Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Warenkunde

In der vorangegangenen Ausgabe fragten wir wieder nach der richtigen Antwort zu den zehn angefragten Fachbegriffen aus dem Orientteppichbereich und seinem Umfeld. Dabei spielt auch das Geschichtliche immer mit eine kleine Rolle. Zu jedem Begriff haben wir jeweils vier Antworten angeboten, von denen nur eine richtig ist. Haben Sie alle Begriffe richtig angekreuzt? Hier die Auflösung mit den Erläuterungen dazu.

Brilliantgarn - Garn, das mit einem metallisch wirkenden Effektfaden umzwirnt ist

Da der innere, der Grundfaden, der "Seele" genannt wird, mit einem metallisch wirkenden Glanzeffekt ummantelt ist, zählen die Brillantgarne mit zu den so genannten Effektgarnen. Man trifft sie bei Orientteppichen hin und wieder an in Hereke- und Kayserie-Seidenteppichen und deren Nachknüpfungen aus China, seltener in persischen Knüpfungen. Bei derart gearbeiteten Teppichen wird das Brillantgarn nicht als Flor geknüpft, sondern die so gestalteten Fondflächen ausschließlich als Schußfaden, also quer, eingewebt. Da dieser Effekt wie aufgestickt wirkt, spricht man auch vom Brochieren (Franz. broché: angeheftet).

Lotto-Teppich - Antike Orientteppiche, die nach einem Maler der Renaissance benannt sind.

Lorenzo Lotto (1480-1556) war ein berühmter Maler der Renaissance, auf dessen Gemälden häufig Orientteppiche als Inventarstücke mit abgebildet sind. Sie waren außerordentlich kostbar und liegen deshalb meist auf Tischen und Emporen oder hängen über Geländer und Brüstungen. Lotto-Teppiche existieren also nicht wirklich, wurden aber zu einem stehenden Begriff in der Orientteppichkunde. Da es sich um authentische, im Detail teils akribisch genau wiedergegebenen Teppichmuster handelt, stützt sich die Orientteppich-Forschung auf diese Abbildungen, was letztlich dazu führte, Teppiche dieser Epoche und dieser speziellen Dessins allgemein als "Lotto-Teppiche" zu bezeichnen. Oft sind sie der türkisch-anatolischen Provenienz Usak (sprich: Uschak) zuzuordnen, weshalb auch die Bezeichnung Lotto-Uschak in Gebrauch ist. Da Holbein d. J. (1497-1543) ebenfalls Orientteppiche in seine Gemälde integrierte, spricht man in diesem Zusammenhang auch von "Holbein-Teppichen".

Kayserie - Türkisch-anatolische Teppichprovenienz

Gelegen im Zentrum Anatoliens, zählen die Teppiche der Provenienz Kayserie - der Name geht auf das antike römische Cäsarea zurück - zu den renommiertesten Qualitäten, die die Türkei zu bieten hat. Man knüpft Woll-, Seiden- und merzerisierten Baumwollflor. Eine Materialspielart ist das in der Türkei Flosch genannte Garn, das sich zusammensetzt aus Schappeseide, merzerisierter Baumwolle oder Teilen so genannter Kunstseide (exakte Bezeichnung laut TKG: Filamentendlosgarn). Die Vermarktung erfolgt seit nunmehr etwa zwanzig Jahren fast ausschließlich an Touristen, so dass sich nur wenige Kayseries in den Sortimenten des deutschen Einzelhandels finden.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts orientieren sich die Dessins und Farben immer deutlicher am Zeitgeschmack der Käufer, insbesondere der aus Europäer. Üblich ist auch das Brochieren mit Brilliantgarnen, siehe weiter oben. Es werden hauptsächlich Brückenformate in den Abmessungen von 0,50 x 1,00 m (Yastiks), 1,40 x 0,80 m (Ceyreks) und ca. 1,20 x 1,80 m (Seccadeh) geknüpft. Teppichgrößen (Hali) ab sechs Quadratmeter sind relativ selten.

Eine Besonderheit sind die "Saf" genannten Knüpfungen, die auch als Reihengebetsteppiche bezeichnet werden. Hier aber anzunehmen, das darauf die Familie vereint in Reihe betet, wie oftmals zu hören, ist völlig abwegig, denn im Islam beten die Geschlechter grundsätzlich getrennt.

Sassaniden - Altpersische Herrscherdynastie

Diese bedeutende Dynastie folgte auf die der Arsakiden (248 v. Chr. bis 224 n. Chr). Ihr Name geht auf den zoroastrischen Priester (Magier) Sassan zurück. Die Sassaniden beherrschten Persien von 226 bis 642 n. Chr. Ihnen wird Grundgedanke des Rittertums zugeschrieben.

Immer waren in Kämpfe mit den erobernd nach Osten drängenden römischen Legionen verwickelt. Gegen die gepanzerte Kavallerie der Sassaniden hatten die Römer militärisch allerdings keine Chance, so dass die Perser drei römische Kaisern besiegen konnten: Gordianus III. (238-244), Marcus Julius Verus, genannt "Philippus Arabs" (244-249) und Valerian (253-260), den ihr bedeutendster Herrscher, Schah Schapour I. (240-271) im Jahre 260 gefangen nahm. Auf einem Felsrelief unweit von Persepolis, in Naqsh-e-Rustam, Süd-Iran, ist zu sehen, wie Kaiser Valerian in einer Unterwerfungsgeste vor Shapour das Knie beugen muss. Er starb in persischer Gefangenschaft. Beim islamischen Sturm unterlagen die Sassaniden A.D. 642 den Arabern.

Sie liebten höfisches Gepränge, sowie die Jagd und bildeten diese auf vielen überlieferten Miniaturmalereien ab. Auf Bildteppichen finden sich immer wieder Legenden um ihren König Bahram V., gen. "der Jäger" (422- 439). Viele Ihrer Kleingemälde dienen der Knüpfkunst auch heute noch als Vorlagen, zum Beispiel für die Seiden-Ghoums mit sassanidischen Jagdszenen. Leicht läßt sich auf diesen erkennen, welcher Reiter der Schah ist, denn er allein hat das altorientalische Privileg, den Löwen zu töten.

Teppiche, die nachweislich aus der Zeit der Sassaniden stammen, sind bisher nicht bekannt. Der legendäre, angeblich mit Edelsteinen, Perlen, Gold- und Silberdrähten verzierte Teppich "Frühling des Chosrau" soll 30 x 50 m gemessen haben und lag in der Audienzhalle ihres Königspalastes Taq-i-Kirra in Ktesiphon (Persisch: Tisfun). Die Araber sollen ihn als Beutegut unter ihre vier Heerführer aufgeteilt und dafür in ebensoviel Teile zerschnitten haben.

Scharbaff - Provenienzzusatzbezeichnung, Stadtknüpfung

Schar bedeutet auf Persisch Stadt. Baff ist eine Bezeichnung für Handknüpfen. Zusammengesetzt bedeutet das Wort "Scharbaff" frei übersetzt so viel wie Stadtknüpfung. Erkennbar auch an der Provenienz Hamdan-Scharbaff, die den Sarough-Dessins ähnelt und völlig anders geknüpft ist als die vom Umland stammenden "Bauernknüpfungen".

Brücke - Allgemeinbezeichnung für kleine Teppiche

In Deutschland ist diese Bezeichnung für kleinformatige Teppiche üblich, weil sie - ganz praktisch denkend - die Freiflächen zwischen großformatigen Teppichen verbinden, also überbrücken.

Yolami - Breites und langes Zeltband der Turkmenen

Eine Yurte, die zeltartige Behausung der nomadisierenden Turkmenen und Mongolen besteht aus einem Holzgerüst, dem außen Filzdecken aufgelegt werden. Das untere Rund wird gebildet von einem scherenartigen Gitter, dem eine Haube aufgesetzt wird. Der Schnittpunkt dieser Konstruktion wird reihum innen anschließend mit einer entsprechend langen Webarbeit in Soumachtechnik geschmückt, die die Turkmenen Yolami nennen. Es gibt auch so genannte Nimbaffs (Deutsch etwa: Halbknüpfung), also Arbeiten, die sowohl geknüpft als auch gewebt sind. Bisweilen werden auf diese Weise ziehende Karawanen dargestellt. Kunstvoll gestattete Yolamis sind begehrte Sammlerobjekte, die als "Karawanen-Bänder" auf Fachauktionen bisweilen sehr hohe Preise erzielen.

Hafis - Persischer Dichter der Klassik

Dieser berühmte Dichter der persischen Klassik lebte von ca. 1326 bis 1390 und wird noch heute im Volk hochverehrt. Als Meister des Gasels, einer speziellen, orientalischen Gedichtform beziehungsweise Versmaß, führte Hafis die persische Dichtkunst zu höchster Vollendung und genießt auch in Europa große Wertschätzung. Hafis beeinflusste die deutsche Dichtkunst und veranlasste Goethe, seinen West-Östlichen Diwan* zu schreiben (*Diwan ist zwar bekannt als Ausdruck für die Liege, ist aber auch ein Begriff für Litaratur.):

'Herrlich übers Mittelmeer ist der Orient gedrungen, nur wer Hafis liebt und kennt, weiss, was Calderon gesungen."

In Schiraz gehört ist es ein alter Brauch, dass sich die Jungvermählten an Hafis' Mausoleum treffen und sich ewige Treue schwören.

Verse von Hafis aber auch von anderen Dichtern werden ab und zu in Orientteppichen wiedergegeben, meist in Schriftkartuschen umlaufend in den Bordüren. Sein Porträt findet sich hin und wieder in Gesellschaft mit anderen persischen Poeten und Geistesgrößen, zum Beispiel in den Vierjahreszeitenteppichen der Provenienz Täbris. Der Persische Abschiedsgruß "Choda hafis" hat allerdings nichts mit dem Dichter zu tun.

OCM - Initialen eines einst bedeutenden Orientteppichunternehmens

Die Initialen bedeuten Oriental Carpet Manufacturer. Die ovale Marke mit den drei Kamelen auf ockergelbem Grund bürgte für Qualität und war weltweit bekannt, denn man war Jahrzehnte lang bis weit nach dem Ende des 2. Weltkrieges führend auf dem britischen (hier erreichte man zeitweise fünfzig Prozent Marktanteile), französischen und amerikanischen Markt. Das Unternehmen wurde Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet und galt als eine der führenden Importfirmen Europas mit Aktivitäten im gesamten teppichknüpfenden Orient, speziell in Persien und Indien. Auch in China, Tibet und Nepal war die OCM ebenso präsent wie in der Türkei und in Pakistan. Neben dem allgemeinen Einkauf betrieb man außerdem eigene Orientteppich-Manufakturen, vorwiegend in den Dörfern des Hamadan-Distriks und in Nordindien. Später ging die OCM auf in der Firma Eastern Kayam, ebenfalls ansässig in London. Zwar ist das Unternehmen seit gut zehn Jahren nicht mehr am Markt, seine Handelsmarke "OCM" wird allen Insidern aber unvergessen bleiben.

Namhafte Orientteppichexperten waren für die OCM tätig, wie der durch sein Standardwerk "The Persian Carpet" bekannt gewordene Cecil A. Edwards, einst Chefeinkäufer, später dann Geschäftsführer, David Parson und Jim Ford (Oriental Carpet Design)

Galerie

Aus dem Französischen stammender Fachausdruck für lange, schmale Teppiche, die im Deutschen allgemein Läufer genannt werden.
aus Heimtex Orient 04/02 (Teppiche)