Vinyl-Böden drängen in den Holzhandel

PVC-Designbeläge mit Klickverbindung ergänzen Fertigparkett und Laminat

In den vergangenen Jahren ist eine neue Bodenbelagsgattung entstanden und hat sich sehr schnell einen Platz auf dem europäischen Markt erobert. Die Rede ist von Mehrschichtböden mit einem HDF-Kern, einem Gegenzug und mit einer Nutzschicht u.a. aus Vinyl. Also ein Vinyl-Fertigboden mit Klickverbindung. Zweifelsfrei hat dieser Belag dem Laminat, dem Mehrschichtparkett und den Kork-Fertigböden - neben der Erschließung neuer Konsumentenkreise - Marktanteile abgenommen. Nun kommt ganz plötzlich eine wesentliche Änderung der Produktkonstruktion ins Spiel - eine Vinylplatte in rund 5mm Dicke, die auf Träger und Gegenzug verzichtet und in die die Klickprofilierung direkt gefräst wird.

Zum besseren Verständnis der hinter dieser Produktentwicklung stehenden Logik ist es sinnvoll, die Märkte von PVC-Belägen und Mehrschichtböden zur schwimmenden Verlegung im Vergleich zu betrachten. Der Kunststoff Poly-Vinyl-Chlorid (PVC) wird schon sehr lange auch als Bodenbelag genutzt. Stichworte aus der Vergangenheit sind homogene PVC-Fliesen, PVC-Rollenware oder heterogene PVC-Fliesen mit einer besonders dekorativen Oberseite. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und neben vielen anderen Herstellern standen Firmennamen wie Mipolam, Forbo und Amtico hinter diesen Produkten. Mit Ausnahme der PVC-Rollenware, die auch schon einmal etwas unprofessionell lose verlegt wurde, war allen Produkten die notwendige vollflächige Verklebung mit dem Unterboden gemein.

Eine gigantische Veränderung der gesamten Bodenbelags-Philosophie setzte in den siebziger und mit Macht in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein. Angefangen beim schwimmend verlegbaren Mehrschichtparkett, das langsam aber sicher Stab- und Mosaikparkett sowie Dielenböden die Marktführerschaft abnahm, mischte der Laminatboden erst richtig die Szene auf. Es folgten zu Beginn der neunziger Jahre Mehrschichtböden mit Kork und später Linoleum als Laufschicht. Eigentlich unverständlich, dass erst vor rund fünf Jahren Hersteller auf die Idee gekommen sind, heterogene PVC-Platten als Oberschicht eines Mehrschichtbodens zur schwimmenden Verlegung zu produzieren. Diese Belagsgattung ist heute ein ernst zu nehmender Konkurrent für hochwertige Laminatbeläge, Kork und Mehrschichtparkett, wegen der relativ hohen Kosten allerdings kein wirklich ernstzunehmender Wettbewerber für Laminat-Massenware.

Eigenschaften schwimmend verlegbarer Vinyl-Böden

Vor zwei Jahren, zur Domotex 2009, präsentierte Windmöller Flooring mit der Kollektion "Design-Line Connect Bacana" den ersten schwimmend verlegbaren Vinyl-Boden, der auf den HDF-Träger verzichtete. Die mehrschichtig aufgebauten Kunststoffplatten im Format von 1.212x185x5mm sind mit einem Klickprofil ausgestattet und können schwimmend verlegt werden. Für das Klick-Profil einer PVC-Platte ohne Holzwerkstoffträger besitzt Windmöller ein eigenes Patent, das über den belgischen Laminatproduzenten Unilin weltweit an andere interessierte Hersteller vermarktet wird.

Windmöller setzt bei der Konstruktion der verschiedenen Vinylschichten auf eine eingearbeitete Glasfaserverstärkung. PVC ist ein thermoplastischer Baustoff, der bei hohen Temperaturen weich wird und verformbar ist. Bei der minimalen Materialstärke von rund 5mm kann man sich leicht vorstellen, dass die Präzision der Fräsung des Klickprofils mit Toleranzen im Bereich von 1/10mm oder sogar noch darunter erfolgen muss. Was passiert mit dem sicheren Halt der Verriegelung, wenn sich das Material durch den Einfluss einer Fußbodenheizung oder extremer Sonneneinstrahlung erheblich erwärmt? Andere Hersteller verzichten möglicherweise aus Kostengründen auf die Glasfasermatte und arbeiten stattdessen mit einer Beimischung von Kalziumkarbonat.

Im Vergleich zu Vinyl-Mehrschichtböden mit einem Holzwerkstoffträger stechen die Vorteile sofort ins Auge. Die Feuchtraumeignung ist deutlich verbessert, da die etwaige Problematik einer quellenden HDF-Platte entfällt. Hinzu kommt die extrem geringe Aufbauhöhe, ohne dadurch an Strapazierfähigkeit einzubüßen. Von Bedeutung ist sicherlich auch die sehr leichte Verarbeitung. Notwendige Schnitte können mit einem einfachen Teppichbodenmesser durchgeführt werden. Außerdem dürften die Produktionskosten etwas geringer sein.

Nachteilig ist hingegen, dass der Unterboden perfekt vorbereitet werden und absolut eben sein muss. Bei einem Holzwerkstoffträger lassen sich minimale Unebenheiten noch ausgleichen oder überbrücken. Der nur rund 5 m starke PVC-Belag verzeiht hingegen keinerlei Unebenheit im Unterboden, die sich sofort unschön auf der Oberfläche abzeichnen würde.

Stark ausgeweitetes Angebot

Viele Markteilnehmer sind offensichtlich vom Erfolg der reinen Vinyl-Böden mit Klickprofil überzeugt. Die Messen in Hannover und München boten eine Plattform für mindestens sieben zusätzliche Hersteller und weitere fünf "Quasi-Hersteller", die von einem der acht Produzenten mit einer Eigenmarke beliefert werden. Mit anderen Worten: Die Zahl der Anbieter dieser neuen Bodenbelagsart hat sich über Nacht von einem auf mindestens dreizehn Anbieter erweitert.

Eine derartige Explosion der Angebotsstruktur deutet auf einen harten Wettbewerb hin. Preiskämpfe sind vorgezeichnet.

Erwähnenswert ist, dass nahezu sämtliche Marktteilnehmer das fertige Produkt in Asien produzieren lassen oder selbst in Asien eine eigene Produktionsstätte unterhalten. Taiwan, Korea und natürlich China sind die Ursprungsländer. Ausnahmen sind Gerfloor und Windmöller.


Neue Vinylbeläge mit Klick-System


Ein Zwischenruf von Jürgen Früchtenicht

Das neue Produkt stellt sicherlich eine Bereicherung des Marktes dar. Hoffen wir, dass alle jetzt auf den Markt drängende Produkte technisch ausgereift sind und in einem hoffentlich heißen Sommer 2011 sich nicht viele Klick-Verbindungen wegen der thermoplastischen Eigenschaft von PVC lösen und eine Reklamationsflut den Markt erschüttert.

Besorgnis erregend ist die Tatsache, dass es bisher kaum europäische Hersteller gibt. Viele der in der Tabelle aufgeführten Hersteller sind in Wirklichkeit nur Quasi-Hersteller. Es handelt sich um Handelshäuser, die exklusiv einen asiatischen Hersteller vermarkten. Im Kern bleibt die Denkweise derartiger Händler eben die eines Händlers und nicht die eines Herstellers. Händler denken oft in kürzeren Zeitintervallen und reagieren flexibler hinsichtlich der Preisgestaltung.

Wenn aus einem Anbieter innerhalb von wenigen Wochen mehr als zehn Wettbewerber werden, sind Preiskämpfe programmiert. Die Tatsache, dass eines dieser Unternehmen nicht davor zurückgeschreckt hat, als Auftakt mit einer großen Baumarktkette in Deutschland eine Aktion zu fahren, in der das Produkt zum halben Preis gegenüber dem bisherigen Marktpreis verkauft worden ist, zeugt von extremer Kurzsichtigkeit.
aus Parkett Magazin 02/11 (Bodenbeläge)