Kommentar

Die Welt der Laminatböden wird neu geordnet


Branchenweit herrschen Irritationen: Was läuft denn nun eigentlich in Sachen "Direktdruck" bei Laminatfußböden? Funktioniert das Verfahren überhaupt - und wenn ja, wer hat die Neuentwicklung im Angebot? Einige Fachmedien wollten diese Spezies bereits auf der vergangenen Domotex bei Classen Industries gesichtet haben. Diese Zeitungsente flattert nach wie vor durch den Blätterwald. Dabei handelt es sich bei diesem Produkt um einen Boden, dessen Dekorfolie nicht wie bisher durch ein Overlay geschützt ist, sondern durch eine UV-gehärtete Hartlackschicht. Der Hersteller spricht vom "ersten Lackfußboden mit nanotechnologisch optimierter Parkettlack-Oberfläche".

Um eines klarzustellen: Bis zum heutigen Tag ist nach meinem Kenntnisstand am deutschen Markt noch kein Laminatboden erhältlich, der im Direktdruck (Fachjargon "indirekter Tiefdruck") hergestellt wird. Erste Versuche auf diesem Sektor vor mehr als 10 Jahren erwiesen sich als Rohrkrepierer. Gleichwohl werden hierzulande schon seit einigen Monaten Prototypen gefertigt, die vorerst jedoch in Regionen geliefert werden, wo das Wort "Reklamation" nicht zum allgemeinen Sprachschatz gehört.

"Hochgekocht" wurde die richtungweisende Weiterentwicklung im Mai 2004 am Rande einer Verbandstagung durch Johannes Schulte. "Laminat, wie wir es heute kennen, ist schon bald ein Auslaufmodell", sagte der Inhaber der Meister-Leisten Schulte GmbH ein wenig provokativ voraus, ohne sich über Details auszulassen. Diese Worte waren keineswegs leichtfertig aus der Luft gegriffen. Am Standort Rüthen-Meiste hatte der geniale Entwickler Schulte bereits eine erste Fertigungsstraße konzipiert - für Direktdruck. Im November des gleichen Jahres hatte ich Gelegenheit, die fast 180 Meter lange Anlage in Augenschein zu nehmen. Bei dem Boden von Meister wird die dekorative Oberfläche direkt auf den HDF-Träger gedruckt. Es findet also kein Dekorpapier Verwendung. Novum gegenüber früheren Versuchen: statt bislang zwei- wird nun vierfarbig gedruckt. Auch bei dieser Variante besteht der Oberflächenschutz aus einem Speziallack.

Die neue Technologie bringt nicht nur optisch hervorragende Ergebnisse. Der Boden fühlt sich spürbar wärmer an, Geräuschentwicklung und elektrostatische Ladung sind erheblich geringer. Mit dem entsprechenden Marketing wird es Meister gelingen, diese Vorzüge am Markt zu kommunizieren. Und Marketing sowie Vertriebskompetenz sind die einzigen Waffen, um sich gegenüber den Kostenführern auch in diesem Segment zu behaupten. Die "Pool Position" hat Egger mit einer komplett neuen Produktionsstätte im Visier. Im sauerländischen Brilon entsteht derzeit mit einer Jahreskapazität von 30 Mio. qm die weltweit größte Anlage für Direktdruck (siehe Bericht in diesem Fachteil). Dass die "Kronos" auf diese Tendenzen mit ähnlichen Kalibern reagieren, versteht sich von selbst. "Der Markt wird sich nicht extrem erweitern, sodass in Teilbereichen herkömmliche Laminatböden substituiert werden dürften", prognostiziert Stefan Pletzer, Geschäftsführer von Egger Floor Products. Die Branche muss sich also auf einen verstärkten Verdrängungswettbewerb vor allem bei niedrig- und mittelpreisigen Böden einstellen.

Ganz nebenbei entsteht im saarländischen Eiweiler der "Agepan-Tarkett Laminate Park" (geschützter Begriff) mit einer Produktionskapazität von 25 bis 30 Mio. qm (siehe Interview mit Ralf Eisermann). Hierbei handelt es sich allerdings um konventionell hergestellte Laminatböden mit denen Tarkett auf den Fachhandel zielt. Und dazu plant Tarkett noch zwei weitere Joint Ventures in Russland und in den USA. Vorstandsvorsitzender Marc Assa will so bis 2008 die Absatzmenge auf über 50 Mio. qm steigern. Wie man sieht, wird die Laminat-Welt durch diese Konzentrationsprozesse völlig neu geordnet.

Apropos "Direktdruck": Den Dekordruckern ist diese Tendenz natürlich nicht gleichgültig. Von Panik kann jedoch keine Rede sein, wie mir in Gesprächen auf der ZOW verdeutlicht wurde. Mit immer brillanteren Reproduktionen sowie fantasievollen Kreationen versteht es diese Branche meisterhaft zu kontern. Brancheninsider geben sogar dem Klassiker HPL gute Zukunftschancen. "Beim Prägen von Synchronporen bestehen viel mehr Spielmöglichkeiten", sagte uns Ralf Eisermann. Alle diese Entwicklungen deuten zunehmend auf eine Polarisierung von Masse und Klasse hin, was neben den Produkten auch das Marketing betrifft. Wer bei diesem Prozess nicht rechtzeitig seine Position findet, könnte ein ernstes Problem bekommen.

Ulrich Baumert
aus Parkett Magazin 02/06 (Bodenbeläge)