Weg von den ewigen Bordüren
EU fördert Fortbildung nepalesischer Teppichdesigner
Ein Projekt der Europäischen Union unterstützt Nepals Teppichdesigner bei der Suche nach neuen Designs. Nur wenn neue Wege beschritten werden, kann der Anteil am weltweiten Teppich-Markt gehalten werden. (von Claus Spitzer-Ewersmann)
Tsering Gyatso wartet gespannt auf die Domotex. Dann will der Teppichdesigner aus Nepal zeigen, was er in den letzten Monaten alles gelernt hat. Schwerpunkt seiner Arbeit sind Farben und die vielfältigen Möglichkeiten ihrer Kombination. "Man kann das Thema Farben nicht über Nacht meistern, es bedarf schon eines längeren Zeitraumes, bis man ein Gefühl für Farben entwickelt hat", sagt er und hofft, dass sich in Hannover Interessenten für seine Designs finden werden.
Zweieinhalb Jahre lang fördert die Europäische Union mit 120.000 Euro aus ihrem Asia-Invest-Fonds Trainingsmaßnahmen für Teppichdesigner, Teppichknüpfer und Vermarktungsspezialisten aus dem Himalaya-Staat. Lokale Träger des Ende August gestarteten Projektes sind der Teppichverband CCIA, der Verband der Teppichexporteure NCEA sowie das Private Sector Promotion Projekt der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ).
Sie steuern zusammen weitere 30.000 Euro bei. Wichtigstes Ziel ist die Anbahnung von langfristigen, nachhaltigen Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in Nepal und der Europäischen Union.
Da für nepalesische Teppiche der Hauptmarkt in Deutschland liegt - 80 Prozent der Produktion geht dorthin -, ist das Trainingsprojekt ganz auf die Bedürfnisse des deutschen Marktes ausgerichtet.
"Neben dem Designtraining beinhaltet das Programm, an dem zwölf Designer aus zwölf Manufakturen teilnehmen, auch Schulungen für Wollfärbereien, Knüpf- und Webtraining sowie Vermarktungsseminare. Es endet mit einem Buyers-Sellers-Meeting in Deutschland", erläutert Elke Shrestha von der GTZ in der Hauptstadt Kathmandu. Dort soll sich dann erweisen, ob die nepalesischen Hersteller ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern konnten und ob sich für sie neue Geschäftsmöglichkeiten auftun.
Die nepalesische Teppichindustrie hat zurzeit einen jährlichen Bedarf von rund 10.000 Designs. Er kann kaum gedeckt werden. Vielfach bekommen die Teppichhersteller die Muster von ihren Kunden bzw. ausländischen Importeuren vorgegeben. Kleine Hersteller, die nicht in direktem Kontakt zu deutschen Einkäufern stehen, bringen keine eigenen Designs zustande, sondern arbeiten als Unterauftragnehmer (Subcontractor) für die größeren Produzenten und Exporteure und sind von ihnen abhängig.
Es gibt vereinzelt schon professionelle einheimische Designer, die sich das Handwerk selbst beigebracht haben - wie etwa Rosa Tuladhar. Bisher kopierte sie ihre Designs vorwiegend aus Zeitschriften und modifizierte sie dann etwas. Um eigene Kreationen hat sie sich nicht gekümmert. Für sie ist das Training wie maßgeschneidert. Unter der Anleitung der deutschen Designerin und Farbberaterin Christiane Baur aus Essen konnte sie schnell herausfinden, wie man eigene Designideen entwickelt und woher man weitere Inspirationen für Designs bekommt.
Als zentrale Aufgabe ihrer Arbeit sieht es Christiane Baur an, "Impulse zur Kreativität aufzuspüren, sie marktgerecht umzusetzen, das Gefühl für Proportionen zu trainieren und Farbkombinationen zu erarbeiten, die Möglichkeiten in der Produktion richtig einzuschätzen und auch einmal ungewöhnliche Wege zu beschreiten". Ausgerichtet ist das Training an der Designphilosophie "Open Borders, Open Mind".
Unterstützung leisten vier indische Kolleginnen und Kollegen. Sanchita das Gupta aus Bangalore sowie Nien Siao, Mahesh Borse und Chandrashekhar Bheda aus Delhi kümmern sich jeweils um drei Designer aus Nepal. Baur: "Es hat sich nach der Anlaufphase erwiesen, dass das fruchtbarer und anregender ist als Einzelarbeit." Man profitiere gegenseitig von den bisher gemachten Erfahrungen, ergänze sich und lerne voneinander.
Trotz gelegentlicher Unsicherheiten scheint die Lust am Lernen in den Workshops äußerst groß. Zwar seien die ersten Ergebnisse, so Christiane Baur, oft noch "sehr roh, ungelenk und in der Regel zu voll gepackt", doch das ändere sich schon bald. Schon kleinste Fortschritte werden erfreut zur Kenntnis genommen. Die Designkoordinatorin mischt sich ein, verändert und reduziert. Es gilt: Weniger ist mehr! Wichtig sei die Eigenständigkeit und Aussagekraft des Designs und dass es sich "dem Raum zuordne, ohne zu laut und vorherrschend zu sein". Schließlich gehe es darum, dem Kunden in den jeweiligen Geschmacksbereichen zu gefallen.
Erstrebenswert, so erklären alle Beteiligten übereinstimmend, wäre eine Fortführung des Trainings über die Zeitdauer des Projektes hinaus. Tsering Norphel, der zu den vielversprechendsten jungen Designern des Landes zählt, regt zudem eine "stärkere Einbeziehung und mehr Feedback der Firmeneigentümer in das Training" an. Damit ließe sich die Motivation der Teilnehmer weiter steigern. Christiane Baur ergänzt: "Es sollte eines Tages möglich sein, den zwölf beteiligten Designern aus Nepal eine im Land geschützte Berufsbezeichnung - etwa Carpetdesigner - zu geben."
Um Nepals Anteil an der Weltteppichproduktion zu sichern, empfiehlt die deutsche Expertin darüber hinaus, eine grundlegende Design-Philosophie herauszuarbeiten und sich darauf zu konzentrieren, Neues auszuprobieren.
Man solle sich am Markenzeichen des Tourismusindustrie orientieren: "Nepal - where the minds fly".
Christiane Baur fordert den unbedingten Mut zum Ungewöhnlichen, zum Innovativen und "endlich mal andere Gestaltungsideen als die ewigen Bordüren".
Man müsse zurückfinden zu unverwechselbarer Qualität, zu einem Design, in dem Witz wieder einen Platz bekommt, zu Farbkombinationen, die angeglichen sind an Materialien der Möbel- und Dekostoffindustrie und die gleichzeitig den Raum zur Ruhezone definieren - getreu einer Aussage der Trendforscherin Carmen Lacaschus: "Die Zukunft des Wohnens bestimmen Individualisten jeglicher Art. Lebensqualität definiert sich mit dem Label: Die Wohnung ist der Handschuh meiner Seele, meine dritte Haut."
aus
Heimtex Orient 04/02
(Teppiche)