf Kärgel sowie Tochter Liana zu würdigen, die gemeinsam mit drei Mitarbeiterinnen Verkauf an drei Standorten und Service im Zweischichtbetrieb, manchmal rund um die Uhr, bewältigten. Insofern stellen die zurückliegenden Jahre ein Stück Familiengeschichte dar, das eng mit der Branchen-Historie der neuen Länder verknüpft ist. Als Pionierleistung darf bewertet werden, dass noch im Herbst 1990 der Bettenausstatter Kärgel in Forst eröffnete und damit Branchen bezogen in der Region eine neue Fachgeschäfts-Ära einleitete. Wenig später machte man mit einem an westlichen Standard orientierten neuen Laden-Outfit von sich reden und genauso mit den im Jahresabstand nachfolgenden Neueröffnungen der Filialen.

Was seinerzeit Perspektiven versprach, ist in der Gegenwart von den Schatten eingeholt worden, die der fachhändlerische Alltag in den neuen Ländern nicht erst seit gestern wirft. Vor allem der Preisdruck seitens der Discounter und die sich verringernde Kaufkraft potentieller Kunden in der Region stelle für "Kärgel" die Existenz als Fachhändler in Frage und verlange nach Konsequenzen: "Klein machen, um zu überleben." Betten-Kärgel wird im Kleinstformat weitergeführt; mit Konzentration auf das neue Kerngeschäft Dienstleistungen einschließlich der erforderlichen Logistik. Dafür war in besseren Tagen bereits erheblich investiert worden; in eine leistungsfähige Miele-Waschstraße, bestehend aus Waschmaschine, Schleuder und Trockner. Die Betten-Reinigungsmaschine mit Herkunft Litauen stammt noch aus DDR-Zeiten.

Was Federnreinigung und Bettenwäsche anbelangt, sollen in Kürze im erweiterten Umland sechs Annahmestellen eingerichtet sein. "Die Kunden wissen unsere Dienstleistungen - vor allem deren Qualität und Zuverlässigkeit - zu schätzen und halten uns die Treue", ist man sich bei Kärgel sicher; "wir waschen Tag und Nacht, weil ein Großkunde wie das Krankenhaus nicht warten kann." Dem gleichen hohen Anspruch müssen die Feder- und Daunenbetten aus eigenem Füllprogramm einschließlich Umarbeitungen genügen. Über Bettwaren aus Fabrikfertigung hinaus eigene anzubieten, wird als Nische der Handelstätigkeit gesehen und praktiziert. Mit der Spezialität, eigene Bettwaren mit quasi Hand sortierten Federn und Daunen aus regionalem Aufkommen heimischer Kleintierhalter herzustellen, könne man auch besondere Kundenwünsche erfüllen und somit Kundschaft binden: "Wir waren nie Billiganbieter und werden das genauso wenig in Zukunft sein."

Die Zukunft von Betten-Kärgel müssen Erika und Liana Kärgel nach dem Tod von Ehemann und Vater Rudolf allein gestalten. Tochter Liana hat das Geschäft von der Mutter übernommen. Mit einem Minimum an Personal soll es erhalten werden, was auch einhergehen könnte mit der Reduzierung der Verkaufsfläche des verbleibenden Fachgeschäftes in Forst. Ins Auge gefasst sind die Konzentration auf wesentlichste Sortimente und auf weniger Lieferanten als bisher. Die Dienstleistungen über das Internet anzubieten steht ebenso auf der Agenda wie Bemühungen, sich als Fachhändler mit solchen Sortimenten weiter zu profilieren, die in Funktion, Design und Qualität geeignet sind, sich von Massenanbietern klar abzugrenzen.

Bei allen Abstrichen, die Betten-Kärgel über die letzten Jahre unter dem Eindruck der allgemeinen wirtschaftlichen Rezession und der damit einhergehend wachsenden Arbeitslosenzahl (aktuell in Forst z.B. ca. 25 Prozent) machen musste, ist Stolz auf das vor und nach der Wende Erreichte zu spüren. "25 Jahre am Markt zu sein, das rechnen wir uns schon als Erfolg an", sagen Erika und Liana Kärgel; "wer anders hierzulande in vergleichbarer Konstellation ist solange präsent?!" Und was die geschundene Seele eines ostdeutschen Bettenfachhändlers streichelt, soll zu guter Letzt nicht unerwähnt bleiben. Kärgels wissen um die weltweite Verbreitung von Bettwaren aus ihrer Fertigung. Kopfkissen und Zudecken des Bettenausstatters wurden von ausgewanderten Kunden in zahlreiche Länder Europas und auch nach Kanada, in die USA und nach Mexiko mitgenommen bzw. dorthin nachgeliefert.
aus Haustex 02/05 (Handel)