Außergewöhnlich ungewöhnliche Inszenierungen in der Alten Kohlenwäsche
Wesselmann präsentierte Lifestyle auf hohem Niveau
Dass hier einst Bergleute viel Kohlenstaub schlucken mussten, ließ sich auch trotz intensivster Reinigungsbemühungen nicht verheimlichen. Die morbide Industrieanlage "Alte Kohlenwäsche" der Preussag in Ibbenbüren war von fünf heimischen Einzelhandels- und Handwerksbetrieben für eine außergewöhnlich ungewöhnliche Inszenierung auserkoren worden: Handgefertigte Teppiche, Heim- und Haustextilien, Designer-Möbel, kreative Wandgestaltungen, Lichtobjekte und Leuchten sowie zeitgenössische Kunst bildeten den Rahmen einer Lifestyle-Schau, die auch das verwöhnteste Publikum einer jeden Großstadt hätte begeistern können.
Strömender Regen, aufgeweichte Parkplätze und der abseits gelegene Standort der noch nicht total zur Ruine zerfallenen Zechenanlage konnten rund 400 geladene Gäste nicht davon abhalten, das gesellschaftliche Ereignis der außergewöhnlichen Inszenierungen zu genießen. War es im letzten Jahr das noble Ambiente des Jagdschlosses Habichtswald, so zog in diesem Jahr der bizarre Gegensatz von einer vergangenen Industrieepoche zu einem exquisiten zeitgemäßen Lebensstil die neugierigen Besucher in Scharen an: hochmoderne Wandgestaltungstechniken vor bröckelnden Mauern, Schlafkultur vor zerborstenen Fenstern, hochwertige Teppiche auf ausgedienten Bahngleisen.
Nicht nur die geladenen Gäste, deren Zeitgeist-Feeling an einem Freitagabend Ende Oktober noch durch die eloquent vorgetragenen Referate von Trendforscher Gunnar Frank aus Amsterdam über die "Chaotische Welt des Designs" und von Unternehmensberater Heinz Schulz Wimmer über "Sinn und Unsinn emotionaler Führung" intensiviert wurde, zeigten sich mehr als beeindruckt, sondern auch das "normale" Publikum, für das die Schau jeweils am Samstag und Sonntag von 16 Uhr bis 20 Uhr geöffnet war, stufte die Visite als besonderes Erlebnis ein. Allein am Sonntag kamen rund 1000 Besucher in die ehemalige Heizanlage der Preussag, die jetzt mit erheblichem zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwand zur Galerie umfunktioniert worden war.
An der Aktion beteiligt waren der Malerbetrieb Hoppe-Franke, der hochmoderne Tapeten mit Metallic-Effekten ebenso präsentierte wie aktuelle Spachteltechniken, die Firma Goldbeck Lichtgestaltung, die nicht nur für die stimmige Innen- und Außenbeleuchtung der rund 2400 qm großen Halle sorgte, sondern auch eine durchaus moderne Pendelleuchte mit 2,60 m Durchmesser installiert hatte, die Innenausbau- und Ladenbaufirma Nadicksbernd, die mit funktionellen und kreativen Designermöbeln glänzte sowie die Firma Kunst und kulturelle Beratung Ursula Nöh, die die Werke zeitgenössischer Künstler vorstellte und auch weitgehend für die wirkungsvolle Inszenierung der Gesamtschau verantwortlich zeichnete.
Einen besonderen Anteil am Gelingen des Events hatte schon von der Zahl der Exponate her die in Ibbenbüren alt eingesessene Einzelhandelsfirma Wesselmann. Das Familienunternehmen, vor knapp 80 Jahren als Farbenfachhandel gegründet, sieht sich heute in der City von Ibbenbüren mit einem Sortiment an Farben und Tapeten, Dekos und Gardinen, Bett- und Tischwäsche, Teppichböden und Hartbelägen, einer sehr breiten Auswahl an Wohnaccessoires und nicht zuletzt maschinell und von Hand gefertigten abgepassten Teppichen als führender Inneneinrichter der Stadt. Bei den abgepassten Teppichen stehen die Kollektionen von Talis, Tufenkian, Raumträume oder auch JAB Anstoetz im Vordergrund. Der modern gestaltete Teppich dominiert das Angebot.
Der Bestand an klassischen Orientteppichen wurde stark abgebaut, da es zum einen in diesem Bereich momentan keine starke Nachfrage mehr gibt und zum anderen Platz geschaffen werden musste für den neu etablierten Sortimentsbereich der Dekos und Gardinen. Die Teppichabteilung mit einer Verkaufsfläche von etwa 250 qm ist jetzt in einer an das Haupthaus angebauten Halle konzentriert, ohne dass hier der Charakter des "Teppichhallen-Verkaufs" spürbar wird.
Für die außergewöhnlich ungewöhnlichen Inszenierungen in der Alten Kohlenwäsche wurden aber noch einmal alte Teppich-Beziehungen zum klassischen Bereich aktiviert. Praktisch als Raumteiler zwischen Vortragsbereich und der Event-Szene fungierten zwei alte China-Übermaß-Teppiche mit einer Länge von über 6 m und etwa 4 m Breite. Die beiden Stücke an die Deckenhöhe der Halle von 7 m zu hieven, war Schwerstarbeit gewesen. Leichter war es da für das Wesselmann-Team, das vor allem für Farbenpracht durch Wohnaccessoires in der kargen Industriehalle sorgte, die modernen abgepassten Teppiche entweder als Einzelexponate oder in Verbindung mit Designer-Möbeln zu platzieren.
Über mögliche direkte Verkaufserfolge oder unmittelbare Umsatzsteigerungen wurde bei diesen außergewöhnlich ungewöhnlichen Inszenierungen nicht gesprochen. Es ging in erster Linie darum, alte Kundenkontakte zu pflegen und neue Kontakte im Zusammenspiel der einzelnen Firmen aufzubauen. Es war in erster Linie eine Image-Kampagne, die der heimischen Bevölkerung die Leistungsfähigkeit, die Kreativität und die Vielseitigkeit heimischer Betriebe vor Augen führen sollte. Dass auf diesem Wege auch Kaufimpulse ausgelöst werden, setzen die Veranstalter für die Organisation künftiger Events voraus.
aus
Heimtex Orient 06/03
(Handel)