Healthcare Spezial: Interview mit der Diplomdesignerin Antje Gebel
"Die meisten Baumaßnahmen finden im Bestand statt"
Unter dem Leitmotiv "Wir gestalten Lebensräume zum Genesen" sind die Designerin Antje Gebel und ihr Mann, der Architekt Markus Gebel, seit mehr als zehn Jahren auf die Gestaltung von Gesundheitsunternehmen spezialisiert. Unter anderem haben sie in Berlin 2009 die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Klinikum im Friedrichshain und 2010 die Komfortklinik am Humboldtklinikum mit 96 Betten ausgestattet. Wenn sie mit ihrem "Atelier Gebel" Räume im Healthcare-Bereich entwerfen und gestalten, stehen dabei der Patient, seine Wünsche und seine Genesung im Mittelpunkt. BTH Heimtex: Was sind die wichtigsten Anforderungen bei der Gestaltung und Ausstattung von Räumen im Healthcare-Bereich?
Antje Gebel: Patientenorientierung, Diskretion und Sicherheit sind die drei wichtigsten Anforderungen, die an uns gestellt werden. Der Healthcare-Bereich ist ein sehr komplexes Objektsegment mit hohen Zertifizierungsanforderungen. Ein gutes Leit- und Orientierungssystem ist dort äußerst wichtig, weil sich die Bewohner und Patienten in einer außerordentlichen, eingeschränkten Situation befinden.
Architekten denken bei der Planung zu wenig daran, wie sich die Menschen in diesen Zustand bewegen und orientieren. Gebäude, Räume und Wege werden überladen. Es ist beispielsweise nur wenig Beschilderung nötig, aber die muss eindeutig, an den richtigen Stellen und in der richtigen Reihenfolge sein.
BTH Heimtex: Welche besonderen Eigenschaften müssen Produkte haben, die Sie verwenden?
Gebel: In Bezug auf Hygienestandards sind die Betreiber sehr streng. Grundsätzlich müssen die von uns verwendeten Produkte und Materialien im Hinblick auf die Art der Einrichtung und die Krankheitsbilder der Patienten und Bewohner in den unterschiedlichen Abteilungen harmonisieren.
Die Faktoren Licht, Farbe und die suggerierten Töne und Gerüche sollten in ihrem Zusammenspiel die richtige Emotionalität wecken. In einer Hautklinik etwa sollten die Patienten möglichst nicht auf Sand-, sondern besser auf vitalisierend wirkende Pistazienfarben oder auf aquamarine, grünwässrige Töne treffen. Das beruhigt. Dass die Innenarchitektur- und Ausstattung Ruhe ausstrahlt ist generell sehr wichtig. Deswegen sind Kontraste und Linien zu vermeiden, denn die erregen die Aufmerksamkeit des Betrachters.
BTH Heimtex: Ist Ihre Spezialisierung unter den Interieur-Designern eher eine Nische oder ist dieser Arbeitsschwerpunkt verbreitet?
Gebel: Es ist eine absolute Nische. Bundesweit gibt es nur wenige Büros. Aber es ist nicht nur ein Spezialgebiet. Wir müssen Querverbindungen knüpfen: Anforderungen aus der Architektur, dem Farbdesign und der Betriebswirtschaftslehre müssen in Einklang gebracht werden.
BTH Heimtex: Wie wird sich der Gesundheits- und Pflegemarkt in Zukunft entwickeln. Gibt es Trends?
Gebel: Bei den Krankenhäusern wird es eine Marktbereinigung von etwa 25 bis 30% geben; Fusionen sind die Folge. Da staatliche Förderungen stark reduziert wurden, wird wenig neu gebaut. Die meisten Maßnahmen finden im Bestand statt. Diese Umbauten erfordern kreative Spezialisten.
Ich sehe fünf Trends: Erstens ist der Patient heute mündig und gut informiert. Der Wettbewerb lässt ihn immer mehr zum Kunden werden, der sich wohlfühlen will und dem wird bei der Ausstattung Rechnung getragen.
Zweitens wird der demographische Wandel die Branche weiter stärken. Drittens wird der erhöhte Kostendruck dazu führen, dass ambulante und stationäre Bereiche zukünftig immer häufiger zusammengelegt werden. Das birgt Herausforderungen für das Interieur.
Die vierte Entwicklung ist schon im Gange: Komfortkliniken schießen gerade in Ballungszentren wie Pilze aus dem Boden. Die Menschen sind bereit, für ihren Aufenthalt in Kliniken mehr Geld aus eigener Tasche zu bezahlen. Den fünften Trend sehe ich darin, dass der Bedarf an psychiatrischen Einrichtungen zunehmen wird. Deren Patienten brauchen in ihrer Genesungszeit speziell gestaltete Lebensräume.
aus
BTH Heimtex 06/11
(Handel)