Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?
Eine kleine Warenkunde
Es ist zwar wichtig, auf die Frage "Sind Sie ein Orientteppich-Kenner" möglichst mit Ja antworten zu können. Doch alles kann man gar nicht wissen. Etliches muss auch der versierte Fachmann nachschlagen, zum Beispiel im Orient-Kompass mit seiner umfangreichen Fachterminologie. Das Ratespiel in diesem Heft dient also allen dazu, sich ständig weiterzubilden, denn die ausführliche Auflösung folgt in der nächsten Ausgabe. Daher finden Sie in jetzt auch die Auflösung der Fragen aus der letzen Ausgabe von Heimtex Orient.
Nepal - Staat im Himalaya
In Nepal wird erst seit 1959, seit der Flucht des Dalai Lama und der ihn begleitenden Tibeter geknüpft. Unter der Leitung des engagierten Züricher Importeurs Jo Iten-Maritz wurden die Heimatlosen ab 1966 angeleitet, Teppiche nach tibetischer Tradition in den herkömmlichen Dessins zu knüpfen.
Als man die Dessins der Teppiche dem aktuellen Käufergeschmack anpasste, stieg das Knüpfaufkommen Nepals fast über Nacht auf seine nicht vorhersehbare Marktbedeutung.
Man knüpft nach einer besonderen Technik aus der Heimat Tibet. Beim Knüpfen wird eine Art kontinuierlicher Knüpfknoten schlaufenförmig linear über eine Stange geschlungen, so dass in waagerechter Abfolge eine Schlaufenreihe entsteht. Nachdem die Knüpfstange vollständig mit diesen Schlingen bedeckt ist, werden sie in diesem Bereich von oben aufgeschnitten, so dass der Flor auffächert und ein Velours entsteht. Der Knoten gewinnt dadurch letztendlich die Form eines persischen Knotens. Dieses Schnellverfahren ist jedoch nur möglich, weil die Nepal-Tibeter-Teppiche in weiten Bereichen kaum gemustert und unifarben sind.
Ein festes Marktpotential haben sich Sonderanfertigungen erobert. Einige Importeure spezialisierten sich inzwischen auf dieses Marksegment, eine Marktnische, in der noch gute Umsätze mit stabilen Erträgen erzielt werden. Antike und alte Tibet-Teppiche haben einen nur unbedeutenden Markt.
Zentraler Einkaufspunkt ist die Hauptstadt Katmandu. Hier ist auch der Großteil der Produktionsstätten angesiedelt. Im Jahr 2004 importierten Deutschland 902.173 qm Nepalteppichen mit einem Einfuhrwert von gut 32 Mio. EUR sowie die Europäische Union etwas mehr als 1 Mio. qm im Wert von knapp 46 Mio. EUR.
Vierjahreszeiten-Teppich - Bilderteppich, der den Wechsel der Jahreszeiten abbildet
Es gibt ein weites Feld immer wiederkehrender Bildteppichmuster, die allerdings weniger den Weg nach Europa finden, sondern meist im Lande selbst oder im arabischen und fernöstlichen Raum abgesetzt werden.
Das Vierjahreszeiten-Dessin, das - so weit bekannt - ausschließlich in Täbriz geknüpft wird, ist eines der auffälligsten und auch konstantesten unter den Bildteppichen. In einer fest vorgeschriebenen Viereraufteilung zeigt der oben rechts beginnende Ablauf nach unten und links aus bäuerlicher Sicht die bildliche Darstellung den Wechsel der vier Jahreszeiten.
Beginnend mit dem Winter: Das Laub ist gefallen, der Schnee bedeckt die Felder, die Arbeit ruht. In vielen Familien wird die Zeit der ruhenden Feldarbeit zum Teppichknüpfen genutzt. Frühling: Die Felder werden bestellt, die Obstbäume blühen, der Bauer pflanzt und bringt die Saat aus. Die daneben abgebildet Szene zeigt den Sommer: Die Zeit des Sprießens und Reifens der Früchte und des Getreides, überleitend zum Herbst: Die Zeit der Ernte und ihrer Einbringung. Die Mitte schmückt zentral ein von den zwölf Tierkreiszeichen umrahmtes Medaillon mit der Abbildung eines Liebespaares. In den Bordüren sind Porträts bedeutender Männer aus Kunst, Wissenschaft oder Staatsführung abgebildet.
Pandj-Mihrab - Spezieller Afghanteppich mit Gebetsmuster
Die Pandj-Mihrab-Teppiche sind Afghan-Belutsch-Knüpfung mit längssymmetrischem, geometrischen Gebetsmuster. Die Pandj-Mihrab waren eine Art Markt angepasster "Sonderfertigung" der 1970er / 1980er Jahre und verschwanden danach wieder vom Markt. Der Name bedeutet auf Deutsch "Fünf Gebetsnischen", ist aber irreführend, denn nur selten sind es 5, meist weniger, teilweise aber auch mehr als die benannte Anzahl. Die Bezeichnung 5 mag symbolisch im Zusammenhang stehen mit den 5 Islamischen Pflichten, 5x täglich Beten der Sunniten, 5 Mitglieder der Heiligen Familie, usw.
Kette, Schuss und Flor aus sind aus Schafwolle, geknüpft wurden die Pandj-Mihrab mit dem persischen Knoten.
Schuss - Querfäden im Teppichgrundgewebe
Ein Gewebe besteht grundsätzlich aus zwei sich kreuzenden Fäden, den Kettgarnen in Längsrichtung und den Schussgarnen in Querrichtung. Bei einem Knüpfteppich kreuzen sich beide immer im Winkel von 90. Nach jeweils einer Reihe Knoten werden ein bis zwei oder auch mehrere Schüsse quer eingetragen und fest angeschlagen, so dass im Laufe der Fertigung als tragendes Fundament ein Grundgewebe entsteht.
Bei Orientteppichen unterscheidet man zwischen Ein- und Zwei- oder Mehrschussware. Bei Mehrschussknüpfungen werden mindestens 2 Schüsse nach jeder Knotenreihe eingetragen.
Gol-Farangh - Orientalisches Blütenmuster
Das Gol-Farangh-Muster zeigt sehr gegenständlich dargestellte Blüten oder auch Blütenbouquets, die wahrscheinlich Rosen wiedergeben sollen. Dem Dessin ist sein europäischer Ursprung anzusehen; das Muster taucht noch heute in den Gobelin- und Tapisseriearbeiten Aubussons und Flanderns auf. Seine orientalischen Blütenverwandten hingegen erscheinen sehr viel abstrahierter.
Faranghi ist die altorientalische Bezeichnung für Europäer. Mit Farangh verbindet sich in Persien vieles aus dem Abendland, nicht nur das Blütenmuster Gol Farangh. Beispielsweise heißen Erdbeeren auf Persisch tut-faranghi.
Das Gol-Farangh-Dessin geht wahrscheinlich auf die Ära des Rokoko zurück. In jener Zeit fand ein reger Kulturaustausch zwischen Orient und Okzident statt. Europäische Dessinelemente fanden Eingang in orientalische Knüpfarbeiten, die wieder ihren Weg ins Abendland fanden. Orientalische Pracht war an europäischen Höfen durchaus beliebt. Andererseits imitierte man auch im Orient verschiedene Strömungen des Abendlandes.
Das relativ weitverbreitete Gol-Farangh-Muster findet man in kurdischen Knüpfungen wie Bidjar, Senneh, Saudjboulagh, Garrus, Kermanschah und im türkischen Fethiyeh, alten Herekes, Kayserei und Kirschehir , aber auch im Sarough, Ferahan, Mesched und - allerdings relativ selten - im Isfahan, Ghoum und Teheran.
Schach-Scherkasteh - Geometrisches Musterelement in Keschan
Das Schach-Schekasteh-Muster ist zwar relativ selten, aber da es sehr prägnant ist, gebührt ihm ein Platz unter den besonderen Mustern.
Es ist eine streng geometrisiertes Floraldessin, das in vierersymmetrischer Aufteilung mit einem zentralen Medaillon gestaltet ist. Oft wird das Medaillon zu je einem Viertel in den Innenecken wiederholt. Meist auf elfenbeinfarbenem Fond, selten auf Rot, und in vielen, abgestuften Gelb- und Pastelltönen gehalten, trifft man dieses fein ziselierte Dessin derzeit ausschließlich in Keschanknüpfungen an.
Persepolis - Antike Hauptstadt Persiens
Persepolis war die Hauptstadt des antiken Persiens und wurde 520 v. Chr. gegründet. Die achämenidischen Perser nannten ihre Königsmetropole und Sommerresidenz Parsa. Angelegt auf einer künstlichen Terrasse an der Flanke des Kuh-e Rahmat, liegt die von den Persern Tachte Djamschid, Thron des Djamschid, genannte Palastanlage 1.750m hoch unweit von der südiranischen Stadt Schiras.
321 v. Chr. wurde Persepolis von Alexander dem Großen in Schutt und Asche gelegt. Es ist inzwischen ausgegraben und zu besichtigen. Persepolis ist berühmt für die Flachreliefs der Apadana, auf der die zum Perserreich gehörenden Völker während ihrer Tributzahlung anlässlich des jährlich wiederkehrenden Nowrusfestes eingemeißelt sind.
Gereh - Bei Orientteppichen gebräuchliches Längenmaß
Gereh, auch Gireh bedeutet zum einen Teppichknoten, ist aber an sich ein altes, heute nur noch bei den Orientteppichinsidern gebräuchliches Längenmaß. 16 Gireh gehen auf 1 Sar. Die Einheit Sar ist aber je nach Landstrich unterschiedlich definiert.
Indirekt haben wir durch die Knüpfdichtenangabe 'Radj" mit der Einheit Gereh zu tun. Hier wird die Knotendichten nach Anzahl der Knotenreihen in "Radj" (Pers.: Reihe) pro Gereh angegeben. Man geht davon aus, dass in Länge und Breite die gleiche Anzahl Knoten geknüpft sind. In der Provenienz Täbris wird im Iran nach wie vor die Qualität in diesem, sonst nicht mehr gebräuchlichen Altmaß angegeben: 1 Täbris-Gereh entspricht somit ca. 7,2 cm. Es hat sich allerdings eingebürgert, bei Teppichen heutzutage etwas großzügiger 7 cm zugrunde zu legen. Dies wohl auch, weil außerhalb der Knüpfregionen kaum noch jemand einen Gereh-Maßstab besitzt.
aus
Heimtex Orient 01/07
(Teppiche)