Kaschmir-Teppiche - aus Kunstseide oder Merzerisierter Baumwolle?


Im Handel, speziell in Kundengesprächen, vermitteln die Verkäufer immer wieder, der Flor bestimmter Kaschmir-Teppiche sei aus "Kunstseide". Diese Materialangabe ist jedoch falsch, denn alle entsprechenden Knüpfungen werden grundsätzlich mit Florgarnen aus Merzerisierter Baumwolle geknüpft. Die Erklärung hierfür ist sehr einfach. Da Pakistan ein bedeutender Baumwollproduzent ist, sind solche Garne recht günstig im Lande zu kaufen, während Kunstseide - textilterminologisch korrekter ist es, von Filamentgarn zu sprechen - zum großen Teil importiert werden muss, also für die Teppichmanufakturen erheblich teurer käme.

Vom visuellen Aspekt beider Garne ist für den Laien kein Unterschied auszumachen. Beide Fasern haben schließlich den selben seidenähnlichen Glanzeffekt. Der entscheidende Unterschied liegt in der Faserlänge: Die Baumwollfaser ist kurzstapeliger und damit als gesponnenes Garn weniger widerstandsfähig als die "Kunstseide". Als Stapellänge wird die Länge der einzelnen zu verspinnenden Fasern bezeichnet. Je länger die Fasern sind, desto hochwertiger ist das daraus gesponnene Garn.

Beide Fasern verlieren im Laufe der Jahre jedoch ihren Glanz - Merzerisierte Baumwolle allerdings etwas schneller als die Kunstseide.

Filament(endlos)garn

Das Filamentendlosgarn wird grundsätzlich aus dem Naturprodukt Zellulose gewonnen, also letztlich aus dem Rohstoff Holz. In dem recht aufwändigen Industrieverfahren wird die reine, breiige Zellulose, ein Brei, zu einem durchgehenden Textilgarn gezogen. Hierauf beruht die Bezeichnung Filamentendlosgarn.

Die im Umgangssprachgebrauch üblicherweise verwendete Bezeichnung "Kunstseide" ist nach dem Textilkennzeichnungsgesetz (TKG) nicht statthaft. Es muss Filamentgarn beziehungsweise Filamentendlosgarn am Produkt etikettiert werden. Die Bezeichnungen Acetatseide, Viscose oder Reyon sind zwar weit verbreitet und auch geläufig, werden aber nur verhalten toleriert und könnten abgemahnt werden. Will man das vermeiden, hat die Materialauszeichnung des Teppichflors, der im Gesetz Nutzschicht genannt wird, grundsätzlich streng nach dem TKG zu erfolgen.

Merzerisierte Baumwolle

Vielen Damen von den Dessous her bekannt, wird dieses Garn auch im Orientteppichbereich eingesetzt. Es entsteht wie folgt: Führt man Baumwollgarne unter Spannung über Kalander durch ein 20-30%iges Bad kalter Natronlauge, entsteht ein glanzreiches, in seinem visuellen Aspekt seidenähnliches Baumwollgarn. Das Endprodukt wird Merzerisierte Baumwolle genannt, das Verfahren Merzerisieren.

Gleichfalls verbessern sich Festigkeit, Dehnung - die Zuglast steigt um ca. 25% -, Elastizität und vor allem die Farbaufnahmefähigkeit der so behandelten Baumwolle. Benannt ist dieses Verfahren nach dem englischen Chemiker, John Mercer (1791-1866), der es 1844 durch Zufall entdeckte und dann weiterentwickelte.

Merzerisierte Baumwolle wird auch in Teppichen verknüpft, vor allem wegen ihres Seidenglanzes. Bezogen auf das Verknüpfen dieses Garns in Orientteppichen, ist es angeraten, auf folgende Nachteile hinzuweisen: Der Baumwollflor verfilzt relativ schnell, schmutzt daher leichter ein und wird unansehnlich.

Das durch Schmutz hervorgerufene Verfilzen bedingt zudem ein baldiges Brechen der Faser. Nach einer Reinigungswäsche treten dann unter Umständen kahle Stellen zutage. Meist hat auch der ursprüngliche Glanz sichtbar gelitten. Besonders nach einer Wäsche.

Reine Seide

Die Unterscheidung von Reiner Seide gegenüber "Kunstseide" und Merzeriserter Baumwolle ist denkbar einfach mit der sogenannten Brennprobe nachzuweisen. Hierfür löst man einen Faden heraus und brennt ihn ab.

Glimmende Reine Seide, eine Eiweißverbindung, kokelt mehr, als dass sie mit einer Flamme verbrennt und riecht dabei wie verbranntes Horn. "Kunstseide" hingegen entwickelt als Zellulose einen weißlichen Rauch und verbreitet den gleichen, stechenden Geruch wie brennendes Papier. Das gleiche gilt für Merzerisierte Baumwolle.
aus Heimtex Orient 02/05 (Teppiche)