bed + more - "Jammern lähmt und blockiert"

Zurückhaltung gegenüber Neuheiten bremst die gesamte Branche

Rüdiger Baretti und Hans-Günter Schucht nahmen das "Gemeinsam sind wir stark" der Branche wörtlich und präsentierten im Wechsel ihr Thema: "Baretti und ABK: Als Bettenfachhändler den Marktstürmen trotzen - mit einem starken Verband im Rücken". Wir drucken den Ballwechsel der beiden, der auch mit Seitenhieben auf das Gebaren im eigenen Fachhandel nicht sparte, in gekürzter und etwas modifizierter Form ab.

Rüdiger Baretti: Mancher Bettenfachhändler dürfte heutzutage froh sein, wenn in seinem Markt überhaupt etwas in die richtige Richtung strömt, so dass er halbwegs auskömmlich mitschwimmen kann. Das ist Fakt, ebenso wie die Tatsache, dass unsere Branche maßgeblich dazu beigetragen hat, dass die Produkte rund ums Bett im Konsumbewusstsein des Verbrauchers eine extrem nachrangige Rolle spielen.

Hans-Günter Schucht: Dennoch gibt es sie, die Hersteller, Einkaufsverbände und Händler, die dank innovativer Produkte zum fairen Preis, zeitgemäßer Marketing-, Logistik- und Servicekonzepte sowie zuverlässig arbeitender Kooperationspartner ein solides Wachstum verzeichnen. Um dazu zu gehören, bedarf es aber Anstrengungen, die künftig weniger von Tradition und Routine als vielmehr von Know-how und Kreativität geprägt sein müssen, fokussiert auf den Verbraucher und seine Konsumwünsche.

Baretti: Es gilt, die rasanten Veränderungen unseres Marktes zu meistern, der momentan jeden Anflug von Euphorie durch die zum Teil selbst heraufbeschworene Diktatur des Preises im Ansatz erstickt. Und das, obwohl er Zukunftspotenziale und -chancen bietet.

Schucht: Wir befinden uns zurzeit eben in einem wirtschaftlichen und politischen Umfeld, in dem so mancher umfällt. Waren die Dekaden seit den 50er-Jahren von wechselnden Konsummoden geprägt, heißt es heute: Vorsorge treffen.

Baretti: Großen Teilen von Industrie und Handel ist nichts Erbaulicheres eingefallen als eine nicht enden wollende Preisspirale nach unten in Gang zu setzen. Nicht selten werden Bettwaren feilgeboten, deren Verkaufspreise unter denen vor 20 Jahren liegen. Aber die gezielt herbeigeführte Renaissance der soliden Produkt- und Preismitte darf als eines der ersten zarten Pflänzchen einer positiven Entwicklung gelten.

Schucht: Die Zahl der 2.500 bis 3.000 Bettenfachgeschäfte in Deutschland nimmt deutlich ab. Die Fortschrittlichen werden überleben. Die Langsamen verschwinden vom Markt. Auch herrscht hier eine zu hohe Standortdichte bei einem Überangebot an Verkaufsfläche.

Die Kunst besteht darin, nach einem radikalen Schrumpfungsprozess zu denjenigen zu hören, die dann noch Marktteilnehmer sind.

Delegieren von Kompetenzen, Straffung der Sortimente

Baretti: Als selbst ernannte Koryphäen auf dem Gebiet des komfortablen Liegens haben wir Fachhandelsunternehmer eine Tiefschlafphase hinter uns, aus der einige nach wie vor nicht erwacht sind. Einzelhandel besteht in vielen Köpfen immer noch zu 80 Prozent aus Einkauf und nur zu 20 aus dem Verkauf.

Die Mitgliedschaft in einem leistungsstarken Einkaufsverband trägt nach meiner Erfahrung dazu bei, dieses Missverhältnis zu korrigieren. Vorausgesetzt, der Händler ist bereit, Kompetenzen und Aufgaben zu delegieren und Kompromisse bei den unverzichtbaren Sortimentsstraffungen einzugehen. In unseren Geschäften sind es vor allem die obligatorischen Stapel mit Zudecken, die sich aus Platzgründen nicht immer vermeiden lassen. Aber künftig dürfen sie getrost etwas kleiner ausfallen.

Kommen wir zu den Mitarbeitern, in Sonntagsreden gern als unser wertvollstes Kapital bezeichnet. Manche von uns mussten aufgrund steigenden Kostendrucks die Zahl reduzieren. Umso wichtiger, dass wir die verbliebenen hegen und motivieren, sie regelmäßig zu Schulungen schicken. Motivation und Weiterbildung der Mitarbeiter entscheiden über Erfolg oder Misserfolg. Selbstverständlich können wir unsere derzeitige Marktsituation kritisch analysieren, aber das ewige Jammern auf hohem Niveau sollten wir uns tunlichst sparen. Jammern lähmt und blockiert.

Schucht: Ein flexibel arbeitender Einkaufsverband nimmt dem Handelsunternehmer viele Aufgaben ab, so dass er sich seiner eigentlichen Profession, dem Verkauf, widmen kann. Der ABK mit seinen derzeit 66 Voll- und 19 assoziierten Gesellschaftern, die gemeinsam 166 Verkaufsstellen repräsentieren, versteht sich ausdrücklich als Non-Profit-Dienstleister. Wir unterstützen unsere Mitglieder bei der Warenbeschaffung, Werbung und beim Marketing. Das Eigenprofil der Anschlusshäuser wird gestärkt und erwirtschaftete Vorteile geben wir direkt an die Mitglieder weiter. Entscheidungen werden im Team, über sechs Fachkommissionen, erarbeitet.

Die ABK agiert mit einem minimalen Kostenapparat: Alles was Spezialisten besser können, wird ausgelagert, etwa Zentralregulierung, Warenlogistik, Buchhaltung. Wir investieren in Marketing- und Werbekonzepte, die in Zielgruppen ausgerichtet sind. Boni werden zu 100 Prozent ausgeschüttet, es werden keine regelmäßigen Verbandsbeiträge bei den Mitgliedern erhoben. Die Teilnahme an der Zentralregulierung ist für alle Mitglieder verpflichtend, wobei alle Zahlungen ausnahmslos in der ersten Kondition erfolgen.

Zu den weiteren guten Gründen einer Mitgliedschaft zählen: gestraffte Kernsortimente zu erstklassigen Einkaufskonditionen, weltweite Angebotsbeschaffung samt Durchführung von Importen, Just-in-time-Auslieferung der Kernsortimente durch Lieferanten, EDV-Software sowie Support, Mitarbeiterschulungen, betriebswirtschaftliche Unterstützung, ERFA-Tagungen, eine Jahrestagung als Branchentreff und mehr.

Resistenz gegenüber neuen Produkten und Entwicklungen

Überraschend ist die Resistenz mancher Bettenfachhändler gegenüber neuen Produkten. Die Zurückhaltung gegenüber Neuheiten bremst die Entwicklung der gesamten Branche. Das interessanteste in meinem Berufsleben ist immer wieder die Teilnahme an der Musterung für lose Ware. Stundenlang ausgesucht und auf drei Lieferanten konzentriert, stellt man am Jahresende fest, dass trotz des vorgemusterten Sortiments die stolze Zahl von 13 Lieferanten erscheint. Dass dann natürlich die Einkaufsvorteile dahin schmelzen, die Konzentration schlichtweg zum Teufel geht, liegt auf der Hand. Und das bei Artikeln, bei denen der Lieferanten-Unterschied für den Endverbraucher nicht erkennbar ist.

Baretti: Ich werde oft gefragt, wie ich generell mit einem Einkaufsverband arbeiten kann. Ich behaupte ohne Überheblichkeit, dass mein Unternehmen von allen ABK-Mitgliedern am leichtesten auf die Dienste verzichten könnte. Das liegt an der Größe und Struktur der Baretti-Gruppe mit ihren eigenen Gestaltungsmöglichkeiten wie Einkauf, Zentralregulierung, Werbung usw. Aber wir wollen und müssen uns noch intensiver um unsere Kunden und den Verkauf kümmern. Deshalb delegieren wir Aufgaben wie den Einkauf an den Verband.

Im "Nebenjob" entwickelte ich in den 80er-Jahren die Baretti-Collection mit ihrem Schwerpunkt auf Matratzen und Rahmen. Diese Produkte zählen inzwischen zum Kernsortiment unseres Verbandes.

Meine Karriere als Fachhandelsunternehmen begann mit der Übernahme des elterlichen Geschäfts Betten-Beckord in Gütersloh. Im Laufe der Zeit kamen weitere Geschäfte hinzu. Mit sieben Bettisimo-Fachmärkten ist die Baretti-Gruppe auch auf diesem Sektor aktiv; und eine private Reise durch Österreich endete Ostern 2002 mit der eher zufälligen Übernahme von inzwischen 28 Betten Max-Filialen. Heute erwirtschaften umgerechnet auf Vollzeit etwa 140 Mitarbeiter an 48 Standorten einen Gruppenumsatz von gut 25. Mill. Euro auf rund 17.000 qm Verkaufsfläche.

Die Konzentration geht weiter

Schucht: Welche Marktentwicklungen stehen an? Die Konzentration auf Industrie- und Handelsseite wird ungebremst voranschreiten. Dabei verliert der klassische Bettenfachhandel weiter an Boden. Hauptursache: Geschäftsaufgaben wegen wirtschaftlicher Probleme oder fehlender Nachfolge. Daneben drängen neue Anbieter in den Markt, fachfremde Vertriebskanäle wie Bau- und Drogeriemärkte, Teleshopping und Internet.

Aber ein derartiges Szenario birgt auch Chancen. Es wird eine effizientere Bündelung der Kräfte vonnöten sein. Ich vermeide bewusst den Ausdruck "Einkaufsverband", weil die Warenbeschaffung nur eines von vielen Betätigungsfeldern ist. Obwohl ich mit Leib und Seele Geschäftsführer der ABK bin, frage ich mich, ob wir langfristig nicht über einen starken Marketingverbund für alle Fachhändler nachdenken müssen. Konzentration bringt Vorteile.

Baretti: Keine Lust, eine gelistete, aber mir nicht genehme Matratze zu verkaufen? Wenn ich bestimmen will, was der Kunde will, verschenke ich Umsatz. Solange wir uns solche Extravaganzen leisten, dürfen wir die Schuld für geschäftliche Miseren nicht bei anderen suchen. Der Kunde ist der Mittelpunkt.

"Wir beraten uns zu Tode und der Kunde kauft die Zudecke doch beim "Billigheimer" um die Ecke." Eine gern wiederholte Fachhändler-Klage, die Kritik verdient. Erstens, wenn das Angebot so vergleichbar ist, sollten wir über eine Neugestaltung unseres Sortiments nachdenken. Und zweitens: Ist unsere Beratung tatsächlich so brillant oder quasseln wir den Kunden mit unserem geballten Fachwissen förmlich aus dem Laden? Beraten will gelernt sein , deshalb investieren Sie in die fundierte Aus- und Weiterbildung Ihrer Mitarbeiter.

Die Ausrichtung von Events vor Ort oder im eigenen Geschäft eignen sich als Maßnahme zur Kundenbindung. Bevorzugtes Augenmerk, sagen alle einschlägigen Marktuntersuchungen, sollten wir auf ein professionelles Seniorenmarketing legen. Die wohlhabenden "neuen Alten" legen Wert auf hochwertige Produkte, fundierte Beratung und umfangreichen Service - eine große Chance für Fachgeschäfte, da sie dem älteren Verbraucher Sicherheit und Seriosität vermitteln. Lernen wir noch besser mit, aber vor allem von unseren Kunden zu leben!

Schucht: Leben müssen wir auch damit, dass wir es als Branche bislang nicht geschafft haben, eine wirksame Gemeinschaftswerbung auf die Beine zu stellen. Unsere Produkte werden gern als low-interest-Produkte bezeichnet, weil sie auf der Konsumrangliste ganz unten stehen. Dies zu ändern, setzt ohne das ewige Lamento über eine gerechte Kostenverteilung oder eventuelle Trittbrettfahrer eine große Werbekoalition von Industrie und Handel voraus. Die Shop-Systeme der Industrie sind kein Angriff auf den Einzelhandel, sondern Unterstützung. Bei dem langen Kaufrhythmus bei Bettwaren bedarf es dringend einer Umgestaltung vieler unserer Fachgeschäfte, damit die Kunden öfter unsere Geschäfte frequentieren. Das lässt sich sicher auch durch Trendartikel des Wohnens, Dekorierens und des Lifestyles erreichen.

Baretti: Am Ende unserer Reise ein paar Kernthesen: Vorwärts in die Zukunft.

Schucht: Die Diktatur des Preises muss fallen: Billiger können andere besser, aber besser können wir.

Baretti: Industrie und Bettenfachhandel müssen ihre Kräfte im Rahmen strategischer Allianzen stärker bündeln: Gemeinsam geht es besser.

Schucht: Das Spektrum eines Marketingverbands muss so strukturiert sein, dass sich seine Mitglieder ihrer Bestimmung widmen können: Einzelhandel findet im Verkauf statt.
aus Haustex 07/04 (Handel)