Warenkunde

China-Hereke


Vor gut 20 Jahren begann man in China gezielt Teppichdessins des Vorderen Orient zu imitieren. Die Anfangsporodukte sahen noch entsprechend einfach aus und waren folglich nur schwer auf dem wichtigen deutschen Markt abzusetzen. Doch man lernte schnell, und schon bald entwickelten die Chinesen das Feingefühl, einer Imitation den Charakter des Originals zu verleihen. Seine höchste Vollendung fand dieses Nachahmen im Knüpfen der Dessins türkischer Seiden-Hereke, die nun seit bald zwanzig Jahren auf dem Markt sind. Anfangs fast sklavisch kopiert, aber die Florseide im Griff sehr viel weicher als die türkischen Originale, werden diese Seiden-Knüpfungen jetzt auch mit dem Türkischen Knoten sehr gekonnt geknüpft. Diese spezielle Produktion wird Doublenot-Ware genannt. Sie ist merklich höher im Preis und handwerklich kaum noch vom anatolischen Original zu unterscheiden. Die als Singleknot-Ware klassifizierten Knüpfungen werden hingegen mit dem Persischen Knoten geknüpft. Sie sind deutlich preiswerter. In den Farbkompositionen, die heutzutage durchweg sanfter, pastellartiger sind, gehen die Chinesen inzwischen jedoch eigene Wege und haben sich von ihrem türkischen Stammvater erkennbar emanzipiert. Allerdings ist den Dessins immer noch die wohl auch beabsichtigte Verwandtschaft anzusehen. Typisch chinesische Stilelemente, sowie die in der chinesischen Kunst bedeutsamen, ruhigen Freiflächen im Fond fehlen in diesen Seidenknüpfungen völlig.

Die Vermarktung ist mittlerweile so intensiv, dass die Türkei ihre weitaus teurere Seidenteppich-Produktion merklich zurückfahren musste. Den Touristen werden dort oft China-Hereke angeboten. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, es sei denn, dem Käufer wird suggeriert, er halte einen Original-Seiden-Hereke in Händen. Die türkischen Originale sind immerhin vier bis sechsmal höher im Preis.

Geknüpft wird im seit Jahrtausenden bestehenden "Seidengürtel" Chinas, in der Provinz Henan, mit Schwerpunkt Region Shanghai. Die größte Manufaktur befindet sich in der Stadt Zhenping und beschäftigt inzwischen um die hunderttausend Knüpfer. Die Vermarktung dieser Produktion findet weltweit über einen deutschen Großimporteur statt, der erst kürzlich den feinsten Knüpfteppich der Welt präsentierte, einen Zhenping mit der unglaublichen Knotendichte von 15.500.000 Knoten pro Quadratmeter. Das entspricht einer Feinheit von vier Knüpfknoten pro Millimeter und einer Knüpfeinstellung von 1.200 lines!

China-Herek in Stichworten

Andere Bezeichnungen:
Sino-Hereke, Henan-(Hereke), Zhenping, Shanghai

Ursprungsland: VR China

Herstellungsort-/Region: Henan-Provinz, Zhenping, Südwest-China und andere Regionen Chinas

Aussprache: alle Silben gleichmäßig betont

Haupthandelsplätze: Shanghai, Karlsruhe, Hamburg, Zürich

Herstellungsbasis:am vertikalen Knüpfstuhl in Großmanufakturen

Formate: sämtliche handelsüblichen Formate bis gut 13 m2; auch quadratische Teppiche, Läufer, sowie Oval- und Rundteppiche

Knüpfmaterialien
Flor: Reine Seide
Kette: Reine Seide
Schuß: Reine Seide; manchmal broschiert mit Brilliantgarn

Knotenform: beide Knotenformen werden eingesetzt -
1.) Gördesknoten, auch Turkbaff, Türkischer- oder symmetrischer Knoten (sog. Doubleknot-Ware) und 2.) Senneh-Knoten, auch Farsibaff, Persischer oder Asymmetrischer Knoten (sog. Singleknot-Ware) genannt
Knüpfung: geschichtet; auch Reliefknüpfungen mit broschiertem Fond aus Brilliantgarnen

Knüpfdichten: Die China-Knüpfdichten sind standardisiert und werden auf der Grundlage englischer Längenmaße in "lines" wie folgt angegeben (auf-, bzw. abgerundet) -

Knoteneinteilung in lines:
QualitätKnotendichte in m2
250 lines = 670.000
300 lines = 970.000
400 lines =1.720.000
500 lines =2.700.000
600 lines =3.900.000
700 lines =5.300.000
800 lines =6.900.000
900 lines =8.700.000 (kaum im Handel)

Umrechnung in Knoten/m2 Der lines-Standard läßt sich folgendermaßen auf Quadratmeter umrechnen. Hier verdeutlicht anhand eines Beispiels von "250 lines": 250 x 250 = 62.500 x Faktor 10,764 = 672.750
Knoten/m2 = rd. 670.000 Kn/m2

Duktus, Dessin: grundsätzlich floral, früher stark in Anlehnung an türkische Originale, heute weitgehend eigenständig, jedoch kein China-Stil; sehr fein ziseliert; vierer- und längssymmetrisch (sog. Mihrab-Motiv); Bilder (z.B. Vierjahreszeiten-Dessin, Allegorien, Paradiesszenen, sassanidische Miniturmalereien, etc.); inzwischen erkennbar eigener Stil; auch Auftragsarbeiten nach Vorstellungen des Bestellers

Besonderheiten: starkes Produktionsaufkommen mit ständig wachsendem Potenzial

Farbgebung: überwiegend sanfte Farbgebung bis hin zu Pastelltönen

Qualitätsstufen: China-Hereke werden in vier Grundqualitäten angeboten, die wie folgt eingeteilt sind, wobei preislich (s. Orient-Teppich-Werth-Index, S. 59), auch nach Größen unterschieden wird - je größer, je höher der

Quadratmeterpreis: 1.) Normal-Qualität; 2.) 1A-Qualität; 3.) Super Doppelknoten für Kleinformate; 4.) Super Doppelknoten ab 2 m2

Bemerkung: Seidenknüpfungen der Spitzenkategorie; sehr dekorativ, aber auch gut im Gebrauchswert; mit einem aufgrund seiner Knüpffeinheit zwar hochpreisigen, aber dennoch sehr verbraucherfreundlichen Preis-Leistungsverhältnis

Schätzpreis: siehe Werth.- Index
aus Heimtex Orient 02/03 (Teppiche)