Holy-Carpet aus Keschan?
Möglicherweise einst in Täbris geknüpft, wird er wegen seines Auffindens in der Moschee von Ardebil allgemein als Holy-Carpet bezeichnet, provenienztreu aber auch als Ardebil-Teppich. Es könnte jedoch durchaus sein, dass der berühmteste Knüpfteppich der Orientteppich-Kunstgeschichte aus Keschan stammt, denn in einer hellgrundigen Kartusche trägt er eine darauf hinweisende Inschrift in Nastalik, die mit zwei ähnlichen Versionen übersetzt wird; die Jahreszahl gibt das molslemische Jahr wieder:
1. "Ausser Deiner Schwelle bin ich in der Welt hier ohne Zufluchtsort. Meinem Haupte ist ausser dieser Pforte auch kein Anvertrauungsort. Verfertigt von dem Knecht der Schwelle Maqsud Keschani im Jahre 946."
2. "Ohne Dein Paradies gibt es für mich keinen Zufluchtsort in dieser Welt. Ausser hier gibt es keinen Platz für mein Haupt. Arbeit eines Dieners am Hofe, Maqsud von Keschan, 946."
1893 erwarb der in Diensten der Firma Ziegler & Co. Ltd., Manchester/GB, stehende Schweizer, Joseph Broglie, zwei gleichartige, allerdings sehr restaurierungsbedürftige, große Luxusteppiche. Broglie kaufte sie vom Imam der arg baufälligen Moschee von Ardebil. Der Geistliche brauchte dringend Geld, um das traditionsreiche Gebäude vor dem endgültigen Verfall zu retten. Die nebenstehende, zeitgenössische Abbildung verdeutlicht den damals äusserst beklagenswerten Zustand des Bauwerks, allerdings mit einem glückbringenden Storchennest seitlich auf der Kuppel.
Die größere der beiden Knüpfungen misst 11,52 m x 5,34 m und hat eine Knüpfdichte von ca. 520.000 Kn/qm. Dieser gewaltige Teppich ist quer an einer hohen Wand hängend im Victoria- und Albert-Museum in London in seiner ganzen Pracht ausgestellt. Die 946 AH = 1539 anno domini fertiggestellte Knüpfung aus der Safawidenzeit (1501-1722) wurde für die damals horrende Summe von zweitausendfünfhundert Pfund-Sterling vom Museum angekauft. Es war das erste mal, dass man einen derart immensen Betrag für einen antiken Orientteppich auskehrte. Hervorragend restauriert, wurde der Teppich schnell zum Star des berühmten Museums. Das etwas kleinere Pendant des Holy Carpets gehört der Paul Getty Stiftung und ist in den USA, in Malibu, Kalifornien, zu bewundern.
aus
Heimtex Orient 04/04
(Teppiche)