Stiftung Warentest fühlte Matratzenanbietern verschiedener Vertriebsformen auf den Zahn
Fachhandel auf einer Stufe mit dem Roller-Markt?
HERFORD - Der von der Stiftung Warentest durchgeführte "Test Matratzenkauf", der in der jüngsten September-Ausgabe der Verbraucher-Bibel "test" auf den Seiten 68 bis 72 veröffentlicht wurde, hat in der gesamten Branche höchst kontroverse und teilweise heftige Reaktionen ausgelöst. Deren Bandbreite reicht von unverhohlener Schadenfreude über hilflose Kenntnisnahme bis hin zu heller Empörung und hektischem Schriftverkehr.
Was ist geschehen? - Unter der Überschrift "Hauptsache verkaufen" sowie der Einleitung "erschreckende Ergebnisse für die Matratzenhändler: Fast jeder zweite berät mangelhaft" starteten die Warentester der Nation zu einem breit gefächerten Verriss des bundesdeutschen Matratzenhandels. Die herbe Kritik betraf einerseits die empfohlenen Produkte - etliche ältere oder ungeeignete Modelle - aber vor allem die beim Gros der Testkäufe gar nicht vorhandene oder zumindest fehlerhafte Beratungsleistung. Die Crux für den Bettenfachhandel: Auch die Berater der fünf beteiligten Fachhandelsunternehmen wussten die insgesamt 90-mal tätigen, geschulten Testkäufer, "eine kleine, leichte Frau, einen mittelgroßen und -schweren Mann sowie einen großen, schweren Mann", keineswegs zu überzeugen.
Betten Rid vorn, der Kaufhof hinten
Das hat dazu geführt, dass keiner der teilnehmenden 15 Anbieter die Gesamtnote "gut" erhielt, wobei außer den fünf Fachhändlern noch fünf Fachhandelsketten oder Matratzendiscounter sowie fünf Einrichtungs- oder Kaufhäuser getestet wurden. Elf von ihnen mussten sich am Ende mit einem durchschnittlichen "befriedigend" begnügen, während vier ein mageres "ausreichend" erzielten. Während die Beratungskriterien mit einer Gewichtung von 50 Prozent in die Beurteilung einflossen, entfielen auf die ausgesprochene Matratzenempfehlung 30 Prozent und auf das Beratungsumfeld 20 Prozent. Dank der von eigener Seite immer wieder gern beschworenen Beratungskompetenz ein klares Heimspiel für den Bettenfachhandel, sollte der geneigte Leser meinen. Doch weit gefehlt: In der nach Noten gestaffelten Testübersicht rangiert beispielsweise Betten Zellekens, Frankfurt / Main, mit einer glatten 3,0 vor dem mit über 400 Filialen in Deutschland vertretenen Dänischen Bettenlager mit Sitz nahe Flensburg (3,0), Betten-Nordheim in Berlin (3,1) und dem 67 Filialen zählenden Einrichtungs-Discounter Roller, dessen Zentrale in Gelsenkirchen steht (3,1). Bei den genannten Unternehmen handelt es sich um das gute Mittelfeld einer Noten-Tabelle, die von Betten Rid in München (2,6) angeführt und vom Galeria-Konzept der Kaufhof Warenhaus AG in Köln (3,7) beendet wird. Ärgerlich für den Bettenfachhandel ist zweifellos, dass der Verbraucher anhand der Testeergebnisse den Eindruck gewinnen muss, dass er im Fachgeschäft bei ebenso schlechter Beratung keine besseren, sondern allenfalls teurere Matratzen bekommt wie beim Wettbewerb.
Niemand plaudert ein Geheimnis aus, wenn er behauptet, dass die Kommunikation zwischen der Stiftung Warentest und dem bundesdeutschen Bettenfachhandel gegen Null tendiert. Das scheint aus Sicht der Warentester nur konsequent, da sie streng auf die Einhaltung ihrer vom Gesetzgeber vorgegebenen Unabhängigkeit bzw. Neutralität achten müssen. Andererseits haben die meisten bislang durchgeführten Matratzentests gezeigt, dass die ihnen zugrunde gelegten Auswahlkriterien sowie die aus den aufwändigen Prüfverfahren abgeleiteten Aussagen und Produktbewertungen zumindest unter Insidern aus Forschung, Industrie und Handel einigermaßen umstritten sind. Was vor allem den Fachhandel stört, ist die Tatsache, dass ein Teil der von ihm geführten Matratzen nie in einem Warentest auftaucht, weil die produzierten Stückzahlen dieser Modelle im Vergleich zum Mengengeschäft einfach zu gering ausfallen.
Beratung des Handels unzureichend?
"Auf den Rat des Händlers ist oft kein Verlass" titelt die Stiftung Warentest über einem separaten Text- und Tabellenfeld auf Seite 72 des Berichts, wo die "guten", laut Hersteller noch im Handel befindlichen Schaumstoff-, Schaumstoff/Latex-, Latex- und Taschenfederkern-Matratzen aus test 3/02 und test 3/03 aufgelistet wurden. Bei einer erstaunlichen mittleren VK-Bandbreite von 199 bis 1.050 Euro für das Standardmaß 90/200 cm werden in dieser Übersicht 18 für "gut" befundene Liegepolster unterschiedlichster Bauart von insgesamt 15 verschiedenen Produzenten/Anbietern aufgeführt. Da muss die Frage erlaubt sein, ob diejenigen Fachhändler, die nicht mit den genannten Herstellern zusammenarbeiten, jemals die Chance haben werden, ihren Kunden eine "gute" Matratze zu verkaufen. Die HAUSTEX-Redaktion sagt eindeutig "ja", denn unter den knapp 50 Matratzenherstellern, die wir mehrmals im Jahr mit Blick auf unsere entsprechenden Themenschwerpunkte anschreiben, gibt es garantiert noch den ein oder anderen zusätzlichen, dessen Produkte die Anerkennung der Warentester verdient hätten. Ganz sicher aber erinnern die in unserem Blatt abgebildeten Matratzen nicht an ein Altwarenlager aus den 70-er Jahren, in das es den Fotografen der Stiftung Warentest auf seiner vergeblichen Suche nach einem geeigneten Einstiegsmotiv verschlagen haben muss.
Was sich dem aufmerksamen Leser ebenfalls nur schwer erschließt, sind die mitunter eigenartigen Relationen zwischen der Bewertung der Beratungsqualität und der Beurteilung der empfohlenen Matratze. Nehmen wir einige Extrem-Beispiele: Hammer, Matratzen Concord, Matratzen Fachmarkt und Matratzen Real erhalten beim zentralen Punkt "Beratung" jeweils ein "Mangelhaft", bekommen aber für die von ihren Verkaufsmitarbeitern empfohlenen Matratzen "gute" Noten. Ähnliches gilt für das Dänische Bettenlager, den Schlummermarkt und Roller (Beratung jeweils "Ausreichend"; Empfehlung jeweils "gut"). - Wie können jedoch Verkäufer, die ihre Kunden offensichtlich schlecht beraten, mit solch traumwandlerischer Sicherheit "gut" geeignete Matratzen verkaufen?
Oder führen die gerade genannten Anbieter vielleicht ausschließlich Top-Matratzen, die bei Verkaufspreisen zwischen 80 (Matratzen Concord) und 400 Euro (Hammer) durchschnittlich sogar noch wesentlich günstiger ausfallen als die vom Fachhandel angebotenen Modelle, die zwischen 104 (Betten Richter) und 500 Euro (Betten Zellekens) kosten? Jedenfalls scheint laut Stiftung Warentest mit Ausnahme von Betten Rid, wo bei "befriedigenden" Beratungsleistungen "gute" Matratzen verkauft werden, kein weiteres getestetes Fachhandelsunternehmen in der Lage zu sein, Beratungsschwächen durch vernünftige Produkte wenigstens halbwegs auszugleichen. Folgerichtig lautet die keineswegs ernst gemeinte Botschaft an den Verbraucher: Matratzen unbedingt im Fachmarkt oder beim Discounter kaufen, egal, was einem dort erzählt wird!
An der Bedarfanalyse müssen alle feilen
Ziemliche Bauchschmerzen bereitet außerdem die Aussage, "dass die Tester mehrere typische Kundenprofile abdecken (Mann/Frau, verschiedene Körpergrößen und Gewichte, Hausstauballergie, Schwitzen, Lattenrost mit 4 bis 5 cm Lattenabständen)". Im Rahmen einer fundierten Schlafberatung, die bei einer guten Tasse Kaffee oder einem anderen Getränk mindestens eine Stunde dauert, avancieren die eben aufgeführten Stichpunkte zu selbstverständlichen Einstiegsfragen, ehe es anschließend ans Eingemachte geht. An dieser Stelle kommen dann persönliche Vorlieben beim Liegekomfort und vor allem eventuelle gesundheitliche Probleme wie Rücken-, Gelenk- oder Kreislaufbeschwerden zur Sprache, welche die exakte Anpassung bzw. Anmessung von sehr individuellen, ganzheitlichen Liegelösungen voraussetzen. In derartigen Fällen, deren Zahl auf Grund des wachsenden Bevölkerungsanteils älterer Menschen sowie der allgemeinen Zunahme von so genannten Zivilisationskrankheiten ständig steigt, ist es mit einer neuen Standardmatratze auf dem alten Lattenrost oftmals nicht getan. Das wiederum haben viele Fachgeschäfte erkannt, weshalb sie neben anspruchsvollem Liege-Equipment auch die adäquaten Dienstleistungen bis hin zur Nachsorge beim Kunden vor Ort anbieten. - Zu diesem ambitionierten Kreis gehören zweifellos auch einige der im Warentest "durchgefallenen" Fachhandelsunternehmen.
Allerdings sollte der Bettenfachhandel freimütig einräumen, dass angesichts wegbrechender Umsätze und Gewinne in den letzten Jahren die Beratungsqualität in etlichen seiner Häuser rapide nachgelassen hat, gerade weil unter dem Druck wirtschaftlicher Schwierigkeiten Personal abgebaut und manches Sortiment aus Angst vor der Marktmacht der Mengenanbieter voreilig auf konsumig getrimmt wurde. Noch vor außergewöhnlichen Produkten und Marketingkonzepten sind jedoch Motivation, Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter das eigentliche Pfund, mit dem der Fachhandel trotz aller Widrigkeiten und Engpässe im Geschäftsalltag wuchern muss. Nehmen die Fachhandelsunternehmer für die kontinuierliche Aus- und Weiterbildung bzw. die angemessene Bezahlung ihrer Mitarbeiter kein Geld in die Hand, werden künftige Matratzen- und Beratungstests ausschließlich bei Roller oder Matratzen Concord statffinden.
aus
Haustex 10/03
(Handel)