Die Wäsche bringt es an den Tag
Störende weiße Pünktchen im Flor
Wie entstehen eigentlich die kleinen weißen Pünktchen im Teppichflor, die das Gesamtbild bisweilen empfindlich stören und immer wieder zu Reklamationen führen? Oft treten sie erst nach Jahren auf und werden vor allem dann sichtbar, wenn der handgeknüpfte Teppich aus einer Wäsche zurückkommt. Dieser Schönheitsfehler lässt sich jedoch unproblematisch und vor allem rückstandslos beheben. Glücklicherweise halten sich die Kosten dafür in Grenzen.
Die störenden, weißen Tupfer im Flor sind ein herstellungsspezifisches Merkmal in handgeknüpften Teppichen. Ursache sind Kettfadenbrüche. Schuld ist die Nachlässigkeit einiger Knüpfer. Bei einer Maschinenarbeit können solche Schäden deshalb nicht auftreten, weil hier das Anschlagen der Schussgarne eine mit verhaltener Kraft regelmäßig schwingenden Lade übernimmt, durch deren unteres, gitterartiges Ende die Kettgarne fast berührungsfrei laufen.
Die Ursache für diese weißen, manchmal über den gesamten Teppich verteilten, Punkte im Flor liegen also ausschließlich in der Handfertigung. Sie sind aber nicht Bestandteil des Flors, sondern des Grundgewebes, meist der Kettgarne, und entstehen überwiegend beim zwingend erforderlichen Verdichten der gerade fertig gestellten Küpfreihe. Hierfür wird ein schweres, hammerähnliches Werkzeug eingesetzt. Damit dies durch die Ketten greifen kann, um so die Knoten und Schüsse beim Anschlagen nach unten zu stauchen, hat es vorne kammartige Zinken. Der Anschlag muss kraftvoll geführt werden. Dies geschieht immer per Hand, wobei auch ein sorgsam geführter Kammhammer ständig an den Kettgarnen entlang scheurert. Dabei ist es fast unausweichlich, dass einige, mittlerweile dünn gewordene Kettfäden, hin und wieder reißen. Dieser Kettfadenbruch ist im Grunde nicht weiter tragisch, denn die beiden Enden werden sodann gelockert und gleich wieder zusammengeknotet. Doch nach diesem Zusammenknoten muss der Kettgarnknoten einige Knüpfreihen später nach hinten durchgestochen und auf der Rückseite abgeschnitten werden. Dieses Abschneiden bewirkt keinen Festigkeitsverlust. Es wird aber immer mal wieder vergessen oder von nachlässigen Handwerkern einfach mißachtet. Die nächsten Reihen Knüpfknoten verdecken dann die nach vorne ragenden Knotenverdickung mit ihren aufsitzenden Pinselenden.
Um ihn geschmeidiger und den Flor ansehnlicher zu machen wird der vom Knüpfstuhl geschnittene Teppich vor dem Verkauf gewaschen und erhält dann eine sorgfältige Schur des Flors. Spätestens jetzt tauchen die weißen Knoten im Flor wieder auf. Anstatt sie nun endlich mit einer Ahle auf die Rückseite durchzustoßen und dort zu kappen, begeht man oft die nächste Nachlässigkeit - um nicht zu sagen Schlamperei - und färbt sie einfach über in den Farben des umgebenden Flors. Auf diese Weise gewissermaßen getarnt, sind sie selbst beim Einkauf so gut wie nicht auszumachen. An Tageslicht gelangen sie aber dann, wenn der Käufer seinen inzwischen benutzten Teppich zur Reinigung bringt. Waschwasser und Reinigungsmittel spülen dabei auch die aufgetupften, nur unzulänglich haftenden Textilfarben mit fort. Reklamationen der Kunden sind unausweichlich und schon deshalb so unangenehm, weil diese auffälligen weißen Knötchen meist erst Monate oder gar Jahre nach dem Kauf auftreten.
Manchmal, insbesondere bei hochflorigen Knüpfungen werden sie nicht einmal übergefärbt,. Da der umgebende Flor die weißen Kettknötchen auch nach der Schur durchschnittlich um gut einen Millimeter überragt, sind sie anfangs nicht sichtbar. Sie treten erst nach ausgiebigem Belaufen hervor, wenn der nach der Wäsche noch steil aufragende Flor auf diese natürliche Weise allmählich in sich zusammensackt.
Besonders auffällig wirken die hellen Störenfriede natürlich in Uniflächen und auf dunklen Fonds. Vorhanden sind die Kettknötchen zwar in fast allen Orientteppichen, doch bei besonders hochflorigen Provenienzen wie beispielsweise Nepal, Bidjar, Sarough und Berbern kommen sie so gut wie nie ans Tageslicht. Recht anfällig für diese rein optischen Einbußen sind die persischen Provenienzen Kirman, Keschan, Mesched und ab und zu Täbris, sowie alle älteren Knüpfungen, deren ehemals höherer Flor durch die Benutzung im Laufe der Zeit flacher getreten wurde.
Abhilfe zu schaffen, um das Gesamtbild wieder ebenmäßig herzurichten, ist glücklicherweise kein Problem, sollte aber von einem qualifizierten Teppichrestaurator ausgeführt werde. Er wird die Knötchen entweder nach hinten zur Teppichrückseite durchstoßen und dort dann kappen oder von oben vorsichtig herauslösen. Dabei kann es passieren, das in Folge ein winziger Florbereich fehlt. Zum Ausgleich müssen dann wieder drei, vier Florfäden ergänzend eingebracht werden.
Was allerdings nicht sein darf: Manche Handwerker machen es sich sehr einfach und überfärben und tarnen dadurch die weißen Störknoten erneut. Man sieht die Pünktchen zwar dann nicht mehr, aber spätestens nach der nächsten Reingungswäsche sind sie wieder voll da. Zudem wird der kritisch gewordene Kunde seinen Teppich bei Rücklieferung sehr genau prüfen.
Ein Qualitätsnachteil ist aus den rein optischen Beeinträchtigungen allerdings nicht abzuleiten, denn nach korrekter Reparaturausführung ist nichts mehr zu sehen. Und auf die Stabilität und das Gesamtbild des Teppichs hat die Nachbearbeitung keinen wertmindernden oder sonstigen nachteiligen Einfluss. Es ist allerdings ratsam, diese Reparatur nicht im Hause des Kunden durchführen zu lassen. Laien haben fachlich zu wenig Einblick und könnten zu dem Eindruck gelangen, ihr Teppich hätte Fehler, die zu Preisnachlässen oder gar Wandlungen berechtigen.
aus
Heimtex Orient 05/04
(Teppiche)