Interview zu den Neuregelungen der europäischen Estrichmörtelnorm EN 13 813
Wie erhält man das CE-Zeichen für Estrichmörtel?
Die deutschen Estrichleger sind verunsichert: Nach der neuen europäischen Estrichmörtelnorm sollen sie für ihre Estrichmörtel künftig ein CE-Zeichen führen. Was bedeutet diese Kennzeichnung? Wird sie wirklich zur Pflicht? Wer muss das CE-Zeichen beantragen? Was müssen Estrich-Fachbetriebe tun, um das CE-Zeichen zu erhalten? FussbodenTechnik fragte Dipl-Phys. Oliver Erning, Leiter des Instituts für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) in Troisdorf, der an der neuen Norm mitgearbeitet hat und dessen Institut Estrichlegern bei der Umsetzung hilft, sowie Estrichunternehmer Peter Michael Krusius aus Budenheim, der seinen Betrieb bereits für das CE-Zeichen fit gemacht hat.
FussbodenTechnik: Das CE-Zeichen für Estriche geistert derzeit wie ein Gespenst durch die Branche: Die einen behaupten, es wird in Kürze für alle Estriche zur Pflicht - andere wiegeln ab, dass sei alles überhaupt noch nicht sicher. Was ist nun richtig?
Erning: Zunächst einmal muss man klarstellen, dass es sich um ein CE-Zeichen für Estrichmörtel handelt - nicht für verlegte Estriche. Das CE-Zeichen für Estrichmörtel basiert auf der neuen europäischen Estrichnorm EN 13813. Sobald die Norm in Kraft tritt, wird die CE-Kennzeichnung für alle Estrichmörtel zur Pflicht. Dann dürfen innerhalb der EU nämlich nur noch Estrichmörtel gehandelt werden, die das CE-Zeichen tragen.
FussbodenTechnik: Was heißt "innerhalb der EU gehandelt " - wird die CE-Kennzeichnungspflicht nur für den grenzüberschreitenden Handel gelten oder auch auf dem innerdeutschen Markt?
Erning: Was unter streng formaljuristischen Gesichtspunkten wann wo wirklich erforderlich sein wird, werden uns bei gegebener Zeit die Juristen erläutern. Es kann aber bei einer europäischen Vereinbarung eigentlich nicht sein, dass für jemanden jenseits der Grenze andere Regeln gelten.
Aus normativer Sicht fordert die deutsche VOB/C ATV DIN 18353 "Estricharbeiten", dass Estriche nach DIN 18560 herzustellen sind. Die neue, angepasste Fassung der DIN 18560 wird wiederum Estrichmörtel nach EN 13813 vorschreiben und damit auch das CE-Zeichen für Estrichmörtel fordern. Wenn man also DIN 18560 vertraglich vereinbart, muss der angebotene Estrichmörtel auch ein CE-Zeichen vorweisen.
FussbodenTechnik: Wann ist mit Inkrafttreten der europäischen Estrichnorm zu rechnen?
Erning: Die EN 13813 ist bereits zum sogenannten "Formal Vote" eingereicht worden - sie wird daher wahrscheinlich noch in diesem Sommer / Herbst erscheinen. Danach müssen innerhalb von 9 Monaten alle nationalen Anwendungsnormen angepasst werden - bei uns also die DIN 18560. Nach einer 12-monatigen Übergangsphase gilt dann schließlich nur noch die EN 13813 - nach derzeitigem Stand also voraussichtlich ab Ende 2003.
FussbodenTechnik: CE-Zeichen begegnen einem inzwischen an vielen Stellen - vom Kinderspielzeug bis zum Auto - ohne dass die meisten Menschen wissen, was es eigentlich bedeutet. Was hat es mit dem CE-Zeichen für Estrichmörtel inhaltlich auf sich?
Erning: In EN 13813 wird der Begriff "Estrich" neu definiert und im Vergleich zur alten DIN 18560 Teil 1 um Funktionalitätsaspekte erweitert. Das heißt, ein Estrich muss künftig geeignet sein, eine der in der Norm aufgeführten Funktionen zu erfüllen: eine vorgeschriebene Höhenlage zu erreichen, einen Bodenbelag aufzunehmen oder unmittelbar genutzt zu werden.
Das CE-Zeichen bezieht sich auf den Estrichmörtel. Mit dem CE-Zeichen kennzeichnet der Hersteller des Estrichmörtels sein Produkt. Er deklariert und garantiert alle nach EN 13813 zugesicherten Eigenschaften. Das wären bei einem einfachen Zementestrich beispielsweise die Druck- und Biegezugfestigkeit - wie schon bei der Güteprüfung nach DIN 18560 Teil 1.
FussbodenTechnik: Wenn der Hersteller "zugesicherte Eigenschaften garantiert" - ist das CE-Zeichen dann als eine Art Gütesiegel zu verstehen?
Erning: Das CE-Zeichen für Estrichmörtel ist tatsächlich eine Qualitätszusage - der Hersteller verspricht damit seinem Kunden, dass sein Produkt definierte Eigenschaften erfüllt und muss diese Aussage im Rahmen eines sogenannten Konformitätsnachweises bestätigen. Dieser Nachweis schließt unter anderem einen nachvollziehbaren Herstellungsprozess, eine Prüfung der versprochenen Eigenschaften am Produkt sowie eine laufende Produktionskontrolle ein. Ziel ist es, dass der Kunde eine garantierte und gleichmäßige Qualität geliefert bekommt. Im Gegensatz zu manchen anderen CE-Kennzeichnungen - die leider nicht alle den besten Ruf genießen - hat das CE-Zeichen für Estriche daher wirklich den Charakter eines Gütezeichens.
FussbodenTechnik: Wer gilt nach der neuen EN-Norm als "Hersteller" des Estrichmörtels - der Estrichleger oder der Mörtelproduzent? Wer muss den Qualitätsnachweis zum Führen des CE-Zeichens erbringen?
Erning: Die europäische Estrichmörtelnorm bezieht sich auf das handelbare Produkt - es fällt allerdings schwer, sich darunter einen Baustellenestrich vorzustellen. Wenn DIN 18560 künftig aber Estrichmörtel nach EN 13813 vorschreibt, wäre damit praktisch der Tod des Baustellenestrichs eingeläutet. Aus diesem Grund hat man in die Euronorm folgende Anmerkung aufgenommen: "Diese Norm kann zusammen mit Anwendungsrichtlinien und nationalen Festlegungen auf Estrichmörtel angewendet werden, die auf der Baustelle vom gleichen Unternehmer hergestellt und verlegt werden." Der Estrichleger wird damit also zum Hersteller eines Estrichmörtels, den er vor dem Einbau quasi mit sich selbst handelt. So ließen sich die Baustellenestriche retten. Als Hersteller muss der Estrichleger aber auch nachweisen, dass das von ihm gehandelte Produkt die zugesicherten Eigenschaften erfüllt.
FussbodenTechnik: Was bedeutet in diesem Zusammenhang " Produkt"? Geht es um die allgemeine Mörtelqualität eines Estrich-Fachbetriebs oder muss für jede angebotene Estrichart ein eigenständiges CE-Zeichen geführt werden?
Erning: Das CE-Zeichen wird immer nur für ein bestimmtes Produkt verliehen und bezieht sich stets auf den Mörtel. Mörtel mit verschiedener Rezeptur weisen unterschiedliche technische Eigenschaften auf und müssen daher auch einzeln überprüft werden. Das heißt: Ein Estrichunternehmen, das einen ZE 20, einen ZE 30 und einen AE 20 anbietet, muss für jeden dieser Mörtel ein eigenständiges CE-Zeichen führen - und dementsprechend einen separaten Konformitätsnachweis erbringen.
FussbodenTechnik: Was ist mit Mörteln gleicher Rezeptur, die in unterschiedlichen Aufbauten ausgeführt werden - z.B. einem ZE 20, der von einem Betrieb sowohl als Verbund- wie als Heizestrich angeboten wird? Sind das auch unterschiedliche "Produkte"?
Erning: Nein. Da sich das CE-Zeichen nur auf den ZE 20-Mörtel bezieht, ist es egal, ob der Betrieb diesen schwimmend, auf Tennlage, im Verbund oder als Heizestrich einbaut - für die einzelnen Aufbauarten ist kein spezielles CE-Zeichen vorgesehen.
FussbodenTechnik: Wie funktioniert die CE-Kennzeichnung? Was muss ein Estrich unternehmer tun, um für seine Estrichmörtel das CE-Zeichen führen zu dürfen?
Erning: Der Estrichleger muss glaubhaft nachweisen, dass sein Produkt die von ihm zugesicherten Eigenschaften auch erfüllt - denn genau dafür gewährleistet er mit dem CE-Zeichen. Wenn er also beispielsweise nach der neuen EN-Norm mit ihren veränderten Bezeichnungen einen CT-C25-F4 (bisher ZE 20) anbietet, muss er nachweisen, dass sein Mörtel tatsächlich die Anforderungen der Druckfestigkeitsklasse C25 und der Biegezugfestigkeitsklasse F4 erfüllt.
Dieser so genannte Konformitätsnachweis nach EN 13813 erfolgt auf mehreren Ebenen - unter anderem durch eine Erstprüfung des Produktes, die in der Regel vom einem Fachinstitut durchgeführt werden sollte, sowie durch eine permanente Eigenkontrolle der Produktion und regelmäßige Prüfungen des Endergebnisses. Eines der wichtigsten Elemente ist das so genannte Qualitätshandbuch. Es gibt an, wie Qualität in einem Unternehmen definiert ist und wie diese eingehalten wird. Die Ausfertigung eines Qualitätshandbuchs ist der erste Schritt auf dem Weg zum CE-Zeichen.
FussbodenTechnik: Der Begriff Qualitätshandbuch erinnert an die Qualitätsmanagementsysteme der Industrie nach der DIN EN ISO 9000er Normenreihe. Gibt es hier Parallelen?
Erning: Das Qualitätshandbuch nach EN 13813 ist tatsächlich an die DIN EN ISO 9000er Normenreihe angelehnt - es gibt allerdings zwei wesentliche Unterschiede: Einerseits wurden die Anforderungen an das Qualitätshandbuch auf die begrenzten Möglichkeiten zur Qualitätssicherung in Handwerksunternehmen zugeschnitten. Dafür haben wir uns in den zuständigen Normungskommissionen besonders stark gemacht - vor allem, damit die Baustellenestriche künftig nicht aus der Norm fallen.
Andererseits geht das Qualitätshandbuch inhaltlich deutlich über die Anforderungen der Qualitätsmanagementsysteme der 9000er-Normenreihe hinaus - denn während diese als vertrauensbildende Maßnahme lediglich Betriebsabläufe standardisieren, geht es beim Qualitätshandbuch nach EN 13813 auch und vor allem um die Qualität des Ergebnisses.
FussbodenTechnik: Was steht in einem solchen Qualitätshandbuch?
Erning: Im Qualitätshandbuch müssen alle wesentlichen Aspekte des Produktionsprozesses beschrieben werden. Es handelt sich also praktisch um eine Arbeitsanweisung: Der Estrichunternehmer dokumentiert im Qualitätshandbuch, welche Eigenschaften sein Produkt aufweisen soll, wie diese erreicht werden - also die Ausgangsstoffe und das Herstellungsverfahren - und legt zudem fest, wie die Einhaltung dieser Vorgaben gewährleistet wird.
FussbodenTechnik: Wie könnte das in der Praxis aussehen?
Erning: Zunächst muss eine Art "Kochrezept" formuliert werden: Für einen CT-C25-F4, der als Baustellenmischung hergestellt wird, muss man also unter anderem dokumentieren, welcher Zement, welcher Zuschlag und welches Zusatzmittel zum Einsatz kommen. Hinzu kommt eine Beschreibung des Herstellungsprozesses: Mischungsverhältnis, Wassermenge, Mischdauer usw. Dieser Teil des Qualitätshandbuches ist übrigens nicht für den Auftraggeber bestimmt, um Firmengeheimnisse zu wahren.
Darüber hinaus wird in dem Qualitätshandbuch der Arbeitsablauf standardisiert - also festgelegt, wer für die Einhaltung welcher Vorgaben verantwortlich ist. Das heißt in der Praxis: Der Kolonnenführer muss jeden Baustellenablauf in einem Bautagebuch dokumentieren und steht für die Einhaltung der Arbeitsanweisungen gemäß Qualitätshandbuch mit seiner Unterschrift ein. Er prüft also vor Ort die angelieferten Ausgangsstoffe - in der Regel durch Lieferscheinkontrolle - und überwacht die Einhaltung der Arbeitsanweisung. Die Dokumentation erfolgt am einfachsten anhand einer Checkliste. Sie ermöglicht die Rückverfolgbarkeit der qualitätssichernden Maßnahmen - eine zentrale Anforderung der neuen Norm.
FussbodenTechnik: Das Führen von Bautagebüchern und das Arbeiten nach Arbeitsanweisungen sind bei gewissenhaften Betrieben sowieso Standard. Warum sollen sie nun noch ein Qualitätshandbuch führen?
Erning: Weil es EN 13813 ausdrücklich vorschreibt - was allerdings auch einen konkreten Hintergrund hat: Da das CE-Zeichen ein Qualitätsversprechen ist, sind die von der Norm geforderten qualitätssichernden Maßnahmen für den Estrichunternehmer als Absicherung gegenüber teuren Haftungsansprüchen gedacht.
FussbodenTechnik: Herr Krusius, wie sehen Sie das als Estrichunternehmer? Macht ein Qualitätshandbuch Sinn oder ist es eine unnütze Schikane?
Krusius: Auch wir arbeiten schon immer mit Arbeitsanweisungen - aber nicht in der detaillierten Aufschlüsselung, wie es das Qualitätshandbuch fordert: welcher Sand, welcher Zement, wie viel Wasser, welches Zusatzmittel in welcher Dosierung, welche Mischzeit usw. Durch die exakte Dokumentation wird die Gefahr von Herstellungsfehlern tatsächlich weiter reduziert.
Außerdem erhöhen die Kontrollpflichten des Kolonnenführers das Sorgfaltsempfinden bei den Mitarbeitern auf der Baustelle und tragen zur Motivation bei, da die Arbeit einen wesentlich höheren Stellenwert erhält: Die Kolonnen übernehmen dadurch Mitverantwortung für die Qualität des Produktes. Der Kolonnenführer muss künftig mit seiner Unterschrift schließlich dafür gerade stehen, dass die Arbeitsanweisung auch eingehalten wird.
FussbodenTechnik: Mit dem Qualitätshandbuch werden lediglich Materialzusammensetzung und Arbeitsablauf standardisiert. Das sagt noch nichts über die Güte des Mörtels aus. Das CE-Zeichen soll aber zugesicherte Eigenschaften versprechen. Wie wird das sichergestellt?
Erning: Der Nachweis der zugesicherten Eigenschaft erfolgt zunächst im Rahmen der sogenannten Erstprüfung des Estrichmörtels - der zweite Schritt auf dem Weg zum CE-Zeichen. Dabei wird geprüft, ob der im Qualitätshandbuch geschilderte Produktionsprozess geeignet ist, um einen Estrichmörtel herzustellen, der die versprochenen Eigenschaften aufweist. Da für diese Untersuchungen aufwendige Prüfgeräte erforderlich sind - beispielsweise kalibrierte Druck- und Biegezugprüfmaschinen - sollte die Erstprüfung von einem entsprechend ausgestatteten Institut vorgenommen werden.
Wenn wir im IBF eine Erstprüfung durchführen, nehmen wir uns also das Qualitätshandbuch mit der Arbeitsanweisung des Estrichunternehmens zur Hand und beschaffen uns die von dem Betrieb verwendeten Ausgangsstoffe. Dann prüfen wir zunächst die Rohstoffe: Entsprechen Bindemittel, Zuschlag, Zusatzmittel etc. den Vorgaben der Arbeitsanweisung? Bei einem genormten Bindemittel reicht es beispielsweise aus, wenn das verwendete Produkt der angegebenen Norm entspricht. Beim Zuschlagsand nehmen wir eine Sieblinie.
Anschließend stellen wir aus den Rohstoffen entsprechend der Arbeitsanweisung einen Estrichmörtel her - genau nach dem angegebenen Mischungsverhältnis usw. Dann wird geprüft, ob der Mörtel und die aus ihm hergestellten Estrichprismen die zugesagten Eigenschaften aufweisen - beispielsweise bestimmte Druck- und Biegezugfestigkeiten erreicht werden. Über das Ergebnis erhält der Betrieb ein Zeugnis.
FussbodenTechnik: Demnach fällt die Erstprüfung nur einmal an?
Erning: Prinzipiell ist nur einmal eine bestandene Erstprüfung erforderlich. Das Prüfzeugnis gilt allerdings nur für das geprüfte Produkt. Das heißt: Sobald ein anderes Bindemittel oder ein neues Zusatzmittel verwendet wird, ist auch ein erneuter Konformitätsnachweis nötig - also eine neue Erstprüfung.
FussbodenTechnik: Der Mörtel muss bei jeder Rezepturänderung ganz neu geprüft werden?
Erning: Grundsätzlich fällt bei jeder Änderung der Materialzusammensetzung eine neue Erstprüfung an. Wir bieten Estrichunternehmen allerdings an, beispielsweise einen Zementestrich bei der Erstprüfung mit drei Zusatzmitteln unterschiedlicher Hersteller zu testen - erfüllt er mit allen Zusatzmitteln die geforderten Eigenschaften, erteilen wir auch für alle drei Rezepturen ein Prüfzeugnis. Selbstverständlich muss dann auch die Arbeitsanweisung entsprechend formuliert werden.
FussbodenTechnik: Was ist mit Betrieben, die verarbeitungsfertige Fahrmischer-Estriche oder werkseitig vorgemischte Trockenmörtel einsetzen? Wenn der Konformitätsnachweis nur für den Mörtel nötig ist, müssten diese Betriebe doch eigentlich aus dem Schneider sein - sie verändern das Produkt schließlich nicht mehr.
Erning: Sofern der Lieferant für den Mörtel bereits das CE-Zeichen führt, kann der Estrichleger dieses prinzipiell zum Auftraggeber "durchreichen" - vorausgesetzt, er verändert an dem Mörtel wirklich nichts mehr. Das kann bei Fahrmischer-Estrichen funktionieren - wird bei Trockenmörteln allerdings problematisch, weil der Estrichleger hier noch das Anmachwasser zugeben muss und das Produkt dadurch eben doch verändert. Was ist bei Problemen? Kann er immer nachweisen, dass er exakt nach Arbeitsanweisung gehandelt hat?
Krusius: Wir verarbeiten Calciumsulfat-Fließestriche aus dem Fahrmischer und verfolgen dabei schon unter Gewährleistungsaspekten konsequent die Philosophie: Wenn wir ein Fertigprodukt kaufen, muss es auch verarbeitungsfertig sein. Wir kontrollieren auf der Baustelle nur noch, ob uns auch tatsächlich das geliefert wurde, was uns zugesagt wurde: Ein fließfähiger Mörtel mit einem bestimmten Ausbreitmaß. Kommt das Ausbreitmaß nicht hin, bauen wir den Mörtel auch nicht ein. Wir verändern an dem Produkt selbst nichts mehr. Dann muss der Fahrer gegebenenfalls im Lieferwerk anrufen und den Mörtel beim Mischmeister reklamieren. Gibt dieser dann dem Fahrer die Anweisung, eine bestimmte Menge Wasser beizugeben, bleibt das Gewährleistungsrisiko beim Lieferanten.
Erning: Nur auf diesem Weg ist auch ein "Durchreichen" des CE-Zeichens vom Mörtelhersteller zum Auftraggeber möglich. Sobald an dem Mörtel etwas verändert wird - wie Wasseranteile außerhalb der Arbeitsanweisung, Faserzugeben oder eine neue Zusatzmitteldosierung - ist prinzipiell eine eigenständige CE-Kennzeichnung nötig.
FussbodenTechnik: Sie erwähnten, dass EN 13813 neben der Erstprüfung auch eine regelmäßige Kontrolle des Endproduktes verlangt. Wie funktioniert diese Kontrolle?
Erning: Der Estrichunternehmer nimmt vom eingebauten Mörtel einen Satz Prismen und schickt diesen zur Überprüfung an ein Institut.
FussbodenTechnik: Von jeder Baustelle?
Erning: Nein, das wäre schon aus Kostengründen kaum durchführbar. Selbst die Mörtelindustrie prüft schließlich nicht jeden verkauften Kubikmeter, sondern zieht lediglich Stichproben. So ist auch die regelmäßige Kontrolle des Endproduktes nach EN 13813 zu verstehen. Wir orientieren uns bei den Betrieben, die in Sachen Konformitätsnachweis mit dem IBF zusammenarbeitet, an den Vorgaben des Güteschutzes für Estriche: fordern also mindestens sechs Prismensätze pro Jahr bzw. eine Prismenprüfung alle zwei Monate. Manche Betriebe schicken allerdings bei kritischen Baustellen auch zusätzliche Prismensätze ein, um auf der sicheren Seite zu sein. Für kleine Betriebe, die bestimmte Produkte nur selten einbauen, sind Sonderregelungen vorgesehen.
FussbodenTechnik: Was wird bei den Prismen geprüft?
Erning: Auch hier geht es wie bei der Erstprüfung darum, ob das Produkt die zugesicherten Eigenschaften aufweist - also beispielsweise die versprochenen Druck- und Biegezugfestigkeiten. Dadurch wird indirekt auch kontrolliert, ob der Estrich auf der Baustelle tatsächlich nach der Arbeitsanweisung hergestellt wird.
FussbodenTechnik: Wie viele dieser Stichprobenprüfungen müssen bestanden werden?
Erning: Alle. Die neue EN-Norm ist in diesem Punkt sehr anspruchsvoll: Wenn das Produkt nur einmal durchfällt, ist das CE-Zeichen futsch. Dann fällt also wieder eine neuer Konformitätsnachweis mit Erstprüfung usw. an.
FussbodenTechnik: Der Weg zum CE-Zeichen gestaltet sich ziemlich aufwändig und die Normanforderungen sind recht anspruchsvoll. Können Estrich-Fachbetriebe auf irgendeine Hilfestellung zurückgreifen?
Erning: Das IBF bietet Betrieben ein komplettes Paket an Unterstützungsmaßnahmen auf dem Weg zum CE-Zeichen an. Es reicht von der Ausgestaltung des Qualitätshandbuches bis zur Ausstellung der EG-Konformitätsbescheinigung. Sie bildet die Grundlage für die so genannte Konformitätserklärung des Herstellers, die schließlich zum Führen des CE-Zeichens berechtigt.
Wir helfen bei der Standardisierung der Abläufe und arbeiten gemeinsam mit den Betrieben für jedes Estrichprodukt die Arbeitsanweisungen für das Qualitätshandbuch aus. Dabei legen wir übrigens großen Wert darauf, dass alle Arbeitsanweisungen baustellengerecht ausfallen - denn nur dann werden sie in der Praxis auch eingehalten. Anschließend führen wir anhand der Arbeitsanweisungen die Erstprüfungen durch.
Sechs Monate nach der Erstprüfung erfolgt dann eine Zwischenkontrolle durch das IBF: Wurde das Bautagebuch ordnungsgemäß geführt und eine ausreichende Prozesskontrolle gewährleistet? Wurden regelmäßige Kontrollen am Endprodukt durchgeführt - die wir ebenfalls übernehmen - und dabei durchgehend die im Handbuch zugesagten Eigenschaften eingehalten? Wenn das alles in Ordnung ist, vergeben wir schließlich die Konformitätsbescheinigung. Der Betrieb kann auf dieser Basis die Konformitätserklärung erstellen und das CE-Zeichen führen.
FussbodenTechnik: Herr Krusius, Ihr Fachbetrieb hat die Anforderungen zum Führen des CE-Zeichen für einige Produkte bereits weitgehend umgesetzt. Wie verlief der Prozess bei Ihnen?
Krusius: Da wir bei Calciumsulfat-Fließestrichen mit Fahrmischer-Produkten arbeiten, steht bei uns vor allem für unsere Zement-, Hartstoff- und Steinholzestriche, die als Baustellenestriche hergestellt werden, eine eigenständige CE-Kennzeichnung an. Wir haben bei der Vorbereitung der CE-Kennzeichnung unserer Estrichprodukte mit dem IBF zusammengearbeitet, das uns in vielen Belangen sehr geholfen hat.
Der schwierigste und aufwändigste Teil ist sicher die normgerechte Ausgestaltung des Qualitätshandbuches. Das IBF hat ein Musterhandbuch entwickelt, das lediglich betriebs- und produktspezifisch angepasst werden muss. Anhand dieser Vorlage konnten wir diesen Part vergleichsweise problemlos meistern.
Die Estrichausführung nach Arbeitsanweisungen war bei uns schon vorher Standard. Hier müssen wir unsere Kolonnenführer allerdings künftig anweisen, noch gewissenhafter zu arbeiten und konsequent alle Schritte zu dokumentieren. Eine regelmäßige Kontrolle des Endproduktes wird bei uns als Mitgliedsunternehmen der Gütegemeinschaft Estrich und Belag hingegen bereits seit vielen Jahren praktiziert.
FussbodenTechnik: Die Gütegemeinschaft RAL RG 818 ist ein gutes Stichwort. Die Mitgliedsunternehmen betreiben bereits eine umfangreiche qualitätssichernde Maßnahmen einschließlich permanenter Eigen- und regelmäßiger Fremdüberwachung ihrer Estriche. Sind diese Betriebe bei der Einführung des CE-Zeichens im Vorteil?
Erning: Den Güteschutz-Mitgliedsbetrieben wird der CE-Zertifizierungsprozess sicher leichter fallen. Sie müssen schon heute ein Baustellentagebuch führen und regelmäßige Güteprüfungen veranlassen. Dennoch kommen sie bei Einführung der CE-Kennzeichnung um die Ausgestaltung eines normgerechten Qualitätshandbuches und die Erstprüfung ihrer Produkte nicht herum. Die Umsetzung der nach EN 13813 geforderten qualitätssichernden Maßnahmen in der Praxis dürfte für diese Betriebe allerdings kein Problem darstellen - definierte Abläufe, wirksame Kontrollmechanismen und Eigenverantwortung der Mitarbeiter werden hier bereits gelebt. In gewisser Hinsicht sind die Anforderungen des freiwilligen RAL-Gütezeichens für Estriche sogar anspruchsvoller als die des CE-Zeichens, das künftig zur Pflicht wird. Denn die Betriebe in der Gütegemeinschaft Estrich und Belag müssen sich neben einer durchgehenden Eigenkontrolle auch einer Fremdüberwachung durch das IBF unterziehen, das regelmäßig Baustellenüberwachungen und Trittschallprüfungen durchführt. So weit geht die für das CE-Zeichen geforderte Produktionskontrolle nicht. Das RAL-Gütezeichen bleibt damit auch nach Einführung der CE-Kennzeichnung ein ganz besonderes Qualitätsmerkmal.
FussbodenTechnik: Stellt sich noch die entscheidende Frage nach dem finanziellen Aufwand für das CE-Zeichen. Herr Krusius, welche zusätzlichen Kosten sind Ihnen durch die Umsetzung der geforderten Qualitätssicherungsmaßnahmen entstanden?
Krusius: Der Großteil sind Einmalinvestitionen - insbesondere die Kosten für die Erstellung des Qualitätshandbuches, für die Erstprüfung und für die Zwischenkontrolle einschließlich Konformitätsbestätigung. Die Umsetzung der geforderten Qualitätssicherungsmaßnahmen im Baustellenalltag ist hingegen nur mit geringem Mehraufwand verbunden. Die Kolonnenführer werden bei uns intern geschult auf die Qualitätssicherungsmaßnahmen, die vor Ort ergriffen werden müssen. Die Kolonnenführer müssen zwar alle wesentlichen Arbeitsschritte gewissenhaft dokumentieren, aber das geht mit entsprechenden Checklisten vergleichsweise einfach. Was erheblich zugenommen hat, ist die Verantwortung des Kolonnenführers und das zahlt sich für den Estrichunternehmer sogar aus, wenn sich dadurch die Gefahr von Verarbeitungsfehlern und teurer Schäden verringert.
Erning: Man darf außerdem nicht vergessen, dass das CE-Zeichen künftig für alle nach DIN 18560 arbeitenden Betriebe Pflicht wird. Durch die Aufwendungen für die CE-Kennzeichnung entstehen also keine Wettbewerbsnachteile - zumal das CE-Zeichen europaweit eingeführt wird.
FussbodenTechnik: Aber nur innerhalb der EU - was ist mit den Billigkolonnen aus Osteuropa?
Erning: Auch hier versprechen wir uns Vorteile für unsere Handwerksbetriebe, denn wir gehen davon aus, dass nach Einführung der CE-Kennzeichnung auch nur noch entsprechend gekennzeichnete Produkte in Deutschland und der EU ausgeschrieben werden. Billigkolonnen ohne konformitätskonforme Estrichmörtel hätten dann keine Chance mehr.
FussbodenTechnik: Aber schränkt das CE-Zeichen mit seinen strengen Vorgaben an die technischen Eigenschaften des Estrichs nicht die Möglichkeiten ein, sich durch Spezialprodukte Wettbewerbsvorteile in bestimmten Nischen zu verschaffen?
Erning: Ganz im Gegenteil - im Grunde gibt es sogar weniger Vorgaben als zuvor. Bisher hat die DIN 18560 für die Estrichherstellung beispielsweise normierte Ausgangsstoffe verlangt. Solche Forderungen gibt es in der EN 13813 nicht. Nach der neuen Euronorm kann man einen Estrich also prinzipiell aus jedem beliebigen Material herstellen - man muss lediglich seine Funktionsfähigkeit nachweisen. Die Norm lässt damit kreativen Köpfen viel Spielraum. Man kann verschiedenste Eigenschaften ausloben - sofern man nachweist, dass diese auch erfüllt werden.
----
Die neue Estrichdefinition
In der neuen europäischen Estrichnorm EN 13813 wird der Begriff "Estrich" neu definiert. Demnach gilt für Estriche künftig gilt keine Dickeneinschränkung mehr - dafür wird der Estrichbegriff um Funktionalitätsaspekte erweitert. Der Wortlaut der Estrichdefinition gemäß EN 13813:
"Schicht oder Schichten aus Estrichmörtel, die auf der Baustelle direkt auf dem Untergrund, mit oder ohne Verbund, oder auf einer zwischenliegenden Trenn- oder Dämmschicht verlegt wird, um eine oder mehrere der nachstehenden Funktionen zu erfüllen:
- eine vorgegebene Höhenlage zu erreichen,
- einen Bodenbelag aufzunehmen,
- unmittelbar genutzt zu werden."
Anmerkung: Der deutsche Begriff "Estrich" bezeichnete bisher sowohl den Estrichmörtel als auch das fertige Bauteil. Das CE-Zeichen bezieht sich nur auf den Estrichmörtel.
----
Das CE-Zeichen für Estriche auf einen Blick
Was bedeutet das CE-Zeichen?
Nach der neuen europäischen Estrichnorm EN 13813 muss der Hersteller des Estrichmörtels für sein Produkt die Einhaltung der Normanforderungen nachweisen (Abschnitt 6: Konformitätsbewertung). Dieser Nachweis wird durch das CE-Zeichen dokumentiert.
Wer muss das CE-Zeichen führen?
Jeder, der innerhalb der EU mit Estrichmörteln handelt - also auch jeder Estrichfachbetrieb, der Estrichmörtel für Estriche nach DIN 18560 anbietet (auch im innerdeutschen Handel).
Was wird zertifiziert?
Der Estrichmörtel, wobei für jedes Produkt ein eigenständiges CE-Zeichen zu führen ist.
Ab wann gilt die CE-Kennzeichnungspflicht?
Mit endgültigem Inkrafttreten der neuen europäischen Estrichnorm EN 13818 - voraussichtlich ab Ende 2003.
Welche Bedingungen müssen für das Führen des CE-Zeichens erfüllt werden?
Eine Erstprüfung des Produktes (in der Regel durch ein Fachinstitut) und eine permanente werkseitige Produktionskontrolle (Konformitätsnachweis):
- Ausarbeitung eines Qualitätshandbuchs,
- Führen und Einhalten von Probeentnahmeplan/Prüfplan,
- regelmäßige Kontrolle der Ausgangsmaterialien, des Produktionsprozesses und des Endproduktes (Prismensätze),
- Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit aller Arbeitsschritte,
- Festlegung von Vorgehensweisen für nicht konforme Produkte.
----
Sonderfall Güteschutz-Betriebe
Mitgliedsbetriebe der Gütegemeinschaft Estrich und Belag RAL-RG 818 führen bereits umfangreiche qualitätssichernde Maßnahmen durch und haben es auf dem Weg zum CE-Zeichen für Estrichmörtel daher etwas leichter.
Sie müssen im Rahmen des Zertifizierungsprozesses lediglich folgende zusätzliche Maßnahmen ergreifen:
- Erstellung eines Qualitätshandbuches (angepasst auf die Produkte und Bedürfnisse des Unternehmens)
- Durchführung der Erstprüfung (für jedes Produkt)
- Einführung der erweiterten werkseitigen Produktionsüberwachung
- Erstellen der Konformitätserklärung
Bei allen Maßnahmen bietet das IBF Hilfestellung an, das auch die Güteprüfungen nach RAL-RG 818 durchführt.
aus
FussbodenTechnik 04/02
(Normen)