Orientteppich-Fachkunde

Bidjar, der Liebling der Deutschen

Voluminös, langlebig, gut verkäuflich - Eigenschaften, die den Bidjar kennzeichnen. Er zählt zu den beliebtesten und bekanntesten Teppich-Provenienzen auf dem deutschen Markt. Im Folgenden werden Musterung, Herstellung und Herkunft umfassend dargestellt, ebenso die aktuelle Bedeutung für den Handel.

Was uns an den besten Bidjar-Teppichen besonders fasziniert, ist die Paarung von Originalität mit höchster technischer Vollendung trotz allen Mangels an Eleganz und Manufaktur-Perfektion. Immer wieder findet man sie auf Ausstellungen (...) , weil bei ihnen all jene Eigenschaften zusammenkommen, die (...) schätzenswert sind: herrliche Farben, feine Knüpfung, eine unberechnete und tief eindrucksvolle Eigenständigkeit des Musters - und eine praktisch unverwüstliche Konstruktion", schrieb die Fachliteratur bereits vor einigen Jahrzehnten. Trotz einiger Veränderungen hat diese Einschätzung auch heute noch weitgehend Bestand.

Muster und Farben

In Deutschland werden derzeit Bidjar gehandelt, die sich in zwei Mustergruppen unterteilen lassen. Kennzeichen der ersten Gruppe sind Herati-Motive (Mahi-to-hos) in meist 3-Felder- oder 5-Felder-Rauten, selten 7-Felder- oder 4-Felder-Rauten.

Die zweite Gruppe ist floral durchgemusterterte Bidjar.

Alte und antike Bidjar weisen ein viel breiteres Muster-Repertoire auf als die aktuellen Knüpfungen. Viele gängige persische Designs des 19. Jahrhunderts, wurden umgesetzt, allerdings in einer für den Bidjar typischen Art und Weise.

Eine auch heute noch markante Eigenheit des Bidjar ist die fehlende Ecklösung in der Bordüre. Die Knüpfer lassen die Motive in den Ecken oft nicht ineinander fließen, sondern "schneiden" sie ab. Diese Eigenart ist typisch und gilt nicht als Knüpffehler. Allerdings gibt es auch Bidjar mit Ecklösungen, neue wie alte. Gemustert sind die Bordüren mit dem klassischen Herati-Motiv, teilweise auch mit neuen, kreativen Dessins.

Zu rund 90 Prozent dominiert auf dem deutschen Markt seit vielen Jahren der Rauten-Teppich. Der Grund: Er ist besser verkäuflich, weil er nicht so schnell langweilig wirkt. Auch bei den Knüpfern ist er beliebter: Die Anfertigung eines Allover ist eintöniger und erfordert einen möglichst gleichbleibenden Arbeitsstil, denn eine Irregularität während der Arbeit, beispielsweise die zeitweise Mithilfe eines zweiten Knüpfers, ist später im Teppich sichtbar. Nur bei einigen außergewöhnlichen Formaten, etwa 70 x 200 cm, ist der Allover häufiger anzutreffen.

Bei den Farben herrschen das westpersische Krapp-Rot und Dunkelblau vor. Eine untergeordnete Rolle spielen die Kolorits Beige, eher im Rauten-Teppich vertreten, und Türkis. Diese frische Farbnuance ist meist in alten Teppichen zu finden, weil sie vom Beigeton verdrängt wurde.

Bei dunklem Innenfeld ist die Bordüre meist hell gestaltet; umgekehrt gilt das gleiche. Die Bordüre weist also nicht zwingend dunkle Kolorits auf.

Grundgewebe

Kette und Schuss bestanden früher aus Wolle, seit über 60 Jahren sind sie aber ausschließlich aus Baumwolle. Die Kettfäden enthalten zudem einen sehr geringen Anteil an Kunstfasern, der dafür sorgt, dass sie nicht so schnell reißen. Ein wichtiger Aspekt für den Knüpfer, denn ein Kettbruch während des Knüpfens führt dazu, dass der Teppich nicht mehr zu gebrauchen ist und dem Knüpfer somit ein hoher wirtschaftlicher Schaden entsteht. Gerade beim Bidjar, dessen Flor extrem fest angeschlagen wird, war dies in der Vergangenheit oft der Fall.

Die heutige Kunstfaserbeimischung, die nur im einstelligen prozentualen Bereich liegt, bewirkt außerdem, dass die Knoten beim Eintragen besser über die Kettfäden gleiten. Zudem können die Teppiche dadurch auch gerader gearbeitet werden.

In Hinblick auf das Grundgewebe ist es wichtig, einen Bidjar richtig zu handhaben. Er sollte nicht gefaltet, sondern nur gerollt transportiert werden. Wenn ein Bidjar doch einmal gefaltet werden muss, dann sollte der Flor nach außen zeigen und es sollte kein Druck auf den Teppich ausgeübt werden. Sonst können Falten entstehen, die kaum wieder zu beseitigen sind, selbst wenn der Teppich neu gespannt wird.

Längskanten

Weil beim Bidjar die Knoten sehr fest angeschlagen werden und die Wollfasern damit sehr eng beisammen stehen, rollen sich die Längskanten nach unten ein. Eine physikalische Gesetzmäßigkeit: das Flormaterial weicht dem Druck nach rechts und links aus, wo es mehr "Luft" hat. Die Folge: Ein Teil der Bordüre ist nicht sichtbar und wird unterschiedlich abgenutzt. Auf Dauer entsteht hier eine Art "Irokesenschnitt".

Außerdem stellt eine eingerollte Kante eine Stolperfalle dar. Deshalb wird ein Gegendruck aufgebaut, indem unter die Kanten stabile Ausgleichsstreifen genäht werden. Früher bestanden sie aus Leder, heute meist aus Kunststoffstreifen. Zwischen dem Teppichrücken und den Streifen wurde und wird teilweise Pappe geschoben, um den Gegendruck noch zu erhöhen und somit das Einrollen der Kanten weiter zu verhindern.

Der beim Bidjar sinnvolle Ausgleichstreifen hat sich zu einem allgemeinen Qualitätsmerkmal entwickelt und wird nun auch bei anderen Provenienzen angewendet, obwohl es bei diesen nicht notwendig wäre; vor allem bei Nain und Kaschmir-Seidenteppichen, und sogar bei Maschinenteppichen. Aber: Unter den Ausgleichsstreifen lassen sich auch Unebenheiten verstecken.

Alte und antike Bidjar weisen zum Teil noch original Kelim-Leisten an den Querkanten auf. Die heutigen Knüpfungen dagegen werden in der Regel mit nur Fransen angeboten, die Kelimleiste wird hier nach dem Knüpfen wieder aufgelöst.
Knüpfung

Bidjar zählt zu den feinen Knüpfungen Persiens. Sie werden mit dem Türkischen Knoten (Gördesknoten) oder mit dem Persischen Knoten (Sennehknoten) von Kurden und Afscharen geknüpft. Die kurdischen Knüpfer ziehen traditionsgemäß den Türkischen Knoten, die Afscharis den Persischen Knoten vor. Verschiebungen sind aber möglich. Die Knüpfung ist geschichtet. Bidjar werden ausschließlich von Männern geknüpft.

Die althergebrachte Unterscheidung zwischen Kurden-Bidjar (oder Dorf-Bidjar) und Afschar-Bidjar ist heute weitgehend aufgehoben. Die gegenwärtige Unterteilung orientiert sich an den Haupthandelsplätzen. In aufsteigender Reihenfolge der Qualitäten sind dies Sandjan, Tekab und Bukan. Daneben gibt es eine ganze Reihe weniger bekannte Handelsplätze.

Vorläufer des heutigen Bidjar sind der feinere Afschar-Bidjar und der Kurden-Bidjar. Dieser gilt als Vorläufer der heutigen floralen Bidjar.

Flormaterial

Das Flormaterial besteht beim Bidjar meistens aus sehr guter kurdischer Wolle. Besonders feine Wolle wird beim Bukan verwendet, so dass er über einen samtigeren Griff als die übrigen Bidjar verfügt. Der Sandjan fühlt sich dagegen etwas "borstiger" an. Bei allen Bidjar ist der Flor sehr dicht. Die Florhöhe ist insgesamt im mittleren bis höheren Bereich angesiedelt.

Der Griff lässt sich allgemein als brettig und hart charakterisieren.

Der Flor steht relativ steil, weil meist nach jeder Knotenreihe ein einfacher, dünner Schussfaden eingetragen wird, der dann außerordentlich stramm mit einem Eisenstab angehämmert wird. Eine Legende besagt, dass feuchte Schussfäden eingearbeitet werden, damit die Knoten, wenn die Fäden getrocknet sind und sich zusammengezogen haben, noch dichter zusammen stehen.

In den letzten fünf Jahren sind Seidenanteile im Flor immer häufiger geworden und stellen heute ein gängiges Musterelement dar, vor allem beim durchgemusterten Bidjar. Noch eine Ausnahme bilden Teppiche mit Kettfäden aus Seide, die einen weicheren Griff ergeben.

Färbung

Bei antiken Bidjar wurde die Wolle noch mit Pflanzenfarben eingefärbt. Heute kommen synthetische Farben zum Einsatz.

Formate

In Hinblick auf die Formate gehört der Bidjar zu denjenigen persischen Teppichen, deren Knüpfer in den letzten zwei Jahrzehnten am meisten dazu gelernt und sich flexibel auf die Anforderungen der westlichen Absatzmärkte eingestellt haben. Bis vor wenigen Jahren waren nur klassische Größen wie Poschti, Saronim, Dosar, Ghali oder Übermaße verfügbar. Heute sind alle gängigen Abmessungen erhältlich, auch Galerien und Quadratmaße.

Nachknüpfungen

In Indien werden schon seit vielen Jahren gute Nachknüpfungen gefertigt. Allerdings entspricht die handwerklich-technische Gegebenheit des Indo-Bidjar grundsätzlich nicht dem persischen Original. Die Farben sind zurückhaltender, verarbeitet werden die in Indien üblichen Wollsorten. Oftmals wird die Bezeichnung Indo-Bidjar auch nur gewählt, weil sich das Design der persischen Provenienz annähert.

Herkunft

Der Bidjar ist ein westpersischer Teppich. Er wird in der Stadt Bidjar und in umliegenden Dörfern geknüpft. Die unübersichtliche, gebirgige Region ist Teil des Kurden-Gebietes, das sich bis weit in die Türkei und in den Irak hinein erstreckt. Die indogermanischen Kurden, eines der ältesten Völker der Erde, pflegen hier seit 3.000 Jahren ihre Kultur und Zivilisation.

Die im Bidjar-Gebiet lebenden Afscharen stammen wahrscheinlich von jenen Nomaden ab, die im 18. Jahrhundert von Nadir Schah umgesiedelt wurden. Dem damaligen persischen Herrscher wurden die turksprechenden Stämme in Aserbaidschan zu mächtig. Er ließ sie in den Südosten Persiens, nach Kirman, verlegen. Ein Teil von ihnen blieb auf halbem Weg nördlich von Bidjar in der Nähe von Tekab und Bukan zurück und wurde dort sesshaft. Ihre Teppiche unterscheiden sich gänzlich von denen der Kirman-Afscharen, die Provenienzen wie Afschari oder Sirdjan knüpfen. Die Bidjar-Afscharen folgen hinsichtlich der Designs ganz den Traditionen der Kurden, wenngleich sie feinere, geradlinigere und manchmal auch etwas blumigere Teppiche herstellen.

Handel

Der Bidjar ist ein Teppich, der in Deutschland besonders beliebt ist: In keinem anderen Land der Welt werden so viele Bidjar verkauft wie hier. Und auch im Vergleich zu anderen Provenienzen nimmt der Bidjar einen Spitzenplatz ein: Er zählt hierzulande zu den absatzstärksten Teppichen, ist deshalb auch in fast jedem Werbeprospekt vertreten, was wiederum zu einem hohen Bekanntheitsgrad verhilft. Er sollte zum Grundsortiment einer jeden Teppichabteilung gehören. Das gilt insbesondere für Bidjar mit Heratimusterung.

Gute Verkaufsargumente sind seine Strapazierfähigkeit und Haltbarkeit: Das Schwergewicht mit seinem besonders dickem und dichten Flor hält mehr als drei Generationen und stellt damit eine gute Investition in die Zukunft dar. Zudem ist er ein konservativer, zeitloser Teppich, der zu vielen Einrichtungsstilen passt. Der dunkelblaue, durchgemusterte Bidjar wird gerne mit Möbeln aus Teak und Mahagoni kombiniert - ein echter "Gentlemens Carpet".
Preisentwicklung

Früher war er eher ein seltener Teppich, in den vergangenen Jahren konnte der Eindruck entstehen, dass er zu einem Massenprodukt geworden ist. Die Herstellung erfolgt jedoch immer noch in Heimarbeit und nicht in Manufakturen.

Der Bidjar wird kaum für den Eigenbedarf, sondern überwiegend für den Markt produziert, wodurch er allerdings anfälliger für Marktveränderungen ist.

In den letzten zwei Jahren hat der Bidjar einen der größten Preissprünge unter den persischen Teppichen gemacht und nahezu seinen Preis verdoppelt; dies gilt insbesondere für die feinere Ware. Ein Grund dafür war zunächst eine rückläufige Nachfrage auf den Absatzmärkten, die wiederum dazu führte, dass im Ursprungsland die Preise für Teppiche nicht in gleichem Umfang wie die Lebenshaltungskosten stiegen. Die Folge: Das Teppich-Knüpfen lohnte sich nicht mehr, die Knüpfer wanderten in andere Branchen ab und das Angebot ging deutlich zurück.

Vor zwei Jahren kehrten sich dann die Vorzeichen um: Seither ist die Menge, die noch geknüpft wird, so weit geschrumpft, dass der Bidjar ein begehrter Artikel geworden ist und die Knüpfer höhere Preise durchsetzten können. Und der Trend zu höheren Preisen scheint nicht gestoppt, zumal die Rohstoff-Preise ebenfalls weiter steigen.

Haupthandelsplätze

Haupthandelsplätze für den Bidjar sind die Orte Sandjan, Bukan und Tekab, eventuell noch Hamadan. Auf den regionalen Märkten, wo große Importeure und Spezialisten ohnehin einkaufen, ist das Angebot deutlich umfangreicher und kostengünstiger als in der iranischen Hauptstadt Teheran.


Zusammenfassung - Bidjar

Beim Bidjar werden zwei Mustergruppen unterschieden: Herati-Motive in meist 3-Felder- oder 5-Felder-Rauten sowie floral durchgemusterte Teppiche, wobei der Rauten-Teppich mit rund 90 Prozent im deutschen Markt dominiert. Eine Eigenheit des Bidjar sind die fehlenden Ecklösungen in der Bordüre. Das besonders dicht stehende Flormaterial besteht meistens aus sehr guter kurdischer Wolle. Seit einigen Jahren sind häufig Seidenanteile enthalten.

Ein Bidjar sollte nicht gefaltet, sondern nur gerollt transportiert werden. Unter seinen Ländskanten werden stabile Ausgleichsstreifen genäht, damit sich die Kanten nicht nach unten einrollen.

Bidjar werden von Kurden und Afscharen geknüpft. Die althergebrachte Unterscheidung zwischen Kurden-Bidjar (oder Dorf-Bidjar) und Afschar-Bidjar ist heute aufgehoben. Die gegenwärtige Unterteilung orientiert sich an den Haupthandelsplätzen. In aufsteigender Reihenfolge der Qualitäten sind dies Sandjan, Tekab und Bukan.

In Hinblick auf die Formate gehört der Bidjar zu denjenigen persischen Teppichen, die in den letzten zwei Jahrzehnten am meisten dazu gelernt und sich flexibel auf die Anforderungen der westlichen Absatzmärkte eingestellt haben. Heute sind alle gängigen Abmessungen erhältlich.

In Indien werden schon seit vielen Jahren gute Nachknüpfungen gefertigt. Allerdings entspricht die handwerklich-technische Gegebenheit des Indo-Bidjar grundsätzlich nicht dem persischen Original.

Der persische Bidjar zählt zu den absatzstärksten Teppichen in Deutschland. Gute Verkaufsargumente sind seine Unverwüstlichkeit, Strapazierfähigkeit und Haltbarkeit. Er ist ein konservativer, zeitloser Teppich, der zu vielen Einrichtungsstilen passt.

In den letzten zwei Jahren hat der Bidjar einen der größten Preissprünge unter den persischen Teppichen gemacht und nahezu seinen Preis verdoppelt; dies gilt insbesondere für die feinere Ware.

Ursprungsland, Region: Iran, Großdistrikt Bidjar
Flor: Schafswolle
Grundgewebe: Baumwolle
Knüpfdichte: 200.000 bis 450.000 Kn/qm
aus Heimtex Orient 06/05 (Teppiche)