Ausstellung: Kaiserliche Teppiche aus China von 1400 bis 1750, Köln
Meilenstein der Erforschung des antiken China-Teppichs
Palastteppiche der späten Ming-Zeit, also aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts, hat es in Europa noch nie in einem öffentlichen Museum zu sehen gegeben. Insgesamt sind weltweit kaum 600 chinesische Teppiche aus der Zeit zwischen 1400 und 1750 erhalten geblieben, um so erstaunlicher, dass es dem Museum für Ostasiatische Kunst in Köln gelungen ist, 68 Exemplare aus europäischem, amerikanischem und chinesischem Privat- und Museumsbesitz in einer einzigartigen Schau zusammenzuführen.
Teppiche waren in China Luxusgüter, davon zeugen schon die Gedichte der Tang-Zeit (8., 9. Jh.), in denen ihr üppiger, verschwenderischer Flor beschrieben wird. Sie bedeckten die Böden in den Hallen der Kaiserpaläste, der Adelsresidenzen und den Anwesen der Beamtenelite. "Man betrat sie nur mit Seidenpantoffeln und dies erklärt, warum sich einige Exemplare über 500 Jahre lang komplett erhalten haben.", erklärt Dr. Adele Schlombs, die Direktorin des Museums für Ostasiatische Kunst.
Erst mit dem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch des chinesischen Kaiserreiches in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trennte sich die chinesische Oberschicht von ihren kostbaren Erbstücken und Teppiche gelangten neben anderen Kunst- und Sammelobjekten auf den Markt. Besonders in Nordamerika begeisterte man sich für sie und erwarb sie zum Schmuck der großzügigen Häuser in den Neu-England Staaten.
Der amerikanische Bankier J.P. Morgan gehörte zu denen, die schon früh die Gelegenheit ergriffen, um nach der Gründung der Republik im Jahre 1911 über die chinesische Regierung mit dem Kaiserhaus über den Erwerb von Objekten aus dem Kaiserpalast zu verhandeln.
Dr. Schlombs:"Zentrales Stück der Ausstellung ist der J.P. Morgan Teppich aus dem späten 16. Jh., der einst die Thronplattform in der Halle der Höchsten Harmonie (Taihe dian), der zentralen Audienzhalle in der Verbotenen Stadt, bedeckte und von J.P. Morgan angekauft wurde." Sein Feldmuster zeigt gewaltige fünfklauige Drachen zwischen Wolken. Der Grund war ursprünglich leuchtend rot gefärbt, doch ist das Rot mit der Zeit zu einem Braun-beige oxidiert. Eine Anmutung von seiner ursprünglichen Farbigkeit vermitteln zahlreiche Porträtmalereien, etwa das Porträt des jugendlichen Kaisers Kangxi (reg. 1661-1722), unter dessen Schreibtisch ein Ming-zeitlicher Palastteppich liegt.
Schon allein die Maße des J.P. Morgan Teppichs sind überwältigend: er misst eine Länge von 628 cm und eine Breite von 668 cm. Kurz bevor Morgan den Schenkungsvertrag mit dem Metropolitan Museum New York unterzeichnen konnte, starb er in Rom und so gelangte der Teppich an seine Erben und später wiederum in verschiedene Privatsammlungen. Als er vor rund zehn Jahren an einen europäischen Privatsammler verkauft wurde, war er der bis dato teuerste Teppich der Welt. Inzwischen bemüht sich das Palastmuseum Beijing, ihn zurückzukaufen.
Im Zuge des Boxer-Aufstandes sandte das japanische Kaiserhaus im Jahre 1900 einen Fotografen nach Peking, der das Innere der Paläste in der Verbotenen Stadt fotografieren und dokumentieren sollte. Nicht nur die Thronplattformen waren zum damaligen Zeitpunkt mit Teppichen bedeckt, auch die sie umgebenden Böden und die Treppenstufen zu den Thronplattformen.
"Diese Fotografien führten im Jahr 2000 zur Wiederentdeckung eines Lagers in der Verbotenen Stadt, in dem über Hundert Jahre mehr als 40 zum Teil riesige Palastteppiche der späten Ming-Zeit geschlummert hatten," weiß der Kurator der Ausstellung, Michael Franses. Der Engländer gehörte zu den Wiederentdeckern dieser Teppiche. Ihre Feldmuster und Bordüren sind teilweise identisch mit Fragmenten, die in der Ausstellung zu sehen sind.
Man darf sicher sein, dass dieses bisher völlig vernachlässigte Gebiet der chinesischen Kunstgeschichte nun auch in China verstärkt erforscht werden wird. Denn neben den Strukturanalysen der Wolle und der Knüpftechniken, die Hinweise auf unterschiedliche Werkstatttraditionen liefern, gilt es, über das Studium der in den Palastarchiven aufbewahrten Dokumente sowie anderer schriftlicher Quellen, nicht zuletzt aber auch aus den Darstellungen von Teppichen in der Malerei weitere Aufschlüsse über die Geschichte des chinesischen Teppichs zu gewinnen.
Die Ausstellung zeigt systematisch verschiedene Feldmuster, die meist einen Glück verheißenden Symbolgehalt haben. Zu den wichtigsten zählen Blütenmuster, unterschiedliche Typen von Drachen, die häufig zwischen Wolken schweben und als Sinnbild für den Himmelssohn, also den Kaiser, stehen, der als Vermittler zwischen der Sphäre der Menschen und der des Himmels fungiert.
Die geometrischen Feldmuster mit einem Langlebigkeit verheißenden Swastika-Gitter finden sich in der Malerei vor allem in erotischen Darstellungen und dürften mit dem Wunsch nach Fruchtbarkeit eng verknüpft gewesen sein. Weitere beliebte Motive sind Löwenhunde, Wolken sowie Darstellungen der Hundert Antiquitäten, deren Zusammenstellung auf keinem Teppich identisch ist, so dass man davon ausgehen kann, dass ihre Auftraggeber sich so etwas wie einen gewebten Sammlungskatalog erstellen ließen.
Die Ausstellung macht auch deutlich, wie wichtig die vielfältigen Bordüren sind, da durch sie Maß und Proportion eines jeden Teppichs definiert werden, eine Kunst, die im 19. und 20. Jahrhundert verloren ging.
Noch nie zuvor hat es eine solch umfassende Ausstellung zum Thema chinesischer Teppiche gegeben. Sie stammen von insgesamt 24 privaten Leihgebern und nur drei Stücke kommen aus Museumsbesitz. Da sich die meisten dieser kostbaren Stücke in Privatsammlungen befinden, ist diese Ausstellung auch für den Kenner und Sammler einzigartig, denn auch wenn er einige Exemplare sein Eigen nennen darf, bedeutet dies doch nicht, dass er auch Zugang zu den übrigen Vergleichsstücken in anderen Privatsammlungen hat. "Ich habe dreißig Jahre auf diese Ausstellung gewartet", so lautete der Kommentar eines Leihgebers, der eigens aus den USA zur Eröffnung und dem daran anschließenden Symposium nach Köln gereist war. "Die Kölner Ausstellung stellt einen Meilenstein in der Erforschung der kaiserlichen Teppiche aus China dar," so die Museumsdirektorin.
Die Ausstellung ist noch bis zum 15. Januar 2006 im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln zu sehen. Wegen der Empfindlichkeit der Objekte und weil die Leihgeber ihre Schätze nicht länger entbehren wollten, kann die Schau nur exklusiv in Köln gezeigt werden und nicht mehr zu anderen Stationen weiterverschickt werden.
aus
Heimtex Orient 06/05
(Teppiche)