Teppich Betz setzt auf modernes Image
Das Teppichfachgeschäft hat seine Existenzberechtigung
Es gibt sie noch - die klassischen Teppichfachgeschäfte, die als Hauptumsatzträger den abgepassten Teppich führen; bei denen Bodenbeläge und Wohnaccessoires zwar als Sortimentsergänzung vorhanden sind, die sich aber ganz klar zum abgepassten Teppich in den verschiedensten Fertigungstechniken als ihrem wichtigsten Produkt bekennen. In Mainz gehört die Firma Teppich Betz zu dieser Spezies der in der Teppichbranche immer seltener werdenden Fachgeschäfte.
Geführt wird dieses 1953 von der Familie Betz in einer 1 B-Lage der Mainzer Innenstadt gegründete Einzelhandelsgeschäft heute von Bernd Kiedrowicz und seiner Frau Ortrud. Der ehemalige Inhaber Betz hatte das Fachgeschäft als Kibeck-Franchise-Filiale etabliert und damit ein Image geschaffen, gegen das Bernd und Ortrud Kiedrowicz noch heute ankämpfen müssen. Sie hatten, als sie die Firma 1990 übernahmen, auf den eingängigen Namen Betz gesetzt und für ihn bezahlt, da sie zu der Einsicht gekommen waren, dass sich ihr eigener Familienname nur schwer als einprägsames Firmenemblem eignen würde. Doch der Name Betz war in Mainz im Gegensatz zu Kibeck kein Synonym für Teppiche, so dass die neuen Inhaber 1990 mühsam damit beginnen mussten, sich ein eigenes Firmenimage aufzubauen, von dem von vornherein feststand, dass es nichts mit einem angestaubten Orientteppich-Fachgeschäft und auch nichts mit Niedrigpreisen zu tun haben sollte. Es sollte vielmehr den abgepassten Teppich als festen Bestandteil einer modernen und zeitgemäßen Wohnraumgestaltung den Verbrauchern in das Bewusstsein rufen.
Bernd Kiedrowicz kann auf eine langjährige Erfahrung als Einzelhandelskaufmann zurück blicken. Während seines ganzen Berufslebens hatte er sich mit Inneneinrichtung befasst. Er verkaufte als Angestellter in namhaften Einzelhandelsbetrieben zunächst Farben und Tapeten, später Teppichböden und Teppiche, bis ihm klar wurde, dass er als selbstständiger Kaufmann seine Ideen und Vorstellungen weitaus besser würde realisieren können als in einem Angestelltenverhältnis. Also machte er sich zusammen mit zwei Persern selbstständig. Der Versuch schlug fehl. In der Fachzeitschrift heimtex entdeckte er dann eine Anzeige, mit der der Firmennachfolger von Teppich Betz, damals Teppich Kibeck in Mainz, gesucht wurde. Zusammen mit einem BBE-Berater nahm er das Geschäft in der Mainzer Innenstadt, verkehrsgünstig direkt neben einem Parkhaus gelegen, in Augenschein. Noch am gleichen Tag wurde der Kaufvertrag unterzeichnet.
"Ich habe diesen Schritt bis heute noch nie bereut, auch wenn uns schon damals unser kleiner Sohn darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir mit der Geschäftsübernahme eine große Aufgabe auf uns geladen hätten. Ich glaube, dass das inhabergeführte Fachgeschäft in dieser Größe und in dieser Lage nach wie vor seine Daseinsberechtigung hat," betont Bernd Kiedrowicz. Die momentane wirtschaftliche Situation sieht er bei weitem nicht so schwarz wie die Branche insgesamt. Die ersten Monate dieses Jahres waren bei Teppich Betz spürbar besser als der Vergleichszeitraum des Vorjahres, auch wenn die Umsatzzahlen aus dem Jahr 2001 noch nicht wieder erreicht werden konnten. Aber Existenzangst kennt das Ehepaar Kiedrowicz bislang nicht: "Das Geschäft rechnet sich, auch wenn der persönliche Einsatz größer geworden ist."
In den Anfangsjahren beschäftigte Teppich Betz zeitweise zwei Verkaufsmitarbeiter auf der Verkaufsfläche von 360 qm, verteilt auf Erdgeschoss und Untergeschoss. In den letzten zwei Jahren bewältigte das Ehepaar Kiedrowicz die Arbeit alleine. Das führte bisweilen zu Engpässen, vor allem wenn die notwendigen Messebesuche oder auch Reisen in die Ursprungsländer auf dem Programm standen. Jetzt wurde wieder ein fester Mitarbeiter für den Verkauf eingestellt, von dem Kiedrowicz allerdings erwartet, dass er sich nach einer Einarbeitungszeit durch seinen Umsatz selbst trägt. Darüber hinaus sind noch eine Aushilfe zur Auslieferung der Teppiche und ein Subunternehmer, der die Teppichböden aus dem Teppichboden-Studio bei den Kunden verlegt, für Teppich Betz tätig.
Das Teppichboden-Studio, als reine Bibliothek vom Ladenbauer Fichtenmeyer gestaltet und vorwiegend mit Mustern von Vorwerk und Tretford bestückt, hat wesentlich dazu beigetragen, dass das Minus bei abgepassten Teppichen sich im letzten Jahr nicht zu drastisch im Geschäftsergebnis bemerkbar machte. Das Schwergewicht des Sortimentes aber liegt eindeutig bei abgepassten Teppichen, wobei maschinengewebte Ware ebenso vertreten ist wie Handwebteppiche - vorwiegend von Haro - oder Handtuft-Artikel. Etwa 80 Prozent des Angebotes machen handgeknüpfte Teppiche aus. Die klassischen Orientteppiche, sei es aus Indien, Persien, Pakistan oder auch Nomadenteppiche aus Marokko, bilden eine kleine, aber feine Sammlung ausgesuchter Einzelstücke. Hier kaufen Bernd und Ortrud Kidrowicz, sonst stark von ihrem Warenwirtschaftssystem bestimmt, aus dem Bauch heraus. Sie vertrauen hier auf ihre Kundenkenntnis, gehen zum Teil nach eigenen Geschmacksvorstellungen vor und wurden bisher von ihrer Auswahl auch nicht enttäuscht. Zielstrebiger läuft der Einkauf von südpersischen Nomadenteppichen von Zollanvari. Sie sind Eye-Catcher, passen in das moderne Image und können als hochwertige Einzelstücke, für die es kein vergleichbares Angebot im weiteren Umfeld gibt, angeboten werden.
Den absoluten Schwerpunkt im Angebot der handgeknüpften Ware aber bilden die Nepalteppiche mit ihrer modernen Dessinierung und der dem Zeitgeschmack angepassten Farbgebung. Vor allem in diesem Bereich hat sich Teppich Betz in Mainz mit seine 200000 Einwohnern und dem weiteren Umfeld mittlerweile einen Namen gemacht. Der oft tot gesagte Nepalteppich ist hier noch längst nicht gestorben. Besonders die Individual-Anfertigungen nach dem ausgeklügelten Makalu-System von Ganzert sorgen für Umsatz, fördern das Image der Modernität ebenso wie der Exklusivität bei einer gleichzeitig akzeptablen Preisgestaltung.
aus
Heimtex Orient 05/03
(Handel)