Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?
Eine kleine Warenkunde
In unserer letzten Ausgabe hieß es wieder: Fachchinesisch für die Orientbranche. Wir haben in unserem Gewinnspiel nach zehn Fachbegriffen aus der Welt des Orientteppichs gefragt und jeweils vier Lösungsmöglichkeiten angeboten, von denen jeweils nur eine richtig war. Haben Sie alle Begriffe gewusst? Hier folgt die Auflösung.
Holbeinteppiche - Orientteppiche auf Gemälden der Renaissance
Diese Teppiche existieren zwar nicht wirklich, sind aber ein stehender Begriff in der OT-Kunde. Man sieht sie nur als kostbare Inventarstücke auf Gemälden der Renaissance des 15. bis 16. Jhd., die unter anderem Holbein d. J. (1497-1543) malte. Er wurde ein Namensgeber für die OT dieser Epoche. Eine andere Bezeichnung lautet Lotto-Teppiche (z.B. Lotto-Uschak), weil auch der Maler Lorenzo Lotto (1480-1556) auf gleiche Weise Orientteppiche in seine Bilder integrierte. Da es sich um authentische, im Detail teils akribisch genau wiedergegebenen Teppichmuster handelt, stützt sich die OT-Forschung auf diese abgebildeten OT.
Hali - Türkisch für Knüpfteppich
Hali ist das türkische Wort für Knüpfteppich. Bei korrekter Aussprache muß das i - im Türkischen ohne i-Punkt geschrieben - wie das atonale"e" von Schule klingen. Durch die Verbreitung der Turksprachen ist dieses Wort von Bulgarien bis West-China bekannt. Die persische Bezeichnung lautet sehr verwandt "Ghali".
Kurk - Feine Wolle in Orientteppichen
Kurk, auch Kork gesprochen, bedeutet auf Persisch soviel wie Flaum und wurde zum Synonym für feinfädige Florgarne. Dennoch ist es ein unbestrittener Begriff für feinfädige Wolle. Die ethymologische Herkunft dieses Wortes, das auch im Persischen und im Türkischen ein Fremdwort zu sein scheint, ist ungewiss. Eine andere Erklärung bringt es in Verbindung zur irischen Stadt Cork. Über diesenHafen sollen Ende des 19. Jhd. besonders feinfädige Schafwollgarne in den Orient verschifft worden sein. Diese Annahme wird zusätzlich gestützt durch die in alten Orientteppichen der Gruppe der sog. "Amerikanischen Saroughs" anzutreffende Qualitätsauslobung "Manchesterwolle", die ebenfalls von den Britischen Inseln nach Persien importiert wurde.
Die Zusammensetzung und Herkunft früherer Kurkwollgarne liegt also im Dunkel. Es handelt sich aber immer um besonders feinfädige, sich fast samten anfühlende Knüpfgarne. Im Iran, beispielsweise in den feinen Isfahans, ist Kurkwolle heutzutage ein Garn, das je zur Hälfte aus Importen und heimischer Wolle besteht. Die Bezeichnung Kurk-Wolle, die sehr häufig im Handel als Auslobung für besonders guten Wollflor benutzt wird, ist nirgends verbindlich definiert. Auch das Textilkennzeichnungsgesetz (TKG) kennt keine Qualitätsbezeichnung Kurk, so daß allein der Anbieter bestimmt, was Kurkwolle ist.
Topkapi - Sultanspalast hoch über dem Bosporus
Wer kennt nicht die reizende Gaunerkommödie "Topkai" mit Peter Ustinov und Melina Mercouri, die den diamantenbesetzten Krummdolch stehlen wollen. Hier ist auch der berühmte Löffler-Diamant ausgestellt. Das Topkai, genauer: Topkapi-Serail, (Deutsch: Kanonen-Tor Hof) ist eine Palastanlage der Osmanen (1290-1924), deren Bau Mehmet II (1451-1481) nach der Eroberung von Konstantinopel-Istanbul begann. In der Folgezeit wurde die Anlage ständig erweitert und bedeckte schließlich 700.000 qm. Damit ist sie etwa halb so groß wie Monaco. Das Areal ist umgeben von einer hohen, 1400 m langen Mauer. Bis zu 4000 Bedienstete arbeiteten für den Königshof und lebten innerhalb der Anlage.
Der Palast liegt hoch über Istanbul in strategisch exponierter Lage auf einem Landsporn vor dem Bosporus und beherrschte im Mittelalter gleichzeitig den Südzugang zur Meerenge, den Norden des Marmara Meers, sowie die Einfahrt zum Goldenen Horn. Von ihrem Palast aus regierten die Sultane bis 1855 ihr riesiges Reich. Der Ruf des Märchenhaften dieser auch heute noch beeindruckenden Anlage mit ihren zahlreichen Einzelgebäuden, den Lustpavilions und dem 15.000 qm großen Harem, drang bis nach Europa und inspirierte Mozart zu seiner Oper"Entführung aus dem Serail". Seit 1924 besteht das TopKapi Museum, zu dessen Fundus auch vierzig außerordentlich Gebetsteppiche gehören.
Arak - Orientteppich-Provenienz aus Persien
Sie wird selten als Provenienz benannt, denn die Arak-Teppiche werden meist unter der Bezeichnung der Hauptprovenienz Sarough gehandelt. Die heutige Provinzmetropole Arak wurde 1808 von Fath Ali Schah (1797-1834) - s.u. - unter dem Namen Sultanabad gegründet und 1926 unter Resa Shah in Arak umbenannt. Aus diesem Grund findet man hin und wieder auch Teppiche, die den alten Namen Sultanabad führen. Einzelhandelspreise nach Knotendichten siehe Werth-Index, Preiskatalog für Orientteppiche.
Kadjaren - Frühere Herrscherdynastie Persiens
Die Kadjaren folgten auf das Zandreich (1747-1787) und sind die vorletzte Herrscher-Dynastie Persiens. Sie wurde 1925 von den Pahlevis abgelöst, die bis 1979 an der Macht waren. Die fünf Kadjaren-Schahs regierten von 1787-1925.
Okzident - Abendland
Der Okzident ist das Gegenstück zum Orient. Das Wort stammt aus dem Lateinischen und ist abgeleitet von occidens (sol), bedeutet also "untergehende Sonne" - und zwar aus der Sicht des Orients (= Morgenland). Der Okzident Terminus ist also gleichbedeutend mit Abendland oder Westen, wo die Sonne Ihren Tageslauf beendet.
Sennehbaff - Name für einen Teppichknüpfknoten
Die Bezeichnung ist zusammengesetzt aus den beiden persischen Worten Senneh (heute: Sanandadj), der Name einer Stadt im iranischen Kurdistan und "baff" das sinngemäß Knüpfen / Knüpfknoten bedeutet, also Senneh-Knoten. Andere Bezeichnungen für Sennehbaff lauten Farsibaff, Persischer Knoten und Asymmetrischer Knoten. Letztere zeigt, dass nur ein Garnschenkel einen Kettfaden voll umschließt, so dass er asymmetrisch gestaltet ist.
Wolkenband - Aus China stammendes Musterelement
Das Wolkenbandmotiv - chinesisch Tschih - ist eines der auffälligsten Musterdetails und erscheint in sehr vielen Orientteppichen auch außerhalb Chinas. Nach Meinung der Kunsthistoriker kam es über die Seidenstraße nach Westen, wahrscheinlich in der Zeit der Mongolenstürme des 13. bis 14. Jhd. Sein ursprünglicher Symbolgehalt bestand im Sichtbarmachen der Verbindung der Menschen zum Himmel, sowie als Symbol der Ewigkeit. Aus dem chinesischen Kulturkreis stammend, wird es auch als Reminiszens des Himmelsdrachen oder als Donner des Drachens interpretiert. In der kaukasischen Provenienz Chondsoresk (gesprochen: Gondzoresk), auch Wolkenbandkasak genannt, ist es Primärornament, in anderen Dessins mehr schmückendes Beiwerk.
Karden - Bearbeitung von Wolle und anderen Naturfasern
Karden ist der Fachausdruck des Weberhandwerks für das Ausrichten der im abgeschorenen Vlies noch wirr aneinander hängenden und teilweise verfilzten Wollfasern. Wolle wird gekardet, gleichgerichtet, um sie danach besser verspinnen zu können. Diese Wollvorbereitung wird per Hand mit dafür spezialisierten, Dornen besetzten Werkzeuge sehr mühselig gemacht oder in Maschinen, die eigens für einen darauf spezialisierten Industriezweig konstruiert sind, der sich Wollkämmerei nennt.
aus
Heimtex Orient 01/02
(Teppiche)