Kleine Fehler - großer Schaden
Falsche Beschichtung zerriss den Untergrund
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler könne hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schäden mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um Schäden durch den Auftrag einer ungeeigneten Beschichtung.
Im Zuge von Renovierungsarbeiten sollte in einem Kaufhaus in Süddeutschland der alte PVC-Bodenbelag durch eine Beschichtung in Form eines mehrschichtigen, kunstharzgebundenen Spachtelbelags ersetzt werden. Als Untergrund lag ein Gussasphaltestrich auf Trennlage vor.
Die Handwerker brachten nach der Untergrundvorbehandlung zunächst in einem Arbeitsgang eine Grundspachtelschicht auf, die sie anschließend mit einer Kopfversiegelung versahen. Um die entstandene, auffällige und unregelmäßige Oberflächenoptik zu neutralisieren, wurde die Beschichtung angeschliffen und erneut eine Kopfversiegelung aufgetragen.
Das Schadensbild: Gravierende Rissbildung in Beschichtung
Zwei bis drei Monate nach der Nutzungsaufnahme zeigten sich erste Anrisse in der Beschichtung, die sich später deutlich aufweiteten. Der nach einiger Zeit hinzu gerufene Gutachter fand auf der Fläche schließlich in erheblichem Umfang gravierende Risse vor - mit Rissbreiten von 0,5 bis 10 mm auf einer Länge zwischen 0,5 und 5 m. Die Rissflanken waren teilweise regelrecht aufgeschüsselt, was das Oberflächenbild zusätzlich beeinträchtigte. Außerdem zeigten sich Abrisse im Randbereich, da sich die Randfugen um etwa 7 bis 8 mm geweitet hatten.
Darüber hinaus waren auf der Oberfläche handwerklich verursachte Rauheiten bzw. Riefen - sogenannte "Kellenschläge" - sowie Roll-Ansätze zu erkennen. Sie waren angesichts der hohen repräsentativen Ansprüche des Kaufhausbetreibers ebenfalls als optische Beeinträchtigung zu bewerten. Gemäß Ebenheitsprüfung überschritten die Unebenheiten auf der Fläche jedoch nicht die zulässigen Toleranzen der DIN 18202 "Toleranzen im Hochbau" - mit Ausnahme der streifenförmigen, rund 1 bis 4 mm hohen Aufschüsselungen vor den Rissen.
Bohrkerne zeigten Rissfortsetzung im Gussasphaltestrich
Zur weiteren Ursachenforschung wurden aus der Fußbodenkonstruktion im Nassbohrverfahren vier Bohrkerne mit einem Durchmesser von jeweils 150 mm herausgearbeitet. Die Schichtdickenprüfung nach DIN 50950 mittels Querschliffverfahren ergab eine Beschichtungsdicke zwischen 2,3 und 3 mm.
An den Bohrkernen zeigte sich, dass sich die Risse in der Beschichtung deckungsgleich im Gussasphaltestrich fortsetzen - allerdings nicht in der Betondecke. Die Risse verliefen V-förmig - waren also an der Beschichtungsoberfläche deutlich aufgeweitet und wurden in den Gussasphalt hinein immer schmaler. Die Beschichtung wies dennoch auch im Rissflankenbereich eine gute Haftung zum Untergrund auf. Innerhalb der Risse war kein Beschichtungsmaterial zu erkennen - sie konnten sich also erst nach Abschluss der Beschichtungsarbeiten gebildet haben.
Die Ursache: Ungeeignetes Beschichtungsmaterial für thermoplastische Untergründe
Dass sich kein Beschichtungsmaterial in den Rissen befand, ließ außerdem darauf schließen, dass die Spannungen, die zu den Rissen geführt hatten, von der Beschichtung ausgegangen waren. Die Hauptursache für die Risse konnte daher nur im Aufbringen einer sehr spannungsreichen Beschichtung liegen - obwohl der thermoplastische Gussasphalt-Untergrund nur geringe Zugspannungen aufnehmen kann.
Die Schrumpfneigung des Beschichtungssystems führte zu so großen Zugspannungen, dass sich zunächst Rissansätze in der Beschichtung bildeten, die sich aufgrund des guten Haftverbundes zum Untergrund schließlich als Kerbrisse im Gussasphalt fortsetzen. In Verbindung mit dem thermoplastischen Verhalten des Gussasphaltestrichs kam es dann zu den Aufschüsselungen der Fußbodenkonstruktion im Bereich der Risse.
Hier war also eindeutig ein ungeeignetes Material für den vorliegenden Untergrund gewählt worden. Wäre die Beschichtung auf einem mineralischen Untergrund aufgebracht worden - beispielsweise einem Zementestrich oder Beton - hätten sich keine Risse gebildet.
Die Schuldfrage: Beschichter hätte die Untergrundart berücksichtigen müssen
Es ist allgemein bekannt, dass Gussasphaltestriche aufgrund ihrer thermoplastischen Eigenschaften nur geringe Druck- und Zugspannungen aufnehmen können - zumal es sich beim Bindemittel praktisch um eine "erstarrte Flüssigkeit" handelt. Sie können daher nicht die Druck- und Biegezugfestigkeiten von Zementestrichen oder Beton erreichen. Hier eine spannungsreiche Beschichtung aufzubringen, ist äußerst kritisch.
Der ausführende Handwerksbetrieb hätte bei der Materialauswahl die besonderen Eigenschaften dieser Untergrundart berücksichtigen müssen. Er ist damit in vollem Umfang für die entstandenen Schäden verantwortlich. Hinzu kommt die weder sach- noch fachgerechte Verarbeitung des mehrlagigen Beschichtungssystems als Spachtelbelag, die ebenfalls mit zu den Schäden beigetragen hat - wenn auch in geringerem Umfang. Die Grundspachtelschicht war entgegen den Herstellerangaben in einem Arbeitsgang statt in zwei Schichten und zudem zu dick aufgebracht worden - wodurch zusätzliche Spannungen entstanden. Aufgrund der falschen Materialwahl wäre es allerdings wohl auch bei sach- und fachgerechter Verarbeitung zum Schaden gekommen.
Der geschilderte Beispielfall soll nicht generell vom Beschichten von Gussasphaltestrichen abraten - solche Untergründe können durchaus mit kunstharzgebundenen Bodensystemen versehen werden. Hier müssen jedoch spannungsarme Systeme zum Einsatz kommen - z.B. Polyurethanbeschichtungen (PUR-Systeme) - die in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften auf diese spezielle Untergrundart abgestimmt sind.
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Der Autor: Dipl.-Ing. Ralf Gagewi ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Industriefußböden und Partner im IFF-Gutachter-Team Becker-Gagewi in Gappenach.
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FussbodenTechnik 05/02
(Handwerk)