Kleiner Fehler - großer Schaden

Trotz Rapportverschiebungen zufrieden stellender Mustereffekt

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und hochbelastesten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich erst anhand der Ursachenforschung im Schadensfall, worauf ein Fußbodenverleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um vermeintliche Rapportverschiebungen in einem Veloursteppichboden.

In einem Hotelneubau in den neuen Bundesländern erhielt ein Verleger den Auftrag, 420 qm eines 4 m breiten großgemusterten Tufting-Veloursteppichbodens zu verkleben. Es wurden jeweils vier Bahnen mit einer Gesamtlänge von 26,50 m nebeneinander angeordnet. Beim Betreten des Raumes lagen die Bahnen quer zur Blickrichtung, an den Seitenwänden befanden sich bis zum Fußboden reichende Fenster. Der Bodenbelag wies einen hellbraunen Grundfarbton auf und das dunkelbraune Muster in Form von großformatigen Olivenzweigen hatte laut technischem Datenblatt des Herstellers einen Rapport von 55 x 54 cm.

Nachdem drei Bahnen im Bauvorhaben nahezu mustergleich verlegt worden waren, stellte sich beim Verlegen der vierten und letzten Bahn heraus, dass deutliche Rapportverschiebungen vorlagen. Der benachrichtigte Teppichbodenhersteller erklärte, dass unter Berücksichtigung von Toleranzen auch die vierte Teppichbodenbahn verlegt werden könne. Nach der abschließender Verklebung der vierten Bahn entstanden Musterverzüge in einer Größenordnung von bis zu 6 cm. Diese wurden vom Bauherrn gerügt und führten zu einer gutachterlichen Überprüfung.

Schadensbild - Rapportverschiebungen zwischen Bahn 3 und 4

Zum Zeitpunkt des Gutachtertermins war das Hotel bereits in Betrieb genommen und der Konferenzraum großflächig mit Stühlen und Tischen eingerichtet. Der Sachverständige konnte auf den ersten Blick keine groben Verlegefehler wie Ablösungen, Beulen und Blasen sowie Fehlschnitte von Nahtkanten erkennen. Der Bodenbelag wurde dabei nach den Beurteilungskriterien für Bodenbeläge aus stehender und sitzender Haltung begutachtet. Im Rahmen dieser großflächigen Betrachtung fielen dem Sachverständigen keine auffälligen Rapportverschiebungen bzw. Musterverzüge auf. Die Teppichbodenfläche gab einen zufrieden stellenden Gesamteindruck ab.

Die nähere Betrachtung der einzelnen Nahtkanten zeigte vom Eingang aus gesehen, dass die ersten zwei Nahtkanten - sprich die Nahtkanten zwischen Bahn 1 und 2 bzw. zwischen Bahn 2 und 3 - nur nach intensivem Suchen festgestellt werden konnten. Eine Rapportverschiebung konnte dort nicht festgestellt werden.

Anders hingegen bei der Betrachtung der 3. Naht zwischen der 3. und 4. Bahn: In der Mitte der Bahnen waren geringfügige Musterverzüge von 2 bis 3 mm zu erkennen. Diese wurden zu den Außenseiten der Bahnen in Längsrichtung bis zu maximal 60 mm groß.

Diese Rapportverschiebungen des Musters waren auch bei der Überprüfung der Diagonalrichtung messtechnisch unter Zuhilfenahme einer Schnur nachvollziehbar, jedoch mit bloßem Auge kaum auffällig zu erkennen. Eine Betrachtung der 3. Nahtkante zeigte ab einer Entfernung ca. 3 m keine auffälligen, störenden Rapportverschiebungen mehr. Aus einer größeren Entfernung waren sie gar nicht mehr zu erkennen.

Ursache - Rapport nicht durch Probe-Auslegung geprüft

Rapportverschiebungen werden anhand der Erläuterungen zur DIN 18365 'Bodenbelagarbeiten", der dazuhörenden Kommentierung und insbesondere nach den allgemein anerkannten Regeln des Fachs bewertet. Danach ist das Muster aus gebrauchsüblicher Betrachtung unter Brücksichtigung der Möblierung zu beurteilen.

Da jedoch eindeutig im Bereich einer Nahtkante Rapportverschiebungen vorlagen, hat der Sachverständige mit einem Hinweis auf seine handwerklichen technischen Überprüfungen darauf hingewiesen, dass aufgrund des zufrieden stellenden Mustereffektes keine Wandelung des Teppichbodens gerechtfertigt bzw. diese Maßnahme unverhältnismäßig sei. Der Vorschlag einer Wertminderung wurde schließlich durch den Bauherrn akzeptiert, ohne die zweifellos vorliegende Mangelhaftigkeit weiter rechtlich bewerten zu lassen.

Für Klarheit konnte der Sachverständige auch bei einer Auseinandersetzung zwischen dem Verleger und dem Belagslieferanten sorgen: Die in der Kommentierung der DIN 18365 genannte Zulässigkeit von Rapportverzügen von 0,35% ist nicht auf die verlegte Fläche anzuwenden. Stattdessen muss der Verleger bei Warenerhalt diesen Wert überprüfen. Dazu rät der Sachverständige dem Bodenleger vor der Verlegung die Teppichbahnen Raum für Raum zunächst einmal vollständig auszulegen und den Rapport zu überprüfen. Die genannte Toleranz der Rapportverschiebungen von 0,35% kann eventuell im Rahmen der Verklebung sogar neutralisiert werden.

Liegen vor dem Verkleben Rapportverschiebungen vor, die nicht ausgespannt werden können, so sollte die Ware bei dem Lieferanten gerügt und keinesfalls eine Verklebung durchgeführt werden - auch dann nicht, wenn große terminliche Engpässe entstehen, weil der Bodenleger als nahezu letzte Gewerk tätig ist.

Es kann außerdem helfen, bereits bei der Bestellung mit Bezug auf das Objekt und die jeweiligen optischen Anforderungen ausdrücklich auf die Passgenauigkeit des Musters aufmerksam zu machen.

Verantwortlichkeit - Lieferant beteiligte sich an Wertminderung

Im vorliegenden Fall hat sich der Teppichbodenlieferant aus Kulanzgründen neben dem Verleger an der Wertminderung beteiligt, so dass letztendlich die beteiligten Parteien mit dieser salomonischen Regelung zufrieden waren.


Der Autor

Helmut Becker ist öbv. Sachverständiger für das Estrich- und Parkettlegerhandwerk sowie für das Bodenlegergewerbe.

IFF-Fußboden-Gutachter
Helmut Becker
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aus FussbodenTechnik 04/06 (Handwerk)