Antidumping-Klage in den USA angenommen
Handelslandschaft für Mehrschichtparkett vor großen Veränderungen
Marktwirtschaft, Freihandelsabkommen und globaler Handel prägen das westliche Wirtschaftssystem seit Jahrzehnten und haben sich als Garanten einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung und eines vermehrten Wohlstandes erwiesen. Dennoch kommt es zunehmend zu Kritik hinsichtlich etwaiger Wettbewerbsverzerrungen und unlauterer Geschäftspraktiken einzelner Wirtschaftsteilnehmer oder ganzer Staaten. Im November 2010 haben sich in den USA unter dem Namen CAHP (Coalition American Hardwood Parity) verschiedene amerikanische Parketthersteller vereint und eine Antidumping-Klage gegen Importe von Mehrschichtparkett aus China angestrengt. Anfang Dezember vergangenen Jahres hat die International Trade Commission (ITC) in den USA die Klage der CAHP gegen wettbewerbsverzerrende Geschäftspraktiken der chinesischen Parkettindustrie angenommen und damit den Weg für eine umfangreiche Untersuchung geebnet. Das Verfahren wird nun vom amerikanischen Handelsministerium betrieben.
Das Handelsministerium wird seine Entscheidung über etwaige Strafzölle bereits Ende März 2011 bekannt geben. Das abschließende Urteil mit etwaigen Maßnahmen zum Schutz der amerikanischen Industrie im Rahmen des Antidumping-Verfahrens soll am 13. Juni 2011 verkündet werden. Die entsprechenden Daten der ITC lauten 16. Mai bzw. 28. Juli. Die Ursache für die unterschiedlichen Terminfestsetzungen zwischen Handelsministerium und ITC sind unklar. Die zeitliche Versetzung zwischen Bekanntgabe der Zollsätze und etwaiger Antidumping-Maßnahmen birgt ein zusätzliches Risiko für amerikanische Importeure. Wird beispielsweise am 30. März ein vorläufiger Strafzoll festgesetzt, der niedriger ist als die endgültige Festlegung im Sommer, würde es zu Nachbelastungen von Zollabgaben für Importe kommen, die zwischen beiden Terminen eingeführt worden sind.
Die amerikanischen Kläger unter Führung der Großanbieter Shaw und Mannington reklamieren, dass die chinesische Regierung ihrer Industrie durch Exportsubventionen und die künstlich unterbewertete Währung unfaire Wettbewerbsvorteile verschaffen würde und sich damit für die amerikanische Industrie erhebliche Nachteile ergeben.
Aus europäischer Sicht überrascht die Auseinandersetzung in den USA sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts als auch hinsichtlich der Klagebegründung. Hiesige Marktbeobachter berichten, dass die Exportsubventionen der chinesischen Regierung längst Geschichte sind. Gesicherte Erkenntnisse, dass chinesische Hersteller neue und direkte Exportzuschüsse ihrer Regierung erhalten, liegen nicht vor. Außerdem wäre es in Europa kaum vorstellbar, dass mit der Argumentation der Bewertung von Währungen ein Antidumping-Verfahren erfolgreich durchgeführt werden könnte.
Dennoch gehen gut unterrichtete Kreise in den USA davon aus, dass die ITC und das Handelsministerium letztendlich Strafzölle erheben werden. Der Vorgang erscheint weniger substanziell, sondern eher politisch begründet zu sein. Die negative Stimmung in den USA mit seinen noch in der Wirtschaftskrise festsitzenden Märkten erscheint als Nährboden für eine derartige Entscheidung bestens geeignet zu sein. Der von den Klägern geforderte Strafzoll in Höhe von 100% wird es wohl kaum werden. Aber schon 30 oder 40% würden zu massiven Marktverschiebungen führen.
Amerikanische Importeure und chinesische Produzenten sind allerdings nicht untätig. Hersteller in den nordwestchinesischen Provinzen Jilin und Heilongjiang denken bereits darüber nach, Produktionen ins benachbarte Sibirien zu verlagern. Große Mengen des eingesetzten Rohholzes kommen ohnehin von dort. Gemeinsam mit amerikanischen Importeuren planen chinesische Hersteller ersatzweise Halbfabrikate entweder direkt in die USA oder auf einem Umweg über Südostasien zur abschließenden Veredelung und Fertigstellung zu verbringen. Auch der Wechsel von einem chinesischen zu einem vietnamesischen oder indonesischen Lieferanten wird bereits seitens der amerikanischen Importeure ins Kalkül genommen.
Sämtliche Abwehrmaßnahmen der amerikanischen Importeure würden dazu führen, dass die Zolleinnahmen, sollten sie dann erhoben werden, eher geringer als erwartet ausfallen dürften. Auch ist kaum davon auszugehen, dass die rund 15 Millionen m Mehrschichtparkett, die chinesische Hersteller im vergangenen Jahr in den USA absetzen konnten, in diesem Jahr zu einer identischen Produktionssteigerung der amerikanischen Industrie führen werden.
Unabhängig von diesen Aktivitäten im Ausland formt sich auch der Widerstand in den USA selbst. Amerikanische Importeure, Großhändler und Einzelhändler von Parkettböden haben eine Allianz für freie Wahl und Arbeitsplätze in der Bodenbelagsbranche (AFCJF) gegründet und Jonathan Train, geschäftsführender Gesellschafter von Earthwerks, zum Präsidenten gewählt. Earthwerks ist ein großer Importeur von Parkett, Laminat und Vinylböden.
Die AFCJF argumentiert, dass die Klage der CAHP sich nur vordergründig gegen Chinaimporte richten würde. Im Kern ginge es um eine grundsätzliche Marktabschottung zu Gunsten der amerikanischen Industrie. Nach Auffassung der AFCJF hängen die Erfolge der Parkettimporteure weniger mit Preisvorteilen zusammen, sonder viel mehr mit technisch besserer Qualität aus dem Ausland und der Flexibilität der mittelständischen Importeure, sich auf regionale Konsumenteninteressen einzustellen. Die neugegründete Importeursvereinigung geht davon aus, dass durch Strafzölle mehr Arbeitsplätze im Handel verloren gehen als in der Industrie entstehen würden. Außerdem würden steigende Endverbraucherpreise für Parkett die Nachfrage beschädigen und zu steigender Nachfrage bei Substituten, wie Laminat und Vinyl-Böden, führen. Diese Substitute werden, was als Ironie des Schicksals angesehen werden kann, ebenfalls in erheblichen Mengen auch aus China importiert.
Der Vorgang ist auch für Europa und damit auch für Deutschland von großer Bedeutung. Kommt es zu einem Strafzoll für Mehrschichtparkett in den USA, ist mit folgenden Konsequenzen zu rechnen:
1. Es könnte zu einer Signalwirkung für vergleichbare Verfahren in Europa kommen.
2. Trotz aller Abwehrmaßnahmen der chinesischen Hersteller würde der Export in die USA sinken und es würden freie Kapazitäten entstehen, die wiederum auf neue Absatzmärkte drängen würden. Ein zusätzlicher Druck auf europäische Märkte wäre kaum vermeidbar.
3. Es könnte zu einer Signalwirkung für vergleichbare Verfahren gegen andere Produkte, wie beispielweise Massivparkett oder Laminatboden kommen.
4. Selbst steigende Exporte aus Europa in die USA sind nicht auszuschließen. Schon heute kann Mehrschichtparkett aus China mit einem relativ geringen Veredelungsgrad kaum noch erfolgreich in Europa abgesetzt werden. Europäische Produktionen sind oft preiswerter.
Die kommenden Wochen werden also spannend und amerikanische Rechtsanwälte dürften sich die Hände reiben. Jim Gould, Präsident des Floorcovering Institutes in den USA, geht davon aus, dass auf die amerikanische Parkettindustrie und die Importeure, die den Strafzoll verhindern wollen, Rechtanwaltskosten von mehr als 100Mio.USD zukommen werden.
aus
Parkett Magazin 02/11
(Bodenbeläge)