Das neue UWG, Uwe Rettkowski CWB Werbebüro

Wider die guten Sitten?

Seit Anfang Juli 2004 ist nun endlich das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Kraft getreten. Das neue Gesetz ist zwar sicher keine Revolution aber immerhin eine Reform. Es erfordert von Unternehmern, Verbrauchern und Werbetreibenden ein mehr oder weniger großes Umdenken. Das bisherige Recht galt, "als eines der unflexibelsten der Welt" und musste zudem an europäische Normen angeglichen werden.

Nach der Abschaffung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung schafft das neue Wettbewerbsrecht liberalere Grundlagen und klarere rechtliche Verhältnisse.

Mitbewerber, Verbraucher und Allgemeinheit werden als gleichrangige Partner im Wettbe-werbsrecht angesehen. Das bisherige Verbraucherleitbild vermittelte sich kritischen Beob-achtern teilweise als dasjenige "eines absolut unmündigen, fast schon pathologisch dummen und fahrlässig unaufmerksamen Durchschnittsverbrauchers". Sicher: vieles was bisher unzulässig war, bleibt auch zukünftig unzulässig. Vieles wird aber auch klarer und bleibt nicht mehr allein nur der Rechtssprechung überlassen. Überflüssige bürokratische Regelungen aus dem alten UWG sind weggefallen. Die neuen Freiheiten werden den Wettbewerb verschärfen: Freiheiten sind immer aber auch Chancen - und Chancen sollten konsequent genutzt werden.

I. Die wichtigsten Änderungen in Kürze

Kernstück des neuen Gesetzes ist, wie auch schon im alten Recht, eine Generalklausel: Un-lauterer Wettbewerb ist verboten. Diese Generalklausel wird durch einen nicht abschließenden Katalog von Beispielsfällen ergänzt. Er bündelt die in der Rechtssprechung entwickelten Fallgruppen und macht daher das neue UWG transparenter.

Die bisherigen Reglementierungen von Sonderveranstaltungen sind ersatzlos aufgehoben. Zukünftig ist jederzeit jegliche Sonderaktion erlaubt - Grenze bleibt die Generalklausel: eine irreführende Werbung ist immer unlauter und damit verboten.

Regelungen über belästigende Werbungen sind im neuen UWG konkretisiert. Für die Beteiligten ist jetzt transparenter, wann Fax-, Telefon- und E-mail-Werbung erlaubt sind und wann nicht.

Die Informationspflichten des Unternehmers sind auf spezielle, detailliert aufgeführte Fälle begrenzt.

Zu den bisher üblichen Abmahnungen und einstweiligen Unterlassungsverfügungen ist als neue Sanktion gegen wettbewerbswidriges Handeln ein Gewinnabschöpfungsanspruch hinzu gekommen. Durch ihn sollen Verbände unter bestimmten Voraussetzungen dafür sorgen, dass der Gewinn aus vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Unlauterkeit nicht bei dem Unternehmen bleibt, sondern dem Staat zufließt.

II. Was ersatzlos wegfällt:

Das bisherige Sonderveranstaltungsverbot ist ersatzlos weggefallen. Zukünftig ist jedem Händler jederzeit jede Sonderveranstaltung erlaubt. Zukünftig können nach freiem Belieben befristete Rabatte auf das gesamte Sortiment gewährt werden, was bisher unzulässig war. Die bisherigen Beschränkungen der Schlussverkäufe alter Prägung werden abgeschafft. Die Wer-bung mit dem Begriff "Schlussverkauf" wird freigegeben, noch nicht einmal der Begriff selbst ist geschützt.

Auch für Jubiläums- und Räumungsverkäufe gibt es keine spezielle Regelung mehr. Grund-sätzlich gilt jedoch: jede Werbung muss wahr und klar sein, da sie sonst gegen das Irrefüh-rungsverbot verstösst und irreführende Werbung ist unlautere Werbung. D.h. für den Werbetreibenden, dass er den Verbraucher nicht über ein vermeintliches Jubiläum oder eine vermeintliche Geschäftsaufgabe täuschen darf, wenn der Sachverhalt gar nicht gegeben ist.

Dies wird in Zukunft auch nicht mehr nötig sein, denn jetzt besteht jederzeit die Möglichkeit, durch legale befristete Sonderverkäufe die Lager zu räumen. Zusammen mit dem abgeschafften Rabattgesetz ergeben sich hier wohl die größten Chancen für Werbtreibende.

Die überflüssig gewordenen Regelungen über den Insolvenzwarenverkauf, den Verkauf durch Großhändler an Verbraucher und den Kaufscheinhandel sind folgerichtig im neuen Gesetz ersatzlos gestrichen. Über das generelle Irreführungsverbot hinaus besteht nämlich keine Notwendigkeit mehr, die Werbung mit dem Hinweis, bestimmte Ware stamme aus einer Insolvenzmasse oder der Anbieter sei Hersteller und Großhändler oder auf die Ausgabe von Berechtigungsscheinen gesondert zu regeln.

Auch die Rücktrittsrechte des Verbrauchers aus dem alten UWG sind gestrichen; das Rück-trittsrecht regelt sich jetzt nur noch nach den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches.

IV. Was bleibt?

Das neue UWG führt zu einer Liberalisierung des Wettbewerbsrechtes.

Alle Marktteilnehmer, Mitbewerber, Verbraucher und die Allgemeinheit sind gleichermaßen und gleichrangig geschützt. Zweck des Gesetzes bleibt es, einen unverfälschten und damit funktionsfähigen Wettbewerb zu schützen.

Der antiquierte Begriff der "guten Sitten" ist durch den sachlicheren Begriff der Unlauterkeit abgelöst. Die Generalklausel, die den unlauteren Wettbewerb verbietet, erhält allerdings eine Spürbarkeitsgrenze: Bagatellen fallen nicht mehr hierunter.

Unlauterer Wettbewerb ist irreführender Wettbewerb: Verboten sind in der Werbung alle Angaben geschäftlicher Art, die zu Wettbewerbszwecken im geschäftlichen Verkehr gemacht werden und die geeignet sind, einen nicht unerheblichen Teil der betroffenen Verkehrskreise über das Angebot irrezuführen und mit Fehlvorstellungen maßgeblich den Kaufentschluss hervorzurufen. Insbesondere stellt der Gesetzestext klar, welche Angaben als Bestandteile der Frage nach der Irreführung rechtlich relevant sind: die Merkmale der Waren oder Dienstleis-tungen, der Anlass des Verkaufes und der Preis, die geschäftlichen Verhältnisse.

Die Reichweite des Irreführungsverbotes hängt entscheidend vom Verbraucherleitbild ab. Der Anwendungsbereich wird umso größer sein, je stärker die Schutzbedürftigkeit gegen die Irre-führungsgefahren betont wird. Er ist umso geringer, je mehr auf den heute allgemein zu erwartenden Verständnishorizont der Verbraucher abgestellt wird. In Anlehnung an die Rechtssprechung des europäischen Gerichtshofes ist von einem Leitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers auszugehen.

Irreführende Werbung und somit unlautere Werbung ist Werbung mit "Mondpreisen". Darunter werden Preise verstanden, die vorher nie oder zumindest nicht in dieser Höhe während einer angemessenen Zeit tatsächlich gefordert wurden. In der Praxis werden solche Preise für Preisgegenüberstellungen genutzt, um darzustellen, es handle sich um ein besonders günstiges Angebot oder um eine besonders hohe Reduzierung. Nun wird gefordert, dass der werbetreibende Händler gegebenenfalls den Beweis dafür antreten muss, den von ihm genannten, ursprünglich geforderten Preis auch tatsächlich verlangt zu haben. Preisgegenüberstellungen dürfen also nicht gegen das Täuschungsverbot verstossen. Der frühere Preis muss in der Ver-gangenheit auch eine angemessene Zeit lang ernsthaft gefordert worden sein - und zwar unmittelbar vor Ankündigung der Preissenkung.

V. Mehr Freiheit für den Handel - Chancen konsequent nutzen

Die bisherige Rechtslage war durch erhebliche Rechtsunsicherheit geprägt, die durch die regional sehr unterschiedliche Rechtssprechung noch verschärft wurde. Zwar gab es im "alten UWG" eine Generalklausel, die alles verbot, was gegen die guten Sitten verstieß. Was aber unter diesen guten Sitten verstanden werden musste, bestimmte nicht das Gesetz, sondern die Rechtsprechung, die in den vielen Jahrzehnten seit dem ersten Gesetzeserlass im Jahre 1909 eine Vielzahl von unterschiedlichen Fallgruppen unlauteren Wettbewerbsverhalten festgelegt hat. Das "neue UWG" schafft nun mehr Transparenz und Klarheit. Mit der Aufnahme des Beispielkataloges wird dem Interesse an Rechtsklarheit und Verständlichkeit deutlich entge-gengekommen. Durch die Spürbarkeitsgrenze wird die Möglichkeit von Missbräuchen durch unseriöse Bagatellabmahner deutlich eingeschränkt.

Nach wie vor wird es allerdings notwendig sein, sich den Rat von rechtskundigen Spezialisten einzuholen, da auch ein gesetzlicher Katalog nie vollständig sein kann und für nicht geregelte Fälle auf die Generalklausel und somit deren Interpretation zurückgegriffen werden muss.

Die Chancen, die dem Handel durch die Liberalisierung des Wettbewerbsrechts entstanden sind, sollten daher konsequent genutzt werden. Die Kreativität in der Werbung wird deutlich mehr gefragt sein.

VI. Wichtiger Tipp

Wer nach altem Recht in der Vergangenheit Unterlassungserklärungen abgegeben hat für Wettbewerbshandlungen, die nach neuem Rechts jetzt zulässig sind, sollte diese zeitnah prüfen: Solche Unterlassungserklärungen bleiben grundsätzlich nach wie vor wirksam. Wenn sie mit dem neuen Recht nicht mehr zu vereinbaren sind, müssen sie gekündigt werden. Auch hier empfiehlt es sich, im Zweifelsfalle den Rat eines Rechtsbeistandes einzuholen.
aus Heimtex Orient 05/04 (Handel)