Konsumtrends in sechs europäischen Ländern

"Geiz ist geil" - Megatrend mit Happy-End?


NÜRNBERG - Handel und Industrie fürchten seit geraumer Zeit das Schreckgespenst des auf Schnäppchen fixierten Konsumenten. Dieses Phänomen gilt in Deutschland aktuell noch genauso wie in den Jahren davor. Anders die übrigen europäischen Länder: Dort achten Verbraucher heute weniger auf den Preis als früher. Nur die Italiener sind heute preisorientierter als je zuvor.

Einer Studie der GfK zufolge sind so genannte Schnäppchenjäger eine klar abgrenzbare, zugleich aber auch heterogene Zielgruppe, die - richtig angesprochen - ein enormes wirtschaftliches Potenzial beinhaltet.

Weder in Deutschland noch in den fünf weiteren untersuchten Ländern Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Spanien gilt die Schnäppchenjagd als neues Phänomen. Allerdings scheint deutschen und polnischen Verbrauchern der Preis mit Abstand wichtiger zu sein als ihren europäischen Nachbarn. So achteten in Deutschland bereits zu Zeiten wirtschaftlichen Wachstums Mitte der 90-er Jahre mehr als die Hälfte der Verbraucher beim Einkauf von Konsumgütern auf den Preis.

Mit der Entzauberung des New Economy-Hypes und der einsetzenden wirtschaftlichen Schwächephase stieg die Zahl der Preissensiblen in der Bundesrepublik weiter an: 1999 waren es 55 Prozent und zwei Jahre später erreichte sie mit 56 Prozent ihren Höhepunkt, der auch 2003 anhielt. Im Verhältnis dazu gibt es in Polen mit einem Anteil von 62 Prozent zwar noch mehr preisbewusste Konsumenten als in Deutschland. Allerdings ist deren Anteil seit dem Jahr 2001 bereits um 4 Prozentpunkte zurückgegangen.

Die Konsumenten in den vier anderen europäischen Ländern sind bei Weitem nicht so preissensibel wie die in Deutschland und Polen. Dafür bildet Italien eine bemerkenswerte Ausnahme im Hinblick auf die Änderung der Einstellung zur Preisorientierung: Es ist das einzige Land, in dem der Anteil der Preissensiblen von 2001 auf 2003 um 6 Prozentpunkte auf insgesamt 44 Prozent gestiegen ist. Allerdings ist der Anteil der preisbewussten Konsumenten im Vergleich zu den europäischen Nachbarn in Italien insgesamt nach wie vor niedrig. Für die Briten, Franzosen und Spanier hingegen verliert der Preis offensichtlich zunehmend an Bedeutung.

Schnäppchenjagd in Europa

Eine Facette der Preisorientierung sind Sparzwänge auf Grund finanziell problematischer Einkommensverhältnisse. Im Vordergrund des viel zitierten Werbeslogans "Geiz ist geil" steht aber nicht die ökonomisch erzwungene Preissensibilität. Es geht um hochpreisige Produkte, nicht um alltägliche Konsumgüter. Auch in Zeiten, in denen das Sparen überall thematisiert wird, besteht durchaus das Bedürfnis, sich durch exquisite Dinge zu verwöhnen.

Wie sehen nun diese besonderen Schnäppchenjäger aus, die nicht aus einer wirtschaftlichen Zwangslage heraus nach Sonderangeboten suchen, sondern eher nach günstigen und somit legitimen Gelegenheiten zu lustvollem Konsum? Der Studie zufolge bilden drei attraktive, aber eben unterschiedlich anzusprechende Zielgruppen das Fundament dieser Verbraucherbewegung, zu der 32 Prozent der Europäer zu zählen sind.

Die ersten beiden Gruppen sind die so genannten "Träumer" und die "Abenteurer". Hierbei handelt es sich um vornehmlich junge, modebewusste und risikofreudige Singles mit stark materialistischer Wertestruktur, die sich durch den Konsum passender Marken profilieren wollen, und sich durch diese Werbebotschaft in ihrem Handeln absolut legitimiert fühlen. Am ehesten findet man sie in Italien mit 28 Prozent der Verbraucher, in Polen mit 21 Prozent und in England mit 22 Prozent, während ihr Anteil in Deutschland bei 18 Prozent liegt.

Als dritte Gruppe im Bund der Konsum-Hedonisten fungieren die "Weltoffenen". Diese stark weiblich geprägte Gruppe in den besten Jahren, der in Deutschland 12 Prozent der Bevölkerung angehören, pflegt einen gehobenen Lifestyle und ist hochwertigen Innovationen gegenüber sehr aufgeschlossen. Abgesehen von England und Spanien mit einem Anteil von 12 Prozent ist sie in anderen Ländern deutlich schwächer vertreten, nämlich in Italien mit 10 Prozent und in Polen mit 4 Prozent.

Exakt abgegrenzte Zielgruppen, für die Konsum mehr bedeutet als nur Preisvergleiche anzustellen, bestehen also in allen europäischen Ländern. Die für Konsumgüterindustrie wie klassischen Handel gleichermaßen riskante Spirale steter Preissenkungen in Gang zu setzten, ist für diese Gruppe kontraproduktiv. Ein günstiger Preis kann zwar einmal als Kaufkriterium herangezogen werden, wer sie jedoch dauerhaft erreichen will, sollte differenzierte Marketingstrategien verfolgen, bei denen beispielsweise Faktoren wie Design, Qualität und Innovation individuell abgestuft zum Tragen kommen.

Die genannten Ergebnisse stammen aus einer Studie des GfK-Nürnberg e.V. in Verbindung mit der Lebensstil-Typologie Euro-Socio-Stye. Befragt wurden Ende 2003 rund 7.000 repräsentativ ausgewählte Personen aus sechs europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Spanien). Weitere Informationen zur Studie: GfK Lebensstilforschung, Tel. 0911395-3638 oder -2700, lifestyleresearch@gfk.de.
aus Haustex 04/04 (Handel)