Die Cyrus Gallery in Hamburg setzt auf den hochwertigen Teppich
"Heute ist es erforderlich, unkonventionelle Wege zu gehen"
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine Galerie für hochwertige Teppiche zu eröffnen, erfordert schon eine Portion Wagemut. Cyrus Ali-Bek hatte ihn, und dazu ein außergewöhnliches Konzept. Im dritten Geschäftsjahr erlebt die Cyrus Gallery nun einen Zuspruch, der bestätigt, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist.
Im Herzen Hamburgs, da wo die Elbmetropole wohl am schönsten ist, liegt die Cyrus Gallery. Zu Füßen die malerische Außenalster, prachtvolle Villen im Hintergrund und edle Designer-Läden um die Ecke. Dazu idyllische Kutscherhäuschen, gemütliche Restaurants und schmale Straßen. Viel Grün links und rechts, Laternen nach historischen Vorlagen und lebensgroße, bunte Kühe aus Fiberglas, die in luftiger Höhe den Eingang zur Milchstraße markieren. Irgendwie ein bisschen gegensätzlich, aber insgesamt sehr reizvoll - der Hamburger Stadtteil Pöseldorf. Ein Viertel, das von Wohlstand zeugt, ihn aber - ganz hanseatisch - nicht mit aller Macht zur Schau stellt. Ein Ort zum Schauen und Staunen, zum Flanieren und Verweilen.
Und mitten drin die Cyrus Gallery, genauer in der Milchstraße 8. Offen, hell und freundlich, exklusiv und elegant, jung und frisch, so ihre Botschaft. Sie befindet sich in einem kleinen, altehrwürdigen Stadthaus, dezent in Grau-Grün gestrichen und mit weißen Markisen ausgestattet. Buchsbaum-Kugeln in farblich abgestimmten Übertöpfen flankieren große Fenster, die hier nicht als Schaufenster im herkömmlichen Sinne fungieren, sondern einladend den Blick frei geben bis weit ins Innere des rund 100 qm großen, hervorragend ausgeleuchteten Geschäftes. Die Glastür ist weit geöffnet.
Einige wenige, ausgefallene Knüpfteppiche, dargeboten vor auffallend lila-blauen Wänden, machen unaufdringlich auf sich aufmerksam, stehen ungezwungen im Mittelpunkt. Ob modern oder klassisch gemustert, alle Stücke weisen ruhige Farbgebungen und Dessinierungen auf. Teppichstapel sind, anders als erwartet, nicht zu entdecken. Weniger ist mehr, heißt hier die Devise, auch bei der Dekoration: auf jeder Fensterbank eine Vase, zum Teil mit frischen Blumen, einige kostbare Kissen und Stoffe, zwei antikisierte Säulen und zwei reich verzierte Elefanten bilden den schmückenden Rahmen, mehr nicht.
Ständiger Dekorationswechsel weckt Neugier
"Wir bekommen sehr viel positive Resonanz von Passanten hinsichtlich der Gestaltung unserer Galerie, auch weil immer etwas Neues passiert", berichten Inhaber Cyrus Ali-Bek und seine Lebensgefährtin Katharina Hahn. Das sympathische Paar geht unkonventionelle Wege, um auf seine hochwertigen Artikel aufmerksam zu machen: Neben dem ständigen Austausch von Exponaten verändern sie zweimal im Jahr die Wandfarbe ihres "Showrooms". Dabei setzen sie auf die Wirkung von Kontrasten: Bewusst wählen sie Farbtöne aus, die gerade "in" sind, um zu zeigen, dass auch der Knüpfteppich in ein modernes Ambiente passt. Gerade wurde die Galerie in dem genannten winterlichen Lila-Blau gestrichen, zuvor war sie in frühlingsfrischem Gelb-Grün koloriert. "Der ständige Farbwechsel ist zwar aufwändig, steht aber für Bewegung und damit auch für einen erfolgreichen Geschäftsverlauf - wichtig für die Außenwirkung", erklärt Cyrus Ali-Bek.
Kauflust wecken durch ein stimmungsvolles Ambiente - diese Maxime haben sich beide zu Eigen gemacht. Dabei setzten sie auf ein zeitgemäßes, junges Erscheinungsbild, distanzieren sich deutlich von althergebrachten Orientteppich-Geschäften mit Stapeln voller roter Ware, wollen nicht antiquiert und gediegen wirken. "Der Teppichhandel ist nicht mehr so einfach wie früher, sondern macht es erforderlich, neue, unkonventionelle Wege zu gehen. Man kann nur auffallen, wenn man anders ist als andere", sagen sie.
Deshalb konzentrieren sie sich in ihrem Showroom auch vordergründig auf nur zwei Produktlinien: exklusive Designerteppiche aus Nepal sowie hochwertige Knüpfungen, deren klassische Muster auf das Wesentliche reduziert und in meist nur zwei Farbtönen wiedergegeben sind. Vorlagen dazu waren vor allem alte und antike Ziegler-Mahal, Ushak und Aubussons. Gefertigt werden diese stimmungsvollen Neuinterpretationen in Indien, China und Ägypten.
Vorliebe für Pastells
"Unsere Kunden, die hier in der näheren Umgebung wohnen, haben solche Teppiche oftmals noch nie gesehen. Sie entsprechen aber ihrem Geschmack. Wir stellen hier in der Galerie also nur das aus, was unsere Kunden auch wirklich interessiert", erläutert Katharina Hahn. Allen Teppichen gemeinsam muss eine ruhige Farbstellung sein. Die Vorliebe liegt bei den Pastelltönen. "Diese Farben passen einfach zu allen Einrichtungsstilen", verrät sie "Außerdem darf ein Teppich heutzutage nicht zu laut sein, den Raum nicht zu sehr dominieren. Denn die Menschen sind alle im Stress. Die Einrichtung soll demgegenüber beruhigend wirken."
Die Neuware ermöglicht es, sehr flexibel auf Kundenwünsche hinsichtlich Format und Farbwahl zu reagieren "Unser Ziel ist, jeden Wunsch unserer Kunden zu erfüllen. Allerdings sind Sonderanfertigungen in Süddeutschland bereits viel verbreiteter, setzten sich erst allmählich im Norden durch. Wir müssen immer noch auf diese Möglichkeit aufmerksam machen", berichtet Cyrus Ali-Bek. Wartezeiten von rund sechs Monaten seien aber kein Problem, das hätten die Kunden bereits beim Kauf von hochwertigen Möbeln kennen gelernt.
Teilweise beauftragen sie sogar direkt Produzenten in den Knüpfländern mit der Umsetzung von Sonderwünschen oder auch Eigenentwürfen; kürzlich beispielsweise mit der Anfertigung eines Knüpfteppichs, der mit einer klassischen, aber vergrößerten Shah Abbas-Blüte übersäht und in gedämpftem Pink und Orange koloriert ist - antikes Motiv trifft auf Trendfarben.
Basis dafür sind hervorragende, über viele Jahre gewachsene Kontakte. "In einem Dorf gibt es oftmals eine Vielzahl an Knüpfereien, aber nur ein oder zwei wirklich gute; die muss man kennen", berichtet der Galerist. "Zudem müsste eigentlich eine Auftragsarbeit ständig kontrolliert werden, was auf Grund der räumlichen Distanz aber sehr schwierig ist. Zu unseren Produzenten haben wir vollstes Vertrauen, dass sie alles so umsetzen, wie gefordert."
Auf Wunsch auch hochwertige Klassiker
Wünscht nun ein Kunden doch lieber ein ganz klassisches, vielleicht sogar sehr ausgefallenes Stück, ist das für Katharina Hahn und Cyrus Ali-Bek auch kein Problem, im Gegenteil. Darauf deutet im Showroom nicht nur eine faszinierende Kayserie von ca. 1880 hin. Über eine schmale Treppe gelangt man ins Untergeschoss des Stadthauses, wo unter anderem ein antiker Ladik von 1850 und ein Art Deco China-Teppich von 1930 ausgestellt sind. "Einen richtigen Warenbestand haben wir hier in der Milchstraße nicht. Wir können aber auf die Lagerräume meines Vaters Hamid Ali-Bek in der Speicherstadt zurückgreifen, der dort als Spezialist für alte und antike Ware ansässig ist; ebenso auf sein Sortiment", erklärt Cyrus Ali-Bek. Darüber hinaus unterhält er gute Kontakte zu allen wichtigen Importeuren in Hamburg und Zürich, kennt deren Sortimente und weiß, wo der jeweils geforderte Teppich zu finden ist.
Familientraditionen werden fortgeführt
Cyrus Ali-Bek führt in vierter Generation die Familientradition fort, wenngleich auf anderer Ebene. Bereits um 1900 unterhielt die Familie auf dem Basar von Teheran ein Teppichgeschäft. 1956 kam Cyrus Vater Hamid Ali-Bek nach Hamburg und erwarb sich schnell einen Namen als seriöser Anbieter von hochwertigen und antiken Sammlerteppichen.
"Unsere Galerie stellt eine sehr gute Ergänzung zu seinem Angebot dar", bemerkt Cyrus Ali-Bek mit Respekt vor dessen Leistung. Den starken Rückhalt, den sein Vater ihm jetzt bei der Verwirklichung eigener unternehmerischer Ziele gibt, weiß er zu schätzen. Und auch die "Lehrzeit" bei ihm. "Seit meiner Kindheit bin ich mit meinem Vater durch die Welt gereist auf der Suche nach den schönsten, außergewöhnlichsten Teppichen", erzählt er weiter. "Dadurch konnte ich mir Fachwissen aneignen, kenne alle erdenklichen Provenienzen - ein Vorteil bei der Kundenberatung."
Mehr Kreativität durch Teamarbeit
Zum Klientel der Cyrus Gallery gehören Privatkunden, die oftmals gerne das Angebot wahrnehmen, sich direkt zu Hause beraten zu lassen. Meist sind es ältere Jahrgänge, aber auch junge Ehepaare um die 35 interessieren sich für das exklusive Sortiment und sind bereit, sich auf das "sehr vernünftige" Preisniveau einzulassen. Hinzu kommen Inneneinrichter, die im Auftrag eigener Kunden Wohnungen oder Häuser dekorieren und das Ehepaar für die Ausstattung mit Teppichen hinzuziehen. Meist haben Katharina Hahn und Cyrus Ali-Bek dafür nur wenige Tage Zeit. Sie arbeiten grundsätzlich nur im Team, ergänzen sich sehr gut in ihren Ideen, so die eigene Einschätzung. Das Einzugsgebiet ihrer Kunden versuchen sie auf Hamburg zu beschränken, alles andere sei zu aufwändig - auch wenn die Dekoration eines Hauses auf Mallorca kürzlich sehr reizvoll gewesen sei.
Auf Werbung verzichten sie weitestgehend, setzten vielmehr darauf, dass sich der gute Name weiter trägt, den sich die Galerie in den ersten drei Jahren ihres Bestehens erworben hat. "Ein Geschäft wie dieses braucht in der Regel fünf Jahre, bis es in aller Munde ist", stellt Cyrus Ali-Bek fest. "Deshalb lauten derzeit unsere Ziele: noch beliebter und bekannter werden, das Geschäft weiter ausbauen."
"Hochwertig und fair"
Dafür leisten sie viel: Neben der sehr individuellen Beratung nehmen sie ausgemusterte Teppiche unter Umständen in Zahlung. Für ihre Kunden sind sie beinahe Tag und Nacht zu erreichen: Im Schaufenster liegt die Telefonnummer aus, und da sie nur wenige Meter entfernt wohnen, öffnen sie auch zu den "unmöglichsten Zeiten" ihre Galerie für interessierte Besucher. "Unseren ersten Kunden werde ich nie vergessen", erzählt Cyrus Ali-Bek. "Er kaufte einen Aubusson. Nach ein paar Monaten rief er an und erzählte, er habe eine Flasche Rotwein darüber verschüttet. Ich habe den Teppich abgeholt, reinigen lassen und wieder zurückgebracht. Der Kunde soll wissen, dass er bei uns in den besten Händen ist. Hochwertig und fair - das wollen wir vermitteln."
"In der Vergangenheit haben zu viele Händler das Vertrauen beim Endverbraucher verspielt", kritisiert Cyrus Ali-Bek in diesem Zusammenhang. "Ausverkäufe mit bis zu 80 Prozent schaden der ganzen Branche." Man dürfe nie vergessen, dass Knüpfteppiche Naturprodukte seien und in reiner, aufwändiger Handarbeit hergestellt würden. Das werde heute kaum noch respektiert.
Berechtigter Optimismus
Für die Zukunft fühlen sich Katharina Hahn und Cyrus Ali-Bek gut aufgestellt, fürchten auch nicht zwei Konkurrenten in der näheren Umgebung, da diese sich gänzlich anders präsentieren als sie selbst. Der Optimismus scheint berechtigt, denn die Cyrus Galerie erlebt einen Zuspruch, der bestätigt, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Kunden kommen zum Plausch, auf einen Kaffee vorbei und genießen die herzliche und ungezwungene Atmosphäre, Passanten winken beim Vorbeigehen. Die richtige Galerie am richtigen Ort, die "Chemie" zwischen den Galeristen und den Pöseldorfern stimmt.
Auch eine Hamburger Prominente grüsst immer herzlich, wenn sie an dem Haus in der Milchstraße 8 vorbei fährt: Jil Sander. Es ist das Gründerhaus der bekannten Designerin und in der Gegend immer noch als "der alte Jil Sander-Laden" bekannt, was zu einem gewissen Bekanntheitsgrad verhilft. " Das Haus bringt uns hoffentlich ebenso Glück, wie es Jil Sander Glück gebracht hat. Ihre Filialen verteilen sich heute über die ganze Welt", bemerkt Katharina Hahn augenzwinkernd.
aus
Heimtex Orient 05/05
(Handel)