Vortrag von Roger Genz auf dem Kolloquium "Industrieböden" an der Technischen Akademie Esslingen

Revitalisierung - Industrieböden sanieren und instand setzen


Die aktuelle Situation im Industriebau stellt sich zurzeit so dar, dass neben der Realisierung von Neubauvorhaben auch eine Vielzahl von gewerblichen Bestandsbauten saniert und/oder revitalisiert sowie in der Folge anderen Nutzungszwecken zugeführt werden. Dabei kommt den Industrieböden innerhalb derartiger Gewerbebauten eine besondere Bedeutung zu, da auf diesen gewerblichen Nutzflächen wirtschaftlicher Erfolg realisiert werden muss.

Das Wesen des Industriebodens liegt in seiner spezifischen Art der Nutzung. Diese wird im Besonderen geprägt durch Funktionalität und Wirtschaftlichkeit. Von einem Industrieboden erwarten Bauherren und Investoren, gelegentlich auch baufachkundige Planer, dass er allen nutzungs- und produktionsbedingten Anforderungen dauerhaft gerecht wird, und sich darüber hinaus auch ständig an die sich eventuell verändernden Nutzungsanforderungen und Produktionsabläufe anpasst. Diese Erwartungshaltung entspricht jedoch einem Wunschdenken und ist in der Baupraxis schlichtweg nicht zu erfüllen.

Vielmehr müssen sich die am Bau Beteiligten zunächst darüber im Klaren sein, dass jeder Industrieboden nahezu ein Unikat ist. Bei jeder Neubau- und/oder Revitalisierungsmaßnahme muss ein Anforderungsprofil für den Industrieboden zu Grunde gelegt werden. Des Weiteren erfordert jede Nutzungs- und/oder Produktionsablaufänderung zwingend eine Überarbeitung des ehemals zugrunde gelegten Anforderungsprofils. Daraus resultiert weiterhin die Notwendigkeit der intensiven Kommunikation zwischen Bauherr und Planer, sowie aller an der Planung und Ausführung von Industrieböden beteiligten Personen.

Nach der gemeinsamen Erfassung des Ist-Zustandes eines Industriebodens innerhalb von Bestandsbauten kann die erforderliche Beschaffenheit für diesen "einen" spezifischen Industrieboden festgelegt und vereinbart werden. Dabei muss im Besonderen berücksichtigt bzw. untersucht werden, ob der vorhandene in Stand zu setzende Industrieboden aus dem Bindemittel Zement (CT), Calciumsulfat (CA), Magnesia (MA), Kunstharz (SR) oder Asphalt (AS) besteht.

Was sind Industrieböden?

Industrieböden sind oberflächenfertige Industrieestriche nach DIN 18560 Teil 7 und Nutzestriche nach DIN 18560 Teil 3 sowie Betonböden, die im Wesentlichen aus den genannten Bindemitteln hergestellt werden. Nach den neuen europäischen Regelwerken werden Beschichtungen auch als Estriche deklariert, so dass in der Folge Imprägnierungen und Versiegelungen ebenfalls dazu zählen.

Industrieböden dienen als gewerbliche Nutzflächen mit unterschiedlichen Zweckbestimmungen und daraus resultierenden Beanspruchungen. Diese Beanspruchungen können äußerst vielschichtig sein und müssen folglich bis ins kleinste Detail dem Planenden und Ausführenden im Vorfeld bekannt sein. In diesem Zusammenhang muss ebenfalls beachtet werden, dass auch die während der Bauphase und/oder Instandsetzungsmaßnahme auf den Industrieboden einwirkenden Lasten und auftretenden Beanspruchungen sorgfältig und umfassend berücksichtigt werden. Bedeutend bei einem Industrieboden sind beispielsweise Schlag- und Stoßfestigkeit, Verschleiß (Abriebfestigkeit), Ebenheit, Gleitsicherheit (Rutschhemmung), Chemikalienbeständigkeit, Hygiene und Pflegeleichtigkeit. Des Weiteren werden neben dem eigentlichen Verwendungszweck von Industrieböden in zunehmendem Maße auch Anforderungen an das optische Erscheinungsbild von Industrieböden gestellt.

Basierend auf den ermittelten Erkenntnissen einer mit dem Bauherrn erfolgten Kommunikation entscheidet insbesondere die sorgfältige Planung über notwendige und Erfolg versprechende Sanierungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen.

Instandsetzung = Wiederherstellung

Instandsetzung bedeutet bei wirtschaftlicher Betrachtung die vollständige Überholung von Gegenständen des Anlagevermögens (z.B. Industrieboden innerhalb einer bestehenden Gewerbehalle), um diese wieder in einen gebrauchsfähigen Zustand zu versetzen. Nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) sind dies Maßnahmen zur Wiederherstellung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes (Soll-Zustand) eines Objekts.

Instandhaltung = Erhaltung

Gerade bei Industrieböden und dem bestimmungsgemäßem Gebrauch ist es jedoch von besonderer Bedeutung, dass diese Böden regelmäßig "gewartet" bzw. instand gehalten werden müssen. Wirtschaftlich gesehen versteht man unter Instandhaltung die Beseitigung kleinerer Schäden am Anlagevermögen (Industrieboden innerhalb einer bestehenden Gewerbehalle). Dies sind gemäß §3 der HOAI alle Maßnahmen zur Erhaltung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes (Soll-Zustand).

Grundlagen für die Planung und Ausführung

Nach der Erfassung des baulichen Ist-Zustandes muss das Anforderungsprofil definiert und eine Beschaffenheit für den neuen Industrieboden vereinbart werden. Grundlage dafür können die nachfolgend aufgeführten und möglicherweise auf den Industrieboden einwirkenden unterschiedlichen Beanspruchungen sein:

- Nutzungsbedingte Beanspruchungen: Die in der Tabelle 1 der DIN 18560 Teil 7 - Hochbeanspruchbare Estriche (Industrieestriche) - beschrieben sind. Zusätzlich müssen auftretende Rad- und Einzellasten aus Flurförderzeugen sowie die Art der Bereifung bekannt sein.
- Statische Lasten, die andauernd ruhend auf den Industrieboden einwirken und von diesem aufgenommen bzw. in den tragenden Untergrund abgeleitet werden müssen.
- Dynamische Beanspruchungen (Fahrbeanspruchung) sowie chemische und thermische Beanspruchungen.
- Beschaffenheit der Oberfläche, optisches Erscheinungsbild und Gefälle.
- Ebenheit: Nach DIN 18202 - Ebenheitstoleranzen - DIN15185 - Lagersysteme mit leitliniengeführten Flurförderzeuge - Anforderungen an Boden, Regal und sonstige Anforderungen
- Weitere Beanspruchungen können sich ergeben aus: Fugen, Rissen, Rutschsicherheit, Leitfähigkeit, Anforderungen an das Wasserhaushaltsgesetz sowie Pflege und Wartung.

Beschaffenheitsvereinbarung

Aus den relevanten der zuvor aufgezählten Beanspruchungen muss der jeweils erforderliche Soll-Zustand des Industriebodens definiert werden. Die je nach Erfordernis herzustellende Beschaffenheit des Industriefußbodens muss bezüglich der Materialauswahl derart erfolgen, dass möglicherweise unterschiedliche zur Verwendung kommende Materialien bzw. Materialkomponenten entsprechend verträglich und funktionsgerecht aufeinander abgestimmt sind. Des Weiteren müssen insbesondere die zur Verfügung stehende Konstruktionshöhe, die möglichen maschinellen Einbau- bzw. Fertigungstechniken und/oder handwerklichen Bearbeitungsmöglichkeiten mit den jeweils dadurch bedingten optischen Erscheinungsbildern beachtet werden. Wegen der bauphysikalisch bedingten Abhängigkeiten und/oder chemischen Reaktionen von Materialien bzw. Baustoffen, muss insbesondere der Faktor "Zeit" ebenfalls schon bei der Planung berücksichtigt werden.

Zusammenfassung

Probleme bei der Instandsetzung von Industrieböden treten in der Baupraxis meistens nicht durch ein alleiniges Versagen des Baustoffs oder schadhafter Produkte auf, sondern sind vielmehr auf die nachfolgend beschriebenen Sachverhalte und schadenverursachenden Zusammenhänge zurückzuführen:
- Fehlende oder unzureichende Planung sowie Festlegung der Soll-Beschaffenheit für den Industrieboden (sachkundiger Planer)
- Nicht ausreichende Kommunikation mit dem Bauherrn und/oder Nutzer
- Fehlende oder unzureichende Erfassung der Ist-Beschaffenheit des vorhandenen und in Stand zu setzenden Industriebodens vor Beginn der Bearbeitung und/oder Nutzungsänderung (sachkundiger Planer)
- Keine Berücksichtigung der Beanspruchungen während der Bau- und/oder Instandsetzungsmaßnahme
- Fehlende Voraussetzungen zur Leistungserbringung
- Ungeeignete Rahmenbedingungen
- Handwerkliche Fehlleistungen in Verbindung mit einer unzureichenden Bauführung des Auftragnehmers sowie unzureichender Bauleitung bzw. Bauüberwachung des Auftraggebers und/oder des bevollmächtigten Vertreters
- Keine Berücksichtigung der bauklimatischen Erfordernisse und dadurch ungeeignete Voraussetzung zur Herstellung einer zuvor exakt beschriebenen Leistung (Soll-Beschaffenheit).

Fazit

Die Sanierung und Instandsetzung von Industrieböden im Bestand muss entsprechend der jeweils vorhandenen baulichen Gegebenheiten bzw. der Bausubstanz, und insbesondere gemäß den Nutzungsanforderungen und Erwartungen des Nutzers erfolgen. Auf dieser Grundlage muss mit geeigneten Materialien unter Berücksichtigung der erforderlichen Aushärtungs- und Reaktionszeiten, sowie der notwendigen bauklimatischen Verhältnisse, eine Instandsetzungsmaßnahme geplant und realisiert werden.


Der Autor

Roger Genz ist von der Handwerkskammer Düsseldorf öffentlich bestellt und vereidigt für das Estrichleger-, Maurer- und Betonbauerhandwerk (Bereich: Maurer, Beton- und Stahlbetonbauer)
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aus FussbodenTechnik 01/07 (Handwerk)