Trends und Perspektiven
Neue Materialien bei Heim- und Haustextilien
Frankfurt - Der niederländische Trendforscher Gunnar Frank hat für die Saison 2006/2007 vier unterschiedliche Charaktere, so genannte Materialtypen, entwickelt, die auf der Heimtextil im Forum, Ebene 0, in Szene gesetzt wurden. Folgt man dem Trendforscher, dann heißt der neue Trend "Materials - Heart and Soul" und führt von den bisherigen Wohnwelten weg, hin zu den Materialien. Was lag es da näher, als die Materialien in den Fokus der Heim- und Haustextilien-Betrachtung zu rücken. Zunächst einmal: "Neue Materialien wird es nicht geben", zumindest nicht, wenn man Professor Dr. Eckhard Schollmeyer hierzu befragt. Neue Ausrüstungsverfahren indes seien zu erwarten, ebenso wie neue Veredelungsverfahren; der Trend gehe zur Funktionalisierung von Heim- und Haustextilien sowie Matratzenstoffen, so der geschäftsführende Direktor am Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West in Krefeld.
Eine aktuelle Studie über Trends und Perspektiven der Textil- und Bekleidungsindustrie ergab, dass neuen Ansätzen in der Textilveredelung durch Nanotechnologie "überragende Bedeutung für zukünftige Funktionalität textiler Materialien beigemessen wird". Ziel der von der Bayern Innovativ GmbH - unter Begleitung durch den Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie - erstellten Studie war die Identifizierung neuer Technologien, neuer Märkte und neuer Chancen. Hierzu wurden gezielt wissenschaftliche Institute und führende Firmen eingebunden, die das ganze Spektrum textiler Technologien und wichtiger Anwenderbranchen abdecken, darunter einige Heimtextil-Aussteller.
Eines dieser Unternehmen ist die Hämmerle Textilwerke GmbH. Der 1836 im österreichischen Dornbirn gegründete Vollbetrieb webt und veredelt bis heute selbst am Produktionsstandort. In punkto innovative Materialien setzt Hämmerle auf die zellulosische Chemiefaser "Tencel" der Lenzing AG. Bei Hämmerle-Bettwäsche aus Tencel-Fasern "wird Feuchtigkeit zehn mal schneller abtransportiert wie bei herkömmlicher Baumwolle", berichtet Karl-Heinz Zöhrer. Wie der Assistent der Geschäftsführung weiter ausführt, werde die Tencel-Baumwolle auch wegen ihrer antibakteriellen Wirkung geschätzt, insbesondere in Krankenhäusern.
Zur Heimtextil wurden den Besuchern zwei Innovationen von Hämmerle vorgestellt. Zum einen eine Präsentation der neuen Cosinel-Veredelung durch die BASF. Wie Conny Brunner, die Verkaufsleiterin für Bettwäsche mitteilt, handelt es sich dabei um einen hochwertigen Veredelungseffekt, der dafür sorgt, dass die Bettwäsche nicht nur bügelfrei, sondern auch formstabil und knitterbeständig ist. Sie bleibe darüber hinaus auch nach vielen Wäschen noch flauschig weich. Nach einem Jahr Entwicklungsarbeit erhält Hämmerle als zweites Unternehmen (nach der Firma Bauer Damaste) das begehrte Cosinel-Label. Die zweite Innovation aus dem Hause Hämmerle ist ein Naturstretch auf Tencel-Basis. Durch die Veredelung selber wird der gewebte Stoff dehnbar gemacht. In die Tencel-Faser kommt dabei eine Flüssigkeit. Somit benötigt man keine Lycra-Fäden oder gestrickte Ware mehr (wie bei Jersey-Laken). Laufmaschen bei durchgewebter Ware würden mit den neuen Bettlaken unmöglich gemacht. Dies sei speziell im Objektbereich interessant, da die Laken hier besonders stabil sein müssten. Die Eigenschaft von Tencel, ein sehr glattes Gewebe zu sein, käme beispielsweise Hautkranken in Kliniken sehr entgegen.
Phase Change Materials
Neben den zahlreichen Veredelungstechniken gibt es dann aber doch eine Gruppe komplett neuer Materialien, die so genannten Phase Change Materials (PCM). Der in Textilien integrierte Spezialschaum beruht auf einer für die Raumfahrt entwickelten Technologie, die extreme Temperaturschwankungen ausgleicht und für ein dauerhaft ausgeglichenes Klima sorgt. Auf dem Sektor der Heim- und Haustextilien hat diese Technologie zuerst Eingang in die Bettwaren-Produkte gefunden.
Unter der neuen Marke "Comfort-line by Walburga" stellt zum Beispiel die Waldenburger Bettwaren GmbH ein solches Produkt mit intelligenter Wärmeregulierung vor. Ein mikrofeines Gewebe in einer ausgewogenen Mischung aus Polyestermikrofasern und Baumwolle ist einseitig mit dem dehnbaren, Temperatur regulierenden ,,Climarelle"-Vlies unterlegt. Dieses Vlies enthält Millionen mikroskopisch kleiner PCM-Kapseln zur Wärmeregulierung. Der Name PCM rührt daher, dass das Material seinen Aggregatzustand ändern kann. Die PCM-Kapseln werden flüssig, sobald der schwitzende Körper sie erhitzt. Sie speichern diese Wärme zunächst und rufen einen Kühleffekt hervor. Sobald es kälter wird, kristallisieren sich die Kapseln und geben die dadurch entstehende Energie wie eine Heizung - in Form von Wärme - wieder frei. Der ruhende Körper wird dann selbst bei niedrigen Temperaturen warm gehalten. Wie Geschäftsführerin Birgit Mannstadt mitteilt, ist dieses moderne "Temperaturmanagement" vor der Markteinführung wissenschaftlich belegt und von Konsumenten getestet worden.
Neuheiten bei der Materialausrüstung
Hautverträglichkeit ist bei Interfrotta das wichtigste Stichwort, wenn die Sprache auf eingesetzte Materialien kommt. Nach Ansicht von Pressesprecherin Anna Luiz mache es bei Bettwäsche nicht wirklich Sinn, auf neue innovative Materialien zurückzugreifen. "Unserer Ansicht nach muss nach wie vor die Hautverträglichkeit an erster Stelle stehen", betont Luiz. Interfrotta setzt auf Altbewährtes: Stoffe aus 100 Prozent feinster Baumwolle. Die neue Tisch- und Bettwäsche-Kollektion Aloha, die das Unternehmen erstmalig auf der Heimtextil präsentierte, besteht zum einen aus einer bedruckten Percallequalität, zum anderen aus einem klassischen Satingewebe.
Andere Anbieter haben mit bestimmten Ausrüstungsvarianten den Bakterien den Kampf angesagt, so etwa Egeria mit einem antibakteriell ausgerüsteten Microfasertuch, welches das Sportprogramm ausbaut und erweitert. Oder auch die Schmitz-Werke, die speziell für das Health-Care-Segment einen Separationsstoff aus Trevira CS entwickelt haben, der dauerhaft antibakteriell wirksam ist. Das leichte Gewebe drapilux-216 bioaktiv gibt den in Krankenhäusern am häufigsten auftretenden Krankheitserregern keine Chance zum Überleben. Wieder andere Anbieter haben sich auf die Abwehr von Hausstaub-Milben verlegt. Gebr. Sanders zum Beispiel bietet "VarioProtect-Matratzenbezüge", die Matratzen vor Milben und Allergenen abschirmen. Die Bezüge verfügen über eine innenseitige Allergensperre aus Polyurethan.
Ebenso wie diese ehemals objekttypischen Ausrüstungen mittlerweile in die Privatwohnungen vorstoßen, ist auch eine flammhemmende Ausrüstung längst nicht mehr nur in der Objektware Thema. Birgit Diop, Designerin bei Delius berichtet davon, dass flammfester Polyester immer mehr Eingang in die Stoffe für die Privatverbraucher finde. Sie vermutet, dass die Anbieter beide Märkte mit den Produkten abdecken wollen. "Polyester ist nicht so gefällig. Daher machen wir diese Produkte mit Dessin und Farbe schön", stellt Diop ihre Arbeit vor.
Schon im vergangenen Jahr hatte Delius auf den Zusatznutzen im Möbelstoff gesetzt. "Wenn Sie mich als Vertriebsmann fragen, wie man heute erfolgreich sein kann, dann sage ich: Man muss Produkte anbieten können, die mehr bieten als nur schön zu sein", so ein Zitat des Delius-Vertriebschefs Gerd Kramer. Der Zusatznutzen im Möbelstoff werde von den Entscheidern erwartet, meint Kramer.
Experimente mit Material-Mix
Laut Bernhard Hansl liegt Leinen sehr im Trend und gleichzeitig sei Polyester seit Jahren aktuell, weiß der Assistent der Geschäftsführung des Textilverlages nya nordiska zu berichten. Ganz ähnlich äußert sich Donata Apelt-Ihling. "Wir verarbeiten Leinen, Baumwolle und Polyestergarne, anteilsmäßig vermischt". Die Pressechefin der Apelt-Stoffe ergänzt: "Unseres Erachtens geht der Trend zu matteren Optiken". Der starke Glanz sei zwar nicht völlig out, aber tendenziell auf dem Rückzug.
In Richtung neue Materialien erwartet Bernhard Hansl manches von Effektgamen und von Mikrofasern. "Da wird einiges weiterentwickelt", meint er. Man müsse sich um diese Entwicklung kümmern, auch wenn davon keine Hauptumsatzträger zu erwarten seien. nya nordisca hat das Experimentieren mit Materialien in jedem Fall einigen Ruhm eingebracht, haben doch Material-MixProdukte des Hauses wie Stratos anerkannte Designpreise gewonnen.
Pflegeleichtigkeit an erster Stelle
Die großen Textilverlage beobachten die Entwicklungen zur Textilveredelung, die Ausrüstungsinnovationen und speziell die Beschichtungsversuche mit den nano-kleinen Strukturen interessiert, aber zurückhaltend. "Abzuwarten ist, was sich noch alles in der Nanotechnologie tut und welche Zusatznutzen dann für die Heimtextilie sinnvoll und erschwinglich erscheint", sagt beispielsweise Lutz Neubert. Für den Produktmanager bei Saum & Viebahn steht hinsichtlich der Materialerwartungen Pflegeleichtigkeit auf Platz 1. Der Endverbraucher suche immer dann nach Sicherheit in Bekanntem und Bewährtem, wenn er durch Politik oder die wirtschaftliche Situation verunsichert sei. Aus diesem Grund würden sich die klassischen Möbelstoff-Kollektionen bei Saum & Viebahn derzeit sehr positiv entwickeln, so Neubert.
Polyesterqualitäten von Organza bis Semi-Organza, teilweise mit Fasergarnen stellte die Garotex-Gruppe vor. "Wir bewegen uns bei den Neuheiten hauptsächlich im Bereich buntgewebter Jacquardgewebe", sagt Sieglinde Brucker, "um dort mit transparenten und halbtransparenten Geweben spannungsreiche Kombinationen zwischen den einzelnen Passagen innerhalb eines Artikels zu erzielen". Die Produktentwicklerin des Hauses setzt dazu auf den Einsatz verschiedener Garnqualitäten. Damit der Polyester textiler wirke, werde es zum Beispiel Artikel mit transparenten Querstreifen geben, die dann über halbtransparente bis hin zu dichten Garnen übergehen. Um eine hochwertige Optik zu erzielen, werde man die Gardinen und Dekorationsstoffe teilweise mit aufwändiger Scherli-Musterung anbieten.
Fasern mit Zusatzfunktion
Was bei den fertigen Produkten im Trend liegt, findet sich auch bei den Heimtextil-Trends der Faserlieferanten. So legt Trevira den Fokus bei Neuentwicklungen auf Fasern für schwer entflammbare Textilien (Trevira CS). Daneben gibt es einen besonderen Schwerpunkt bei Fasern und Garnen mit antimikrobieller Zusatzfunktion (Trevira CS Bloactive), erklärt Ulrich Girrbach. Der Marketingleiter für Heimtextil bei Trevira kündigt auch eine immer stärkere Internationalisierung seines Hauses in Europa und Asien an. Dass im Zuge der EU-Harmonisierung und gar im weltweiten Umfang zugesagte Materialeigenschaften zunehmend nach vergleichbaren Verfahren geprüft werden, kommt Trevira entgegen. So sei in Indien ein wichtiger Schritt bei der Brandschutzgesetzgebung vollzogen worden. Hier wären sowohl für Polsterstoffe als auch für Gardinen die europäischen Prüfnormen vom Bureau of Indian Standards übernommen worden. Durch diese Maßnahme werde die Basis für den Einsatz von Trevira CS-Stoffen maßgeblich verbreitert, so Girrbach. Und der Markt werde auch für die europäischen Hersteller von designstarken Trevira CS-Textilien zunehmend interessanter.
Da die Ansprüche an die Eigenschaften von Textilien immer weiter steigen, erhalten innovative Textilausrüstungsverfahren, neue Ansätze in der Textilveredelung, Weiterentwicklungen in der Polymerchemie für Fasermaterialien und auch neue Materialien wie Phase-Change-Materials für adaptive Textilien eine immer größere Bedeutung. Hightech-Textilien werden zum Trendsetter für zukünftiges Design.
aus
Haustex 02/06
(Deko, Gardinen, Sonnenschutz)