(K)eine Erzählung aus 1001 Nacht

Aufgepasst bei märchenhaften Teppichbestellungen

Die folgende Geschichte über einen Teppichdiebstahl im großen Stil ist leider kein Märchen, sondern wahr. Aus zuverlässiger Quelle kam sie der Redaktion der Heimtex Orient zu Ohren. Als Warnung an alle, die mit edlen Teppichen handeln, sei sie hier von Scheherazade wiedergegeben.

Es war ein Mal in einer Zeit, in der traumhafte Umsätze in Teppichabteilungen größtenteils auch Träume waren. Da stand in Süddeutschland ein Möbelhaus, das besaß eine gar ansehnliche Teppichabteilung: Feine Nain gab es dort zu kaufen und geschmeidige Isfahan, üppige Gabbeh und prächtige Täbris.

Da trug es sich zu, dass eines Tages ein junger Mann von ansehnlicher Gestalt die Räume betrat. "Ich besitze ein wunderschönes Haus, das ich nur mit den edelsten und kostbarsten Teppichen bestücken will." Also zeigten ihm die Mitarbeiter die beste Ware, die sie in ihrer Abteilung finden konnten. Der junge Mann betrachtete bald diesen, bald jenen Teppich, doch keiner wollte ihm so recht gefallen: Noch kostbarer sollte die Knüpfung sein, noch edler das Material, noch höher die Qualität.

Nun wollte man diesen ansehnlichen jungen Mann nicht unverrichteter Dinge fortschicken, denn er versprach ein gar lohnenswerter Geschäftspartner zu werden. So rief das Möbelhaus seinen Teppichimporteur im fernen Hamburg an und bestellte dort die edelste, teuerste und wertvollste Ware, die dieser zu liefern vermochte - Teppiche im Einkaufswert von über 100.000 EUR.

Nun war der Teppichimporteur ein weiser Mann: Sofort wurde er hellhörig, ist es doch ungewöhnlich, dass eine einzelne Person so viele so teure Teppiche zu kaufen wünscht. Und so tat der Teppichimporteur zwar, wie ihm geheißen wurde, warnte jedoch das Möbelhaus, vorsichtig zu sein und die kostbaren Stücke nicht aus den Händen zu geben, ehe der ansehnliche junge Mann sie bezahlt hatte. Und die Mitarbeiter des Möbelhauses nahmen die Worte des Importeurs sehr ernst.

Als der junge Mann erneut das Möbelhaus betrat und dort der prunkvollen Teppiche gewahr wurde, die man eigens für ihn bestellt hatte, zeigte er sich angetan. "Schöne Ware habt ihr mir da besorgt", sprach er. "Nun will ich erst einmal nach Hause gehen und mich mit meiner Gemahlin beraten. Bald aber werde ich wieder von mir hören lassen."

Nachdem der Mann die Geschäftsräume verlassen hatte, sortierten die Mitarbeiter des Möbelhauses die edlen Teppiche gar gewissenhaft in Stapel ein. Dabei trugen sie große Sorge, dass jede der edlen Knüpfungen unter weniger kostbarer Ware verborgen wurde, damit nicht ein jedes Auge zu erkennen vermochte, welche Schätze hier lagen. Und am Abend schlossen die Mitarbeiter das Möbelhaus zu, schalteten die Alarmanlage scharf und begaben sich nach Hause - in gespannter Erwartung dessen, was die nächsten Tage wohl bringen mochten.

Gleich der nächste Tag brachte einen großen Schreck: Als die Mitarbeiter das Möbelhaus wieder öffneten, stellten sie bald fest, dass es in der Nacht einen Einbruch gegeben hatte. Viele der edlen, wertvollen Teppiche, die man aus Hamburg hatte kommen lassen, waren verschwunden: Jemand hatte sie des Nachts ebenso fein säuberlich aus den Teppichstapeln aussortiert, wie sie zuvor dort einsortiert worden waren. Die Einbrecher hatten die Alarmanlage zu umgehen gewusst, Teppiche im Wert von 50.000 EUR mitgenommen und keinerlei Spuren hinterlassen.

Als nun die Mitarbeiter des Möbelhauses mit dem ansehnlichen jungen Mann in Kontakt treten wollten, mussten sie feststellen, dass sie unter der von ihm angegebenen Telefonnummer niemanden erreichen konnten. Kurzum: Der junge Mann war wie vom Erdboden verschluckt. Auch die Polizei wusste keinen Rat, konnte aber berichten, dass in just jener Nacht genau dasselbe einem weiteren Geschäft widerfahren war. Ganz offenbar waren hier Experten am Werk gewesen

Und die Moral von der Geschicht: Will ein Kunde auffällig viele auffällig teure Teppiche kaufen, ist Vorsicht geboten! Natürlich sollte man ein solches Geschäft nicht ausschlagen; schließlich sind märchenhafte Verkäufe zwar selten, kommen aber durchaus vor. Wichtig sind hier allerdings: offene Augen, eine zuverlässige Alarmanlage und eine gute Versicherung.
aus Heimtex Orient 06/04 (Handel)