"Ein riesiger Markt für Exporteure"
Ist China ein Markt für deutsche Bettwaren?
Der Vortrag von Jutta Ludwig, Kammergeschäftsführerin des Delegiertenbüros der Deutschen Wirtschaft in Beijing, begann als Parforce-Ritt einer mit wirtschaftlichen Daten souverän jonglierenden Frau. Doch die nicht enden wollenden Fragen am Ende zeigten: Sie hatte das Feuer entzündet, das Interesse am gigantischen chinesischen Markt. Ein Vortrag über die "VR China: Größter Import- und Exportmarkt der Zukunft - Wie funktioniert er?"
Die Basiszahlen kommen gleich am Anfang, denn wer sich mit dem chinesischen Markt beschäftigt (und das sollte man nach Jutta Ludwig: "Wenn wir nicht frühzeitig in diesem Markt mitspielen, werden die Chinesen die Richtlinien bestimmen, die uns nicht recht sein können."), sollte seine Hausaufgaben ordentlich gemacht haben.
China ist, nach den USA, Deutschlands zweitwichtigster außereuropäischer Handelspartner, insgesamt der achtwichtigste. Deutschland ist seit Jahren wichtigster europäischer Investor in China. Im Außenhandel wurde ein Rekordwachstum verzeichnet. 2003 lagen die Exporte mit 438,37 Mrd. US-Dollar mit 34,6 Prozent im Plus, die Importe stiegen mit 412,84 Mrd. USD um 39,9 Prozent.
China ist inzwischen die viertgrößte Welthandelsnation und Deutschlands Handelspartner Nr. 1 in Asien. Deutschland wiederum ist Chinas Handelspartner Nr. 1 in Europa. Die Handelszahlen zwischen Deutschland und China sehen für 2003 wie folgt aus: Deutsche Exporte nach China: 18,2 Mrd. Euro, +24,9 Prozent; deutsche Importe aus China: 25 Mrd. Euro, +17,3 Prozent; deutsches Außenhandelsdefizit: 6,8 Mrd. Euro, +0,8 Prozent.
Chinas BIP lag 2002 bei 988 USD pro Kopf, 2003 bei 1.090 USD. Die Industrie nahm in der sektoralen Entstehung mit 53,4 Prozent den größten Teil ein, gefolgt von Dienstleistungen (32,1 Prozent und Industrie (14,5). Die Industrie hatte auch mit 12,5 Prozent die größte Steigerungsrate. Dienstleistungen wuchsen um 6,7 Prozent, die Landwirtschaft um 2,5 Prozent.
Die Makroökonomische Lage - Probleme und Prognosen
Bankenkrise, die Einführung von Sozialversicherungssystemen, eine wachsende Wohlstandsschere, Rohstoff- und Energiemangel zählen zu den problematischen Faktoren in der Volksrepublik. Es gibt eine kurzfristige Prognose: Wegen Überhitzungs- und Inflationsgefahr hat die Regierung, auch wegen Engpässen in der Energie- und Rohstoffversorgung, Dämpfungsmaßnahmen eingeleitet. 2004 wird daher das Wachstum mit ca. 9 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen. Langfristig gesehen dauere das hohe Wachstum allerdings an, bis 2020 erwarte man eine Verdreifachung des BIP pro Kopf auf 3.000 USD.
Wo werden Waren weltweit gekauft? Eine Gegenüberstellung der Jahre 2001 und 2015 lässt erkennen, welch eine atemberaubende Entwicklung der Konsumentenmarkt gerade in China nehmen könnte ( siehe Kasten ).
Die Wirtschaftsentwicklung in China verläuft strikt von Ost nach West. Guangzhou ganz im Süden, Shanghai und Beijing Richtung Norden sind die Hauptzonen, etwas weiter nördlich noch der so genannte Rostgürtel, in dem traditionell viel Stahlindustrie angesiedelt war (und wo vielleicht als erstes soziale Unruhen zu erwarten seien: "Den Arbeitern dort ging es früher besser. Unter dem Druck globaler Prozesse müssen sie viel effizienter arbeiten") Vielleicht könne man Chengdu etwas weiter im Landesinneren noch dazu zählen , dann wird die Karte der Standortansiedlungen gen Westen immer blasser.
"Die Ansprüche der Chinesen haben sich in den letzten fünf Jahren komplett geändert"
Jutta Ludwig warnt die deutschen Interessenten davor, den chinesischen Verbraucher zu unterschätzen und nicht ernst zu nehmen. In den letzten fünf Jahren hätte sich das Bild vor allem in den Metropolen und Wirtschaftszonen komplett geändert. Chinesen sind heute selbstbewusst und bestehen auch auf ihren Ansprüchen, sie sind qualitätsorientiert und häuslich. Die Einführung eines Sozialversicherungssystems würde bedeuten, dass die Menschen nicht mehr so viel sparen müssten, "ein Riesenpotenzial an Kaufkraft und Konsum wird entstehen." Ihre Empfehlung wäre es, Export- und Produktionsschiene zu koppeln.
Überschwemmung der Märkte mit chinesischen Textilien ?
Am 1.1.2005 wird die Quote abgeschafft, die zurzeit noch die Ausfuhr von Textilien und Bekleidung über ein Abkommen regelt. Wird dann der Markt mit chinesischen Textilien überschwemmt? Es gibt Quoten für die Ausfuhr von Baumwolle, Wolle, synthetische Fasern, Seide, Leinen und andere pflanzliche Fasern und deren Produkte. Zwischen den USA, Kanada und der EU wird mit den Kennzahlen 851/292/222 aufgeteilt. Die Quotenvergabe erfolgt über MofCom.
"Ein riesiger Markt für Exporteure"
Der Absatz ihrer deutschen Produkte interessierte die Zuhörer im "bed & more"-Forum deutlich mehr als die potentielle Bedrohung durch Importe. Der Export sei durch ein neues "Foreign Trade Law" auch deutlich erleichtert worden, erklärte Jutta Ludwig.
Man müsse zwar einen Firmensitz in China vorweisen, wenn man dort Handel betreibe, die erforderliche Geschäftslizenz gelte auch nur die jeweilige Stadt, sei aber ohne Probleme zu bekommen. Der Umweg über ein Joint Venture ist damit nicht mehr zwangsläufig - bisher wurde die Lizenz nur beim Nachweis einer Zusammenarbeit mit einem chinesischen Partner ausgestellt.
Aber wieder eine Warnung der China-Fachfrau: Wer sich nicht vorbereite, ordentliche Markt- und Wettbewerbsanalysen und ein Businessmodell erarbeite, sei verloren, "China ist kein Entwicklungsland mehr". Den Analysen sollte ein Markteintrittskonzept folgen, über Standortwahl, Absatzplanung, Logistik und Transport. Wer sich für einen Standort entscheidet, sollte die Vor- und Nachteile abgewogen haben:
Die Ostküste punktet mit hoher Flexibilität, Fachkräften, guter Logistik, einem Absatzmarkt, ist aber teurer. Im Binnenland sind Löhne und Standortkosten niedriger, dafür ist mit hohen Transportkosten zu rechnen und mit einem geringeren Absatzmarkt. Nordchina (der "Rostgürtel") kann auf niedrige Löhne und Standortkosten verweisen, hat als Nachteil aber die geringere Flexibilität der Arbeiterschaft.
Die fremde Welt war näher gerückt. Jutta Ludwig ließ auch die politische Situation nicht aus, erzählte von der engmaschigen Verknüpfung politischer und wirtschaftlicher Machtstrukturen. Wie weit könne man sich überhaupt auf eine stabile Situation verlassen? Im Moment sei das freiere System zum Selbstläufer geworden und damit in absehbarer Zeit sicher. "Alles in allem aber ... In den nächsten 15 Jahren würde ich in China durchaus investieren, dann aber wohl wieder mein Geld rausholen."
aus
Haustex 07/04
(Haustextilien)