Ina und Alexander Flassak wagten Reise nach Afghanistan
Interessante alte und originelle Ware gekauft
Afghanistan zählt trotz der Beendigung der Herrschaft der Taliban nicht unbedingt zu den beliebtesten Reisezielen europäischer Teppicheinkäufer. Immer noch kommt es zu Unruhen. Auch die weitgehend zerstörte Infrastruktur des Landes lädt nicht gerade zu einer Einkaufstour ein. Dennoch wagten Ina und Alexander Flassak, die in Nürnberg das Fachgeschäft Magic Orient - Teppiche und Wunderbares betreiben, eine Reise in das früher bedeutende Knüpfland.
Das Nürnberger Ehepaar Flassak, das nach zahlreichen Einkaufsreisen in die verschiedensten Ursprungsländer der Teppichknüpfkunst über umfassende Orienterfahrungen verfügt, bezeichnet den Afghanistan-Trip im März 2004 als das spannendste Erlebnis unter den vielen Abenteuern, die Teppicheinkäufer bei ihren Besuchen in den entlegensten Winkeln der Welt erfahren können. Alexander Flassak hat es sich nicht nehmen lassen, seine ganz subjektiven Eindrücke von dieser Tour nieder zu schreiben. Er hat der Fachzeitschrift Heimtex Orient seinen Bericht zur Verfügung gestellt:
"Es begann alles auf der Domotex 2004 bei unserem Freund und Lieferanten Farid Shams. Wir beschlossen, zusammen eine Einkaufsreise nach Afghanistan zu unternehmen. Unser Weg sollte über Teheran nach Meshed und von dort aus weiter auf dem Landweg nach Herat in Afghanistan führen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, ein Visum für Afghanistan zu bekommen, trafen wir uns in Hamburg, nahmen die Iran Air nach Teheran, verbrachten dort drei Tage im Bazar und flogen dann mit der Mahan Air weiter nach Meshed, um uns dort für unser Ziel Afghanistan vorzubereiten. Es mussten unter anderem Fotobatterien, Handtücher und Filme eingekauft werden.
Nachdem wir drei wunderschöne Tage und Nächte mit alten Bekannten in Meshed verbracht, den Bazar unsicher gemacht und viele Raritäten gesammelt hatten, mieteten wir ein Taxi mit einem erfahrenen Fahrer. Der sollte über 40 Jahre alt sein, damit er nicht zu schnell fuhr. Unser Chevy schaffte die Strecke bis zur Grenze dann mühelos in vier Stunden. Dort mussten wir unseren zuverlässigen Fahrer verlassen, da keine Personen außer in Flüchtlingsbussen und außer UN-Mitarbeitern in einem Fahrzeug die Grenze passieren durften. Nach langen Ausreiseformalitäten der Iraner und dem Überqueren des 1 km breiten Niemandslandstreifens wurden wir von den freundlichen afghanischen Grenzbeamten mit einem "Welcome to Afghanistan" empfangen.
Hier endete die Teerstrasse, ab hier gab es nur Schotterpisten und Staub. Wieder hatten wir einen erfahrenen Fahrer gefunden, der die Strecke in einer Rekordzeit von zwei Stunden schaffte, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 130 km/h bei extrem schlechter Sicht durch große Staubwolken. Wir kamen, Allah sei Dank, gesund in Herat an. Es war erstaunlich, wie weit der Aufbau fortgeschritten war. Eigentlich hatten wir noch eine zerstörte Stadt erwartet. Farid Shams, dessen Familienwurzeln in Herat liegen, führte uns mit leuchtenden Augen erzählend durch die Stadt seiner Kindheit. Trotz des an allen Ecken unübersehbar vorangehenden Aufbaus, mangelte es zur Zeit unseres Besuches an allen grundlegenden Dingen der Infrastruktur, zum Beispiel an fließendem Wasser oder Strom.
Unterkunft fanden wir im besten Hotel am Platz, dem Hotel Marco Polo. Jeden Tag wurde es von einem Wasser-Tanklaster versorgt. Tag- und Nachtstrom kamen von einem oder mehreren Dieselgeneratoren, die wahrscheinlich direkt unter unseren Zimmern standen und uns "traumhafte" Nächte bescherten. Dennoch bemühte sich jeder, uns alle Wünsche von den Lippen abzulesen und uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Ebenso gastfreundlich zeigte sich die Familie von Farid Shams, die uns fast jeden Abend mit köstlicher Hausmannskost verwöhnte. Jeden Tag erforschten wir neue Bazare, je ein Hof mit mehreren Stockwerken und entsprechenden Schwerpunkten, wie zum Beispiel Kelim-Knüpfbeloutschen.
Überall war interessante alte und originelle Ware zu finden. Täglich kamen neue Teppiche aus den umliegenden Dörfern, die ausschließlich im Hausfleiß hergestellt und dann auf dem Markt zum Kauf feilgeboten wurden - ein Angebot, wie es natürlich unvergleichlich nur im Land selbst zu finden ist. Dazwischen verließen wir den Bazar und wandten uns den Leben auf den Straßen Afghanistans zu und besichtigten Sehenswürdigkeiten. Man muss auf jeden Fall positiv erwähnen, dass jeder in Afghanistan gelernt hat, ein kreativer Recycling-Künstler zu sein, fähig, aus allem etwas Brauchbares oder Lebensnotwendiges zu entwickeln, der grüne Punkt in praktizierter Form.
Am wichtigsten sind alte Autoreifen, die zu Schuhen, Eimern, Schnüren, Spanngummis, Schalen und vielem mehr verarbeitet werden. Jeder Zugbrunnen in der Stadt besteht aus einem aus Autoreifen hergestelltem Zugseil und Eimer. Um Nägel gerade zu schlagen, wird ein Kettenantriebsrad eines alten Sowjetpanzers als Amboss genutzt. Übersee-Container werden zerschnitten und als Türen eingesetzt. Dies war auch in unserem Hotel der Fall. Auch in einer Teppichwäscherei, die wir am letzten Tag unserer Reise besichtigten, wurde zum Beispiel die Wäschetrommel von einem Elektromotor mit Lkw-Schaltgetriebe angetrieben und die Trockenschleuder über einen Autoreifen, den man direkt auf der Antriebsachse stecken ließ.
Das Leben in Herat, das am Tage sehr turbulent und betriebsam ist, schwindet urplötzlich bei Anbruch der Dunkelheit. Alle Polizisten und Wachposten verlassen ihre Stellung und es breitet sich eine beunruhigende Stille aus. Keiner ist mehr zu sehen und notwendige Autofahrten sollten nie allein, sondern am besten zu Dritt unternommen werden wegen der Gefahr eines Überfalls. Nachdem unsere Teppichgier befriedigt und unsere Lungen voll Staub waren, suchten wir den Taxiplatz, an dem zur Fahrt an die Grenze nach Persien ein Auto zu mieten war. Die Taschen voller altem Schmuck und Textilien stiegen wir in unser rechtsgesteuertes Fahrutensil - ein Geschenk der Taliban. Das alte Taxi mit vollkommen zersplitterter Frontscheibe, die notdürftig mit braunem Paketband zusammengeklebt war - repariert wird alles erst, wenn die Straße geteert ist, fuhr uns mit Hilfe Allahs dennoch bei Schneefall und Gewitter zur Grenze zurück. Wir verabschiedeten uns wehmütig von Afghanistan.
Wir waren überall sehr warmherzig empfangen worden. Farid Shams war ein idealer Reiseleiter, da er in sich Europa und Asien vereint und dadurch beide Seiten zufrieden stellte. In der Zeit, die wir in Afghanistan verbrachten, spürten wir nie Feindseligkeit und Misstrauen gegen uns als Ausländer. Wir bewunderten den Stolz und die positive Lebenseinstellung der Menschen vor Ort. Für uns ist diese Reise auf jeden Fall wiederholenswert, hoffentlich wieder mit Farid Shams.
Es war für uns ein großer Genuss, wieder einmal in ursprünglichen Waren zu wühlen. Unsere jetzt eingetroffenen Teppiche machten alle Strapazen dieser Reise mehr als wett. Unsere Reiseeindrücke sind natürlich rein persönlich und haben keine Ansprüche auf Objektivität. Es war für uns vom Teppichhaus Magic Orient - Teppiche und Wunderbares eine unserer spannendsten Reisen, obwohl wir schon sehr viel im Orient herum gekommen sind. Vorraussetzung für den Erfolg einer solchen Tour ist natürlich immer eine gute Anpassungsfähigkeit an landesübliche Traditionen und Einfügsamkeit in plötzlich einkehrende Situationen. Westeuropäische Hektik muss hier abgelegt werden."
Das Teppichhaus Magic Orient in der Nürnberger Innenstadt kann auf eine lange Tradition im Handel mit handgefertigten und speziell afghanischen Teppichen zurück blicken. Gegründet wurde die Einzelhandelsfirma bereits 1923 als Teppich- und Gardinenhaus Gotzner in Breslau. Nach dem Krieg ließ sich die Firma 1946 zunächst in Heilsbronn bei Nürnberg und ab 1949 in der Nürnberger City nieder. In der dritten Generation der Familie eröffnete Ina Flassak zusammen mit ihrem Mann Alexander 1994 das Fachgeschäft Magic Orient, das das großflächige Gotzner-Haus ablöste. Ina Flassak ist seit ihrer Kindheit in den Teppichknüpfländern zu Hause, bereiste schon im Alter von 12 Jahren mit ihren Eltern die indischen Knüpfregionen.
Magic Orient - Teppiche und Wunderbares präsentiert sich in Nürnberg an der Schwelle zwischen Einkaufsstraßen und Altstadt als junges Unternehmen in neuer Aufmachung. Schon die Dekorationen, die sich bis auf die Straße hinaus ziehen, sorgen für Aufmerksamkeit und wecken Besucherinteresse. Das Sortiment beschränkt sich nicht nur auf originäre handgefertigte Teppiche aus den klassischen Knüpfländern, sondern umfasst alten Schmuck ebenso wie Textilien und neuerdings auch antiken Möbeln aus dem Orient. Das Fachgeschäft Magic Orient hat sich in den zehn Jahren seines Bestehens zum Anziehungspunkt für die Liebhaber orientalischen Kunsthandwerkes entwickelt.
aus
Heimtex Orient 03/04
(Teppiche)