Studie: "Der Markt für Fachsortimente im großflächigen Einzelhandel 2003"

Die Zukunft liegt in der Inszenierung von Erlebnissen

Der Fachhandel kämpft seit Jahren mit rückläufigen Umsätzen. Diese Zustandsbeschreibung ist auch im Sommer 2003 zutreffend. Die Preise verfallen zusehends. Dabei ist dieser Rückgang keinesfalls nur konjunkturell bedingt. Die Handelsstruktur in Deutschland befindet sich in einer tiefen Krise. Verkaufsflächen und Vertriebsformen entsprechen nicht mehr den Vorstellungen vieler Konsumenten. Die lange Jahre Richtung weisende, klassische Trennung zwischen Hochpreis- und Discountkunden existiert nicht mehr. Derselbe Kunde kauft bei Aldi und im Designershop, während sich der Markt weiter polarisiert. Diesem Thema hat sich die Unternehmensberatung Titze GmbH angenommen und eine umfangreiche Marktstudie erarbeitet, in die auch die für unsere Leser wichtigen Produktgruppen Badtextilien, Bettwaren, Bettwäsche oder Textilen/Stoffe Eingang fanden. Nachfolgend daraus einige interessante Auszüge.

Der Endverbraucher unterscheidet heute konsequent in notwendigen Versorgungskauf und freiwilligen Erlebniskauf. Die Folge ist eine starke Abnahme des mittleren Marktsegments mit standardisierten Massenangeboten.

Zugleich ist der Kunde heute zunehmend emanzipiert und hat höhere Erwartungen an die Handelslandschaft. Doch diese werden nur unzureichend erfüllt. Der Endverbraucher hat die Situation erkannt und straft den Handel mit konsequenter Kaufzurückhaltung. Dies gilt inzwischen für alle großflächigen Vertriebsformen des Einzelhandels. Was heute fehlt, sind Emotionen sowie die Kunst, Begehrlichkeit und Wohlgefühl für alle Einrichtungsfragen zu erzeugen. Dabei sind es gerade die Fachsortimente, die Leben in das Themenumfeld Wohnen bringen können. Geeignete Vermarktungskonzepte eröffnen den Fachsortimentsherstellern gerade im großflächigen Handel erhebliche Absatzchancen.

Doch leider werden häufig gut durchdachte Vermarktungskonzepte im Handel nicht umgesetzt. Nur allzu häufig ist heute der Preis das einzige Differenzierungskriterium zwischen Fachhandel und Discount. Auch die Kommunikation mit dem Endverbraucher wird ausschließlich vom Preis bestimmt. So wird nur eine bestimmte Zielgruppe zum Kauf animiert, nicht aber das kaufkräftige Klientel, das die meisten Hersteller und Händler sich jedoch wünschen. Dieser Weg führt in eine Sackgasse, aus der es kein Entrinnen mehr gibt.

Festgelegtes Ziel der Studie war es, die Marktstrukturen des Gesamtthemenkomplexes Fachsortimente in Deutschland aktuell zu durchleuchten. Betrachtet wird der gesamte großflächige Einzelhandel. Gerade Kaufhäuser und SB-Warenhäuser spielen bei der Vermarktung von Fachsortimenten eine wichtige Rolle. Der Inhaltsteil beschreibt die heutige Marktsituation und die zukünftige Entwicklung für Fachsortimente mit einem wertenden Ausblick bis 2010. Im Anhang findet sich ein Überblick von Tabellen und Grafiken.

Rahmenbedingungen

Jeder Markt und der Absatz von Fachsortimenten verhält sich nicht anders, ist abhängig von den bestehenden Strukturen, die seine Entwicklung beeinflussen. Auch bei Fachsortimenten spielen verschiedene Rahmenbedingungen eine bedeutende Rolle. Sie bestimmen das Produktangebot, die Entwicklung der Vertriebswege und auch die zukünftige Entwicklung des gesamten Themenkomplexes Fachsortimente. Folgende Rahmenbedingungen prägen die nächsten Jahre. Viele dieser Rahmenbedingungen, aber nicht alle, geben positive Signale für die zukünftige Marktentwicklung:
- Die Wirtschaftssituation in Deutschland ist aufgrund verschiedener nationaler und internationaler Probleme als schwierig einzustufen.
- Der Wohnungsbestand und der Wohnflächenbestand steigen zwar nur langsam aber kontinuierlich an.
- Die Endverbraucher leben durchschnittlich länger, die Anzahl der Senioren steigt und damit auch die Ansprüche an eine Wohnungseinrichtung und deren Dekoration, die auf die Bedürfnisse der älteren Menschen stärker abgestimmt ist als in der Vergangenheit.
- Die Zielgruppen verändern sich aufgrund signifikanter Entwicklungen in Lebensauffassung, Lebensweise, Werteprioritäten und sozialer Lage. Handel und Industrie müssen diese Veränderungen verinnerlichen und sich den neuen Gegebenheiten stärker anpassen.
- Bestehende Lebensstile ändern sich, neue Lebensstile entstehen. Der Einfluss auf die Wohnungseinrichtung und damit auch auf die Küchenausstattung wechselt dadurch schneller als in der Vergangenheit. Kenntnisse dieser Entwicklungen sind wichtiger als jemals zuvor.
- Kaufentscheidungen werden in zunehmendem Maße von Frauen vollzogen.

Verkaufserfolg muss geplant werden

Zielgruppenorientierung wird also wichtiger denn je. Der Verkaufserfolg muss heute exakt geplant werden. Hierzu sind schlüssige Konzepte erforderlicher als jemals zuvor. Viel zu häufig vermisst man derartige Konzepte jedoch. Trotz positiver Rahmenbedingungen für den Absatz von Fachsortimenten innerhalb der Bevölkerung führen signifikante Managementfehler immer wieder zu individuellen Problemen. Nicht anders ist es zu erklären, dass noch immer Produkte im Vordergrund des Denkens stehen. Erfolgreiche Branchen hingegen:
- Vermarkten längst schlüssige Konzepte am P.O.S.
- Optimieren die Warenlogistik.
- Nutzen die Meinung der Endverbraucher für ihre Produktentwicklung.
- Gewinnen Stammkunden durch Kunden orientiertes Reklamationsverhalten.
- Internationalisieren ihre Geschäftsaktivität und gewinnen dadurch Marktzuwachs.

Das Marktvolumen für Fachsortimente betrug zum Stichtag Ende Juni 2003 12,806 Mrd. Euro. Das sind annähernd 8 Prozent weniger als noch 15 Monate zuvor. Nur noch 24,7 Prozent dieser Summe nach immerhin noch 28,3 Prozent vor 15 Monaten (dies entspricht nur 3,161 Mrd. Euro) werden über die in dieser Studie nicht näher untersuchten sortimentsrelevanten Fachhandelsvertriebswege verkauft.

Die herausragende Position der sonstigen Vermarktung ist zwar noch gegeben, aber der Anteil ist um rund 2 Prozent auf 42,5 Prozent abgesunken. Alle anderen Vertriebsformen profitieren von dieser Entwicklung. Besonders gut sichtbar wird das bei der Betrachtung der absoluten Umsätze pro Vertriebsform. Möbelfachhandelsunternehmen, Möbelmitnahme und -discount sowie Bau- und Heimwerkermärkte erzielen annähernd den gleichen Umsatz wie vor 15 Monaten.

Die sonstige Vermarktung hingegen verliert 328 Mill. Euro, und das obwohl wesentlich höhere Umsätze über Lebensmitteldiscounter aber auch von Versandhandel und E-Commerce verwirklicht werden. Die großen Verlierer waren ganz offensichtlich zuletzt Kaufhäuser und SB-Warenhäuser, die es nicht verstanden haben, ihre überragende Marktposition in dieser Größenordnung zu behaupten.

Immer mehr Handelsunternehmen beschäftigen sich außerhalb des jeweiligen sortimentsrelevanten Fachhandels mit Fachsortimenten. Immer mehr Anbieter vertreiben in Deutschland in den analysierten Vertriebswegen Fachsortimente. Vorwiegend liegt dies an der Tatsache, dass der jeweilige sortimentsrelevante Fachhandel allein die Absatzerwartungen der Anbieter nicht erfüllt. Die Folge ist ein systematisches Ausweichen auf neue Vertriebswege. Gerade die letzten Jahre haben diese Entwicklung erheblich beschleunigt.

Zusätzlich führt die Einführung des Euro in zunehmenden Maße dazu, dass ausländische Anbieter den deutschen Markt direkt bedienen oder aber für den zentraleuropäischen Raum eine Vertriebsgesellschaft gründen, die dann mehrere Länder betreut. Zum Erhebungsdatum der Studie wurden 1.773 Anbieter erfasst. Das sind bei rückläufigem Markt nochmals 326 mehr als noch vor 15 Monaten. Dabei entwickelt sich der Anteil der inländischen Anbieter von 71,6 Prozent auf nur noch 65,4 Prozent deutlich rückläufig.

Fachsortimente in der Zukunft

Fachsortimente sind für den gesamten großflächigen stationären Einzelhandel inzwischen zu einem entscheidenden Umsatzträger geworden. Gerade in Zeiten, in denen die Verbraucher beim Kauf von Einrichtungslösungen sehr zurückhaltend geworden sind, bilden die Fachsortimentsabteilungen eine wichtige Umsatzstütze vieler Einzelhändler. Fachsortimente sind ein Bargeschäft. Bareinnahmen erhöhen die Liquidität. Entsprechend sorgfältig sollte mit der Vermarktung dieser Produkte verfahren werden.

Klassische Managementfehler jedoch haben eine positivere Entwicklung bei Fachsortimenten verhindert. Das nachhaltige Festhalten am Status Quo ist wenig produktiv, notwendige Innovationen werden dadurch vielfach verhindert. Hier ist jeder Unternehmer selbst gefordert. Konzepte müssen entwickelt werden, die für ein Unternehmen die richtige Strategie festlegen. Anschließend muss diese Strategie konsequent umgesetzt werden.

Wichtigstes Kriterium bei der Vermarktung der Fachsortimente ist schon heute die kompetente Warenpräsentation. Hier reicht nicht die Boutique, die ihr Sortiment ansprechend präsentiert. Statt dessen sollten die Fachsortimente in einem ansprechenden Rahmen gemeinsam mit den Möbeln zu Wohnbildern dekoriert werden, um dann in der gut sortierten Boutique schnell wiedergefunden und gekauft zu werden. Der Kunde erhält so durch die dekorative Präsentation der Produkte schnell Gestaltungsideen für die eigenen vier Wände, zusätzlich wird durch eine geschickte Verbindung zwischen Möbeln und Accessoires das notwendige Flair für ein positives Einkaufsgefühl vermittelt. Darüber hinaus wird der Einzelhandel die folgenden Themen ebenfalls im Auge behalten müssen:

- Shop-in-Shop-Präsentationen
- Themenorientierte Ausstellungen
- Häufig wechselnde Dekorationen (Jahreszeit/Themen)

Standort ist überlebenswichtig

Der zunehmende Wettbewerbsdruck fordert die aktive Vermarktung. Da können durchaus Häuser mit kleinen Verkaufsflächen ideenreicher sein als größere. Fachmarktkonzepte sind hier gefragt und werden zukünftig stärker Fuß fassen. Daneben werden Standortfragen an Bedeutung gewinnen. War der Standort in den frühen neunziger Jahren, wo Einzelhändler häufig die Ware nur verteilen mussten, noch weniger bedeutend, wird er durch die verschärfte Absatzsituation überlebenswichtig.

Der richtige Standort, verbunden mit dem richtigen Sortiment und dem Zielgruppen gerechten Werbeauftritt ist auch heute noch die halbe Miete für ein erfolgreiches Handelsgeschäft. Sicherlich wird sich der gesamte stationäre Handel zukünftig noch stärker mit dem Versandhandel auseinandersetzen müssen. Der Versandhandel denkt auch bei Fachsortimenten systematisch Zielgruppen orientiert und profitiert erheblich von folgenden Rahmenbedingungen:
- Kaufzurückhaltung im stationären Handel durch fehlende Kaufanreize.
- Servicewüste Deutschland - im gesamten großflächigen Einzelhandel können exzellente Fallstudien erstellt werden.
- Kundenorientierung im Versandhandel (Bestellhotline, Lieferservice, Reklamationshandling).
- Zielgruppengerechte Kataloge.
- Einkauf aus dem Wohnzimmersessel.
- Einbindung des Mediums Internet in die Vertriebsaktivitäten.

Aufgrund der unterschiedlichen Entwicklungen im Markt, der Gesellschaft und der Gesetzgebung stehen viele Unternehmen heute vor neuen Herausforderungen, um auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung im Markt beizubehalten, ja wenn möglich sogar ausbauen zu können. Der Massenabsatzmarkt der 60er und 70er Jahre sowie der Wiedervereinigungsboom der frühen 90er Jahre haben sich zwischenzeitlich in kleine, schwer definierbare Zielgruppen aufgespalten, die sich schnell ändern und schwer erreichbar sind.

Kein Unternehmen wird also daran vorbeikommen, intensiv mit seinen Kunden zu kommunizieren. Dies erfordert nicht nur maßgeschneiderte Produkte, sondern auch exakt auf die Produkte abgestimmte Vertriebswege. Segmentierung und interaktives Zielgruppenmarketing sind hier die Schlüsselbegriffe. Die finanzstarke Käuferschicht 50 plus wird ein hart umkämpftes Klientel sein.

Die neue Sprache des Konsums

Verkaufsflächen und Vertriebsformen im stationären deutschen Einzelhandel entsprechen häufig nicht mehr den Vorstellungen der Konsumenten, so ist Kaufzurückhaltung die logische Folge. Dabei wird der Konsument zunehmend unberechenbar. Dies gilt sowohl für die Wahl seiner Einkaufsstätte als auch für die Bereitschaft, den ausgezeichneten Preis in voller Höhe zu bezahlen. Nichts passt mehr in die Koordinationssysteme der gängigen Konsum- und Lebensstile der vergangenen Jahre. Neue Vertriebswege, und hier zuallererst das Internet und die spezielle Individualisierung der Endverbraucher schaffen eine neue Marktrealität, eine neue Sprache des Konsums.

Neben den Luxusartikeln wird die neue Preiswürdigkeit an Bedeutung gewinnen. Die Billigangebote, zum Beispiel bei Online-Auktionen (siehe den Erfolgsweg von ebay), etablieren eine psychologische Umdrehung der Angebotsrichtung, in dem die Kunden einen Preis bieten können, den sie für ein Produkt zu bezahlen bereit sind. Der Kunde ist hier der Anbieter. Der Hersteller muss liefern oder er wird das Geschäft nicht machen.

In Zukunft ist eine Ausweitung dieses Nachfrageprinzips zu erwarten. Konsumenten werden mit Hilfe des Internets ständig als Schnäppchenjäger unterwegs sein. Hersteller wie Händler werden sich in den nächsten Jahren entscheiden müssen, in welchen Bereich sie sich begeben. Entweder in den richtigen Luxussektor, dem eine Renaissance bevorsteht, oder ins breite Feld des permanenten Preisvorteils. Während es bei zweiterem auf Geschwindigkeit, Größe und Marketingpower ankommt, geht es im Luxussegment zunehmend um Stilsicherheit und konsequenten Markenaufbau. Um in Zukunft bei den sich gewaltig verändernden Marktgegebenheiten zu überleben, müssen alle Einzelhändler umdenken. Die Zukunft des Handels liegt ohne Frage in der Inszenierung von Erlebnissen.

Händler und Zwischenhändler, die nicht viel mehr tun, als Ware zu präsentieren, werden aussterben - das ist die schlichte aber dramatische Botschaft des Internets. Die Umsätze in den neuen Vertriebswegen werden in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen. Branchenspezifische Dienstleister bieten zum Teil hochkarätiges Know-how, das es von den Handelsunternehmen anzunehmen und umzusetzen gilt. Mitarbeiterqualifikation soll hier als Beispiel hervorgehoben werden.

Die stationären Handelsunternehmen werden noch stärker gefordert sein, ihr Personal besser zu schulen. Die verschärfte Wettbewerbssituation macht eine derartige Entwicklung erforderlich.

Jedes Handelsunternehmen ist nur so gut wie sein Personal. Heute ist das Personal zumeist wenig motiviert und nur selten Endverbraucher orientiert eingestellt. Aber nur wer es lernt, die Wünsche der Verbraucher zu verstehen und auf diese einzugehen, wird zukünftig zu den Gewinnern gehören.

Hinweis: Die Marktstudie kostet 2.000 Euro zzgl. MwSt. und Versandkosten und kann bezogen werden bei der Unternehmensberatung Titze GmbH, Neuss,
Tel. 0 21 82 / 87 12 00
Fax 0 21 82 / 8 71 20 22
E-Mail: info@titze-online.de
aus Haustex 01/04 (Handel)