Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?
Eine kleine Warenkunde
Es ist zwar wichtig, auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner" möglichst mit Ja antworten zu können. Doch alles kann man gar nicht wissen. Etliches muss auch der versierte Fachmann nachschlagen, zum Beispiel im Orientteppich-Kompass mit seiner umfangreichen Fachterminologie. Diese Ratespiel dient also allen dazu, sich ständig weiterzubilden. Wohl auch, sich mal ein wenig selbst zu prüfen. Ein Fachwissen ohne Lücken gibt es nun mal nicht. Daher sind diese -Fragen und Antworten ein guter und vor allem ein amüsanter Meilenstein. Wie immer versuchen wir ein Mix anzubieten zwischen Zeitgenössischem, Neuem und historischem Teppichwissen. Auch da gibt es hin uns wieder neue Erkenntnisse, die zu berücksichtigen sind. Schließlich ist der Orientteppich ein Produkt das lebt und das zugleich auf eine ungeheuer lange Historie und Tradition verweisen kann. In dieser Hinsicht gibt es weltweit keine annähernd vergleichbare Handarbeit. Eine, die zudem prägend für die jeweilige Einrichtung ist und dort meist sogar die Führung übernimmt.
Bidgene - Nordwestpersische Teppichprovenienz
Die iranische Teppichprovenienz Bidgene liegt der Provniz Süd-Aserbeidjan im Nordwesten des Landes. Er ähnelt dem Sarough recht stark und wird häufiger damit verwechselt. Im direkten Vergleich fällt jedoch auf, dass der Bidgene einen steiferen eher brettigen Griff hat. Auch ist die Farbgebung dunkler.
Neben dem dunklen, ruhigen Kolorit zeichnet den Bidgene die vierersymetische Aufteilung des geometrisierten, floralen Dessins aus. Geknüpft wird mit dem Gördesknoten in Wolle auf Baumwolle. Die Formate sind auf Brückengrößen bis Dozar beschränkt.
Suzani - Dekorative usbekische Textilie
Der Name ist aus der persischen Sprache entlehnt (suzani = Nadel) und wurde zum Sammelbegriff für feine Stickerei- beziehungsweise Nadelarbeiten im zentralasiatischen Raum. Die meist von der Brautfamilie oder den Dorfbewohnern als Brautausstattung gestickten Decken gehörten zur Zeremonie der Hochzeitsfeierlichkeiten und wurden später als Nischenvorhänge, Bettüberwürfe oder Wandbehänge etc. verwendet.
Der wichtigste Füllstich für die Blatt- und Blütenmotive, die in diesen Arbeiten vorherrschen, wird als Buchara-Überfangstich bezeichnet. Typisch für diese feinen Stickereien in großem Format sind florale Themen, häufig in kräftigen Farben, vor allem Rot. Verarbeitet wurde meist Seide auf Baumwolle.
Bekannte Orte für diese Arbeiten waren Buchara (daher auch der Name Bucharastickerei), Taschkent und Samarkand.
Eulanisieren - Mottenschutzbehandlung
Eulan wurde Jahrzehnte lang als Textil- und Teppichschutzmittel gegen Motten und Käfer sowie zur Tierpräparation eingesetzt. Nach dem Wegfall des Patentschutzes gibt es weitere ähnliche Produkte, zum Teil aus Osteuropa (Eulan WA Neu, Eulan U 33, Mitex U 33, Mottine E liquid, Molantin P, Mitin).
Von der Produktbezeichnung Eulan wurde das Verb eulanisieren abgeleitet und bedeutet: von Motten befreien. Eulan selbst ist ein Kunstwort, das vom griechischen Wort für Made oder Wurm abstammt.
Eulan ist eine Chemikalie mit dem Insekten vernichtenden Wirkstoff PCSD beziehungsweise PCAD. Diese beiden Stoffe sind chemisch sehr beständig und schwer abbaubar. Tests, die eine Krebserzeugung belegen, sind bislang nicht bekannt. Sie sind jedoch in Innenräumen, im Meer und in Fischen nachweisbar. Sie ähneln in der Struktur aromatischen Aminen beziehungsweise Dioxinen.
Bayer stellt Eulan seit 1988 nicht mehr her und vertreibt es auch nicht mehr; über die anderen Produkte ist nichts bekannt.
Korkwolle - Besonders feine Schafwolle
Die Bezeichnung Kork- oder Kurkwolle ist im Handel sehr häufig als Auslobung für samtigen Wollflor anzutreffen. Allerdings sind keine verbindlich Qualitätsstandards festgelegt. Auch das Textilkennzeichnungsgesetz kennt keine derartige Bezeichnung. Was ein Anbieter also unter Korkwolle versteht, bestimmt er selbst. Damit ist Korkwolle ist ein völlig ungesicherter Qualitätsbegriff für Wolle und infolgedessen keine verlässliche Qualitätsaussage. Der Begriff Korkwolle findet nur Anwendung im Orientteppichbereich.
Die Herkunft des Wortes Korkwolle ist ebenso unklar. Es soll so viel wie Flaum bedeuten, scheint aber auch im Persischen und Türkischen ein Fremdwort zu sein. Von den Europäern übernommen, wurde der Begriff Korkwolle zum Synonym für alle feinfädigen, sich flauschig anfühlende Florgarne.
Eine andere Erklärung bringt das Wort Kork in Verbindung mit der irischen Stadt Cork, über deren Hafen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts besonders feine Schafwollgarne in den Orient verschifft worden sein sollen. Diese Version wird gestützt durch die Qualitätsauslobung 'Manchesterwolle, die bei den so genannten Amerikanischen Saroughs anzutreffen ist. Sie bezeichnet eine hochwertige, feinfädige Florgarnqualität, die ebenfalls von den Britischen Inseln nach Persien geliefert und bis Ende der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts in den Teppichmanufakturen verarbeitet wurde.
Nach Aussagen iranischer Wollimporteure und -großhändler besteht die heutige Korkwolle der feinen, auf Seidenkette geknüpften Isfahans aus einem Mischgarn, das je zur Hälfte aus Importen und heimischer Wolle gesponnen wird.
Grundsätzlich ist sehr feinfädige Florwolle weniger strapazierfähig.
Becherbordüre - Floral gestaltete Hauptbordüre
Die Becherbordüre (oder Weinglasbordüre) ist ein Musterelement in einer Bordüre, das an einen Becher (oder Weinglas) erinnert. Es kommt hauptsächlich in kaukasischen Teppichen vor.
Die Bordürenbezeichnungen sind im Laufe der Jahre im Handel entstanden. In den Ursprungsländern sind andere Bezeichnungen in Gebrauch, die jedoch nur wenig bekannt sind. Bordürenbezeichnungen beschreiben meist die Silhouette eines Motivs in bildhafter Form.
Hafiz - Persischer Poet
Der persische Dichter Hafiz, oder Hafes, (geb. etwa 1320 in Schiraz; gest. ca. 1390) ist neben Saadi der bekannteste Dichter Persiens. Er ist im Orient auch als Mystiker (Sufi) bekannt.
Sein voller Name Khwajeh Shams al-Din Muhammad Hafez-e Schirazi (auch: Muhammad Schams ad-Din) verweist auf seine Geburtsstadt. Der Vater war Kohlenhändler und starb, als Hafiz noch ein Kind war. Er hinterließ ihm und seiner Mutter hohe Schulden, doch haben seine Rezitationen des Korans den Sohn so sehr beeindruckt, dass er das Buch mit acht Jahren auswendig konnte (daher erhielt er später den Ehrentitel Hafiz). Früh wurde er auch mit den Werken von Mevlana und Saadi vertraut gemacht sowie mit Attar und Nezami. Vermutlich erhielt er eine umfassende Ausbildung an einer Medrese.
Hafiz lernte das Bäckerhandwerk und übte es einige Zeit aus, bis er im Alter von 21 Jahren Attars Schüler in Schiraz wurde. Bei der Auslieferung von Brot und Backwaren in reichen Stadtvierteln lernte er seine 'Muse" Shakh-e Nabat kennen, deren Schönheit er viele Gedichte widmete. Er gewann bald an Bekanntheit und wurde Hofdichter von Abu Ishak sowie ein vielbeachteter Koranlehrer. Etwa 1333 eroberte Mubariz Muzaffar die Stadt und entließ ihn - für Hafiz der Anlass, von romantischen Gedichten zu Protestliedern überzugehen. Als Mubariz von seinem Sohn Schah Shuja gestürzt und ins Gefängnis geworfen wurde, erhielt Hafiz seine Stelle zurück. Bald ging er aber ins freiwillige Exil nach Isfahan. Im Alter von etwa 52 kehrte er auf Bitten des Schahs zurück.
Neben Aufträgen für den Hof schrieb er auch gelehrte Werke. Seine Lyrik besingt vordergründig die Liebe, den Wein und die Schönheiten der Natur. Auf einer tieferen Ebene aber spiegelt sie die Hingabe des Sufi-Mönchs wider, dessen Ziel es ist, sich mit dem Göttlichen zu vereinigen. Weltliche Freuden, Genüsse und Räusche sollen somit auf die Liebe zu Gott verweisen. In seiner Dichtung schuf Hafiz ein mystisches Gegenbild zu einer heuchlerischen und machtbesessenen Umwelt.
In Europa ist Hafiz vor allem durch den Diwan bekannt, der Goethe stark angeregt hat. Diese Lyriksammlung wurde erstmals 1812 durch den Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall ins Deutsche übersetzt. Hafiz Diwan enthält etwa 500 ebenso lyrische wie sprachlich schlichte Gedichte, von denen die meisten in der Form von Ghaselen geschrieben sind: eine traditionsreiche Form der persischen Literatur, die er vervollkommnete und mit panegyrischen Elementen verknüpfte. Jede Ghasele ist einem anderen Thema gewidmet und besteht aus bis zu 15 Reimpaaren mit je zwei Halbversen. Ihr Bilderreichtum entstammt der islamischen Mystik und thematisiert das Ineinandergreifen von Alltag und Ewigkeit.
Als Hafiz mit 69 Jahren verhaftet, verurteilt und ermordet wurde, weil er sich immer mehr vom Islam abwandte und den Islam als Heuchelei und Aberglaube abtat und die Lehren Zarathustras in verschlüsselter Form Lob preiste, war er hoch geachtet. Bei seiner Verhaftung sind viele seiner Schriften von seinen Mitbewohnern vernichtet worden, um seine Verurteilung und Hinrichtung durch die islamische Geistlichkeit zu verhindern. Sein Grab in den Musalla-Gärten von Schiraz, die auch durch ihre Rosen bekannt sind, erhielt einen viel besuchten Pavillon, genannt Hafezieh.
Lhasa - Hauptstadt des Gebiets Tibet
Lhasa ist die Hauptstadt des Autonomen Gebiets Tibet der Volksrepublik China und liegt am Nordrand des Himalaya, 3.650 Meter über dem Meeresspiegel. Sie befindet sich im Tal des Kyi Chu, einem Nebenfluss des Yarlung Zangbo (Brahmaputra), an dessen nördlichem Ufer, und erstreckt sich in west-östlicher Richtung über etwa zehn Kilometer.
Die Geschichte Lhasas (tibetisch Götterort) geht bis zum 7. Jahrhundert zurück. Damals wurden der Jokhang-Tempel, noch heute das religiöse Zentrum der Altstadt von Lhasa, sowie der erste Potala-Palast gegründet. Im 15. Jahrhundert baute die buddhistische Gelug-Schule drei Klöster in der Umgebung von Lhasa. Im 17. Jahrhundert wurde der Potala unter dem fünften Dalai Lama auf dem Roten Hügel neu erbaut, und auch der Jokhang-Tempel wurde vergrößert.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen verschiedene westliche Persönlichkeiten in die Stadt, darunter Francis Younghusband, Alexandra David-Néel und Heinrich Harrer. Nach der Besetzung Tibets durch die Volksrepublik China wuchsen die Einwohnerzahl und die Fläche von Lhasa sprunghaft an. Lebten um 1950 nur 20.000 bis 25.000 Menschen in der Stadt und dazu noch 15.000 bis 20.000 Mönche in den umgebenden Klöstern, so sind es heute mehr als 475.000 Menschen, davon ein großer Teil zugezogener Han-Chinesen aus dem Osten Chinas. Nach offiziellen Plänen der chinesischen Administration soll sich die Stadtfläche der Innenstadt Lhasas bis zum Jahr 2015 noch einmal vervierfachen. Experten halten die damit einhergehenden Umweltschäden in der fragilen Gebirgswelt Tibets für verheerend.
Medaillon - Primärornament im Teppich
Das Medaillon ist eine vielfach in Orientteppichen vorkommende Musterform im Mittelfeld. Die Formen selbst sind überaus verschieden, es gibt zum Beispiel Rauten-, Rosetten und Oval-Medaillons.
Gol Farangh - Florales Musterdetail
Das Gol Farangh-Muster zeigt Blüten oder auch Blütenbouquets, die wahrscheinlich Rosen darstellen. Es ist europäischen Ursprungs und taucht auch heute noch in Gobelins aus Aubusson und Flandern auf. Das orientalisierte Motiv ist sehr viel abstrakter als seine europäische Vorlage.
Das Gol Farangh-Muster stammt vermutlich aus dem Rokoko (etwa 1720 bis 1780), als ein reger Kulturaustausch zwischen Orient und Okzident stattfand. Orientalische Pracht war an europäischen Höfen durchaus beliebt. Umgekehrt wurden Teile der abendländischen Kultur im osmanischen Reich kopiert, beispielsweise auch der Gehrock eingeführt. Französisch wurde zur bevorzugten Sprach der gehobenen Schichten. Diese Epoche wird als Tanzimat devri bezeichnet.
Faranghi ist die altorientalische Bezeichnung für Europäer. Sie geht bis auf die Kreuzzüge des Hochmittelalters zurück und verweist auf die Franken, die als dominierende Macht die meisten Ritter stellten.
aus
Heimtex Orient 01/06
(Teppiche)