Chemiefaserindustrie 2005

Trotz nationaler Bürden im Markt behauptet


Frankfurt - Mit Blick auf das zurückliegende Jahr 2005 musste die deutsche Chemiefaserindustrie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen leichten Rückgang der Produktionsmengen hinnehmen. Ähnlich gestaltete sich auch der Verlauf des Absatzes im Vergleichsjahreszeitraum. Deutlich nachgebend war hingegen die Umsatzentwicklung. Sowohl wert- als auch mengenmäßig wurde ein Einbruch der Exportzahlen verzeichnet, wohingegen der Import deutlich zunahm, vor allem wertmäßig.

Dieses wird als Zeichen dafür gewertet werden, dass sich die importierte Chemiefaserqualität aus dem Commodity-Bereich in den Spezialitätensektor hinein entwickelt. Die zugenommenen Importe übten auf dem heimischen Markt einen entsprechenden Druck aus. Dem letztjährigen Trend folgend entwickelten sich die Märkte für Chemiefaserqualitäten in technischen und medizinisch/hygienischen Anwendungen gut, wohingegen der sich bekleidungsorientierte Teil einer eingehenden Situationsanalyse unterziehen muss.

Rohstoffe und Energie

Die schwierige Situation der deutschen Chemiefaserhersteller im Jahr 2005 ist nicht nur auf den zunehmenden Wettbewerb zurückzuführen, der insbesondere durch den Kapazitätsausbau in Fernost verursacht wird, sondern auch auf nationale Bürden, die es zu schultern galt.

Zwar blieb die deutsche Chemiefaserindustrie nicht von den Folgen der gestiegenen Rohölpreise verschont, die im Jahr 2005 unvorhersehbare Höhen erreichten, aber unter dieser Belastung litten alle Produzenten weltweit. Erschwerend und international einseitig kamen in Deutschland jedoch die nationalen Steuer- und Abgabenlasten als treibender Kostenfaktor hinzu, die sich im Bereich elektrischer Energie in den letzten acht Jahren verfünffachten. Gepaart mit der Pseudoliberalisierung des Oligopols im Bereich der elektrischen Energieversorgung ergeben sich national-spezifische Belastungen, die nicht ohne Folgen für die globale Wettbewerbsfähigkeit bleiben, denn diese politisch bedingten Teuerungen können in ihrer Summe nicht mehr durch eine Erhöhung der Wertschöpfung durch Innovationen ausgeglichen werden.

Die Chemiefaserbranche hat ihre "Hausaufgaben" in den letzten Jahren gemacht und ihre Potentiale zur Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit erfolgreich ausgeschöpft. Nun liegt es in den Händen der Politik, ob sie sich zum Industriestandort Deutschland bekennt oder glaubt, dauerhaft auf produzierende Industrie verzichten zu können. Bei weiterhin ungünstigen Standortbedingungen wird eine exportintensive Branche wie die Chemiefaserindustrie, die einen Gesamtexportanteil von 90 Prozent hat, langfristig dem Ruf günstigerer Standorte folgen müssen.

Fairer Wettbewerb

Wenn schon besondere nationale Bürden zu schultern sind, muss um so mehr darauf gedrängt werden, dass der internationale Wettbewerb fair und nach gleichen Regeln verläuft. Aus diesem Grund ist die Analyse des Preisniveaus der importierten Chemiefasern mit Blick auf Dumping für die Chemiefaserbranche unerlässlich. So mussten auch im Jahr 2005 erneut Antidumping-Verfahren eingeleitet und bestehende Antidumping-Zölle überprüft werden.

Weiterhin unverständlich ist das unausgewogene Verhältnis von Importzöllen zwischen EU- und Nicht-EU-Staaten. Betragen die EU-Importzölle für Chemiefasern nur 4 Prozent, so müssen für den Marktzugang z. B. in Indien in der Summe (Zölle und Gebühren) ca. 31 Prozent aufgebracht werden. Damit ist ein Export von Chemiefasern vom Hochkosten- und Vorschriftenland Deutschland ins Niedrigkostenland Indien sowie in weitere Niedrigkostenstaaten mit hohen Importzöllen auch für Spezialitäten beinahe unmöglich. Hier ist dringend eine Änderung der Situation erforderlich, wozu die nächste WTO-Runde Gelegenheit gibt.

Als der Situation angemessen wird auch die Verwehrung des Status der Marktwirtschaft für China angesehen, so lange z. B. die Bildung von chinesischen Preiskartellen als historische Gepflogenheit erlaubt ist. Neben der Forderung nach gleichen Wettbewerbsbedingungen für den direkten Chemiefasermarkt sind auch die Handelsbedingungen für den textilen Markt von großer Bedeutung. So führte der Umgang der Europäischen Kommission mit den aufgehobenen Quoten für Importe von textilen Erzeugnissen aus China zu unnötiger Unruhe. Entfielen die Quoten zunächst planungsgemäß mit Jahresbeginn 2005, so führte die im Frühjahr 2005 auf Druck einiger EU-Mitgliedsstaaten erneut eingeführte Kontingentierung zu großen Problemen und Unsicherheiten auch innerhalb der Chemiefaserkundschaft.

So wünschenswert die Flexibilität der EU-Kommission in wirtschaftpolitischen Fragen ist, so schädlich ist sie gleichermaßen, wenn dadurch die Rechts- und Planungssicherheit für Unternehmen gefährdet wird. Für die Rechts- und Planungssicherheit mit Bezug auf Textilquoten bedeutet dieses, dass die von der Europäischen Kommission im Frühjahr 2005 in Absprache mit der Volksrepublik China neu eingeführten und WTO-konformen Quoten nun bis 2008 aufrechterhalten werden müssen, wobei die im Jahr 2005 vorgezogenen Lieferkontingente weder in diesem noch in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen dürfen!

Ausblick

Für das Jahr 2006 wird in der deutschen Chemiefaserbranche eine weitere Differenzierung der Situation erwartet. Fasern für den technischen Bereich werden weiterhin aufnahmefähige Märkte finden, wohingegen der Bewegungsspielraum für textile Qualitäten deutlich enger werden wird. Hier gilt es verstärkt, abseits einer ruinösen Preispolitik hochwertige Alleinstellungsmerkmale zu erkennen und auszubauen. Die auf einem hohen Niveau liegenden internationalen Rohstoffpreise werden kaum nachgeben, jedoch auf breiter Front in der Wertsetzung der Chemiefasern Berücksichtigung finden.
aus Haustex 03/06 (Fasern, Garne)