Sind Sie ein Orientteppich-Kenner?

Eine kleine Warenkunde

In unserer letzten Ausgabe hieß es wieder: Fachchinesisch für die Orientbranche. Wir haben in unserem Gewinnspiel nach zehn Fachbegriffen aus der Welt des Orientteppichs gefragt und jeweils vier Lösungsmöglichkeiten angeboten, von denen jeweils nur eine richtig war. Haben Sie alle Begriffe gewusst? Hier folgt die Auflösung.

Bibi Hanum oder Hadj Hanum - Längssymmetrisches Teppich-Dessin

Mit Hadsch-Hanum oder auch Bibi Hanum wird ein bestimmtes Blüten-Vasen-Motiv in Keschan-Teppichen bezeichnet. Es ist immer in der hier abgebildeten Art gestaltet und somit unverwechselbar. Mit einer Einschränkung: In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden einige zum Verwechseln ähnliche Exemplare in Indien nachgeknüpft. Sie sind an der Florwolle erfühlbar, denn diese ist weicher, flauschiger als die der persischen Originale.

Die Herkunft der Motiv-Bezeichnung ist unklar, soll aber auf die renommierte, inzwischen schon lange nicht mehr bestehende Orientteppich-Manufaktur Dabir Senajeh aus Keschan zurückgehen. So ist zurückverfolgbar, daß das Hadj-Hanum-Dessins mit einiger Sicherheit im ausgehenden 19. Jahrhundert kreiert wurde.

Hadsch Hanum ist zugleich die Ehrenbezeichnung für eine Frau, die nach Mekka gepilgert ist. Diese jährlich stattfindende Pilgerfahrt, die Hadsch, ist eine der fünf Glaubensverpflichtungen für alle Moslems. Bibi wiederum ist in Persien eine volkstümliche Bezeichnung für Herrin, beinhaltet aber das Attribut der Gütigen.

Keschans mit diesem Dessin werden ausschließlich im Dozar-Format (ca. 2,10 x 1,30 m) geknüpft und meist paarweise, eine Tradition, die im Persischen Djuft (= Paar) genannt wird.


Cheft - Qualitätseinteilung bei Isfahan-Knüpfungen

Auf den unteren Querwebkanten feiner Isfahans, zwischen Fransen und Flor, sind oft kleine senkrechte Striche zu erkennen. Diese bisweilen recht breiten Webkanten, d.h. Kette und Schuß des Grundgewebes, sind bei Isfahan-Feinknüpfungen immer aus Reiner Seide. Die meist blauen Linien teilen diese Webleiste in mehrere, gleichgroße Längsspalten auf und werden im Persischen Cheft genannt. Ein Cheft beinhaltet immer die gleiche Anzahl Knoten. Je feiner also die Knüpfknoten nebeneinander stehen, um so schmaler ist ein Cheft. Da die Knüpfmaße seit alters her standardisiert sind, was wiederum auf die vorgegebenen Dimensionen der Knüpfstühle zurückgeht, kann der Fachkundige über die Anzahl der Cheft-Spalten in etwa auf die Knüpffeinheit des Teppichs schließen. Im Iran werden feine Isfahans deshalb in Verbindung mit der Größenangabe und der Cheft-Anzahl gehandelt. Unsere Abbildung zeigt, dass die Einteilungsstriche immer sichtbar bleiben. Dadurch kann die Cheft-Anzahl jederzeit überprüft werden. Zugleich dient die Cheft-Anzahl auch als Maß der Arbeitsleistung der Knüpferinnen.


Djangali - Munsterkonzeption mit stilisierten Orchideen

Dieses Muster kommt ausschließlich in den vier nach Qualität gestaffelten, persischen Provenienzen Djoscheghan (Unter-), Meymey (Mittel-), Murtschekort (hochwertig) und Chosroabad (Spitzenqualität) vor; Preise s. Werth-Index.

Allerdings wurden zwischen 1978 und 1985 etliche Nachknüpfungen in Meymey-Qualität in Indien gefertigt.

Das Djangali ist ein sehr eigenständiges Dessin. In diesem Wort steckt unser Fremdwort Dschungel, das über das Englische ins Deutsche gelangte und für tropischen Urwald steht. Es ist streng geometrisch. Die einzelnen, rhombenartigen Motive sollen stark stilisierte Orchideen wiedergeben. Das Djangali wird auf rotbraunem, seltener auf dunkelblauem Fond gestaltet. Meist schmückt ein zentrales Medaillon die vierersymmetrische Musterkonzeption. Dieses Mittelmedaillon mit seinem ebenmäßiges Großkreuz in einem Rhombus wird Eslimikreuz genannt.


Aserbeidjan - Wieder neu entstandener Staat im Kaukasus

Wegen seiner strategisch wichtigen Lage war der Kaukasus Jahrhunderte lang Zankkapfel zwischen Persien und der Türkei, bis das zaristische Rußland auf den Plan trat und den Kaukasus mit seinen eigenständigen bzw. unter persischer oder türkischer Oberhoheit stehenden Staaten eroberte. Die Sowjets verleibten Aserbeidjan dann vollständig ihrem Machtbereich ein, beließen den Kaukasus-Staaten jedoch ihre Namen und eine gewisse, kulturelle Eigenständigkeit. Im Verlaufe der Peristroika wurde der Unions-Staat Aserbeidjan mit seiner Hauptstadt Baku als Republik wieder selbständig.

In Aserbeidjan entstanden die meisten kaukasischen Teppiche mit so renommierten Provenienzbezeichnungen wie Akstafa, Bidjov, Chila, Fachralo, Karagaschli, Karatchoph, Konakgend, Kuba, Marasali, Perepedil, Schikli, Schirwan, Sejschur, Schuscha, Tschitschi, Zeiwa, usw. Die Distrikthauptstadt Schemacha lieh ihren Namen einst - allerdings stark verballhornt - für eine besondere Teppichwebtechnik, den Soumach. Die heutigen Knüpfungen, die die alten Muster in mehr oder weniger gelungenen Dessins tradieren, werden unter drei Sammelbezeichnungen vermarktet: Kasak-Karabagh, Kub-Schirwan und Akhte-Mikrach. Letzteres liegt zwar auf dem Territorium von Aserbeidjan, ist stilistisch aber eigentlich mehr dem nördlich sich anschließenden, Autonomen Gebiet von Daghestan zuzurechnen, das zu Rußland gehört. Neuerdings werden kaukasische Dessins auch in den Flüchtlingslägern der Region um Peschawar/Pakistan nachgeknüpft.


Ferdows - Orientteppich-Provenienz aus dem Ost-Iran

Man findet auch die Schreibweisen Firdows und Ferdaus. Die Betonung liegt auf der ersten Silbe, gesprochen mit langem O und scharfem S. Der Ort liegt in der Ostprovinz Chorassan am Rande der großen Salzwüste. Das Produktionsaufkommen an Brücken und Teppichen bis max. 7 m ist nicht sehr groß, so daß die Provenienz Ferdows zu den unbekannteren zählt. Die meist floral, aber auch geometrisch gestalteten Dessins, die bisweilen eine gewisse Verwandtschaft mit den Afschar-Teppichen aufweisen, werden mit dem Persischen Knoten geknüpft. Er ist einer der wenigen Perserteppiche, der meist nur mit drei bis vier Farben auskommt und dadurch eine merkbare Eigenständigkeit wahrt.

Die Abbildungen zeigen, wie weit gefächert das Musterspektrum dieser Provenienz ist, die vom einfachen Bauernteppich im Allover-Dessin bis zu komplizierten Musterkonzeptionen (Abb. 1) mit Medaillon und reich verzierter Bordüre reicht. Abb. 2 zeigt einen alten Ferdows aus der Mitte des letzen Jahrhunderts. Diese Brücke wurde 1999 auf der Domotex als Belutsch erstanden. Beiden Abbildungen ist die Beschränkung auf wenige Farben zu entnehmen.


Barghe Mooi - Sog. Weinlaub-Motiv in Orientteppichen

Meist ist nur das klassische Keschan-Dessin bekannt. Diese Provenienz liefert jedoch auch davon völlig abweichende Muster. Eines der heute weniger bekannten, das man jedoch noch in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts häufiger antraf, ist das Barge-Mooi-Dessin. Barghe-Mooi (auch Muhi ist üblich) bedeutet auf Persisch Weinlaub. Dieses nunmehr seltene, aber herausstechende Dessin gibt in recht naturalistischer Ausprägung im Innenfeld sich um das Medaillon rankende, naturalistisch gestaltete Weinblätter wieder. Anzunehmen ist, daß es in den Zeichenateliers der Dessinateure in Keschan entstand, denn man findet es sonst in keiner anderen Proveneinz. Überwiegend rotgrundig, trifft man bisweilen auch auf beigegrundige Muhi-Keschans.


Kafzadeh - Musterfreifläche, sog. Spiegel im Keschan-Teppich

Sobald der Fond als nicht gemusterte, unifarbene Freifläche gestaltet ist, spricht man im Deutschen von einem Spiegel oder auch von einem Uni-Fond. Mit dem entsprechenden Provenienzzusatz, also beispielsweise von einem Spiegel-Keschan, usw.

Diese besondere Musterung wird in Persien - vornehmlich bei Keschan-Knüpfungen - Kafzadeh genannt, ist jedoch im Begriff, sich auch auf andere Provenienzen auszudehnen . Es ist nicht eindeutig zu klären, aber diese Bezeichnung geht wohl auf einen Teppich-Dessinateur (Musterentwerfer) gleichen Namens aus Keschan zurück und dürfte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts entstanden sein.


Bosporus - Meerenge zwischen Europa und Kleinasien

Einer neuesten Theorie zufolge, soll der Bosporus zum Ende der Eiszeit entstanden sein. Die abtauenden Eismassen ließen die Meeresspiegel steigen, bis und vom Süden her überlaufendes Wassermassen in den damals tiefer gelegenen Binnensee eindrangen und das heutige Schwarze Meer schufen. In dieser gewaltigen Naturkatastrophe hat wahrscheinlich die Sintflutlegende ihren Ursprung.

Der 28 Kilometer lange, 0,7 bis 3,3 Kilometer breite Bosporus ist ein tiefer Einschnitt zwischen Europa und Klein-Asien. Er verbindet das Schwarze Meer mit dem Marmara Meer. Nach Süden führt die Wasserstraße anschließend über die Dardanellen (Türkisch: anakkale) und die Ägäis ins Mittelmeer. Das auf beiden Bosporus-Ufern befindliche Istanbul ist die einzige Stadt der Welt, die auf zwei Kontinenten liegt. Inzwischen überspannen den Bosporus zwei Hängebrücken, eine dritte ist in Planung. Im Laufe der Geschichte war der Bosporus immer wieder umkämpft. 1925 wurde er im Pakt von Locarno zur internationalen Wasserstraße deklariert, die alle Schiffe ohne Behinderung und kostenlos passieren dürfen. Für die Kriegsmarinen gibt es seitdem strenge Vorschriften: Kein U-Boot darf ihn getaucht unterqueren, Kriegsschiffe werden nur durchgelassen mit gen Himmel gerichteten, entladenen Geschützen. Die Munition muß weggeschlossen sein. Lotsen überwachen die Schiffspassagen. Im Norden kann eine jederzeit aktivierbare Minensperre die Durchfahrt abriegeln, über die das Nato-Mitglied Türkei wacht.

Bei Feinschmeckern begehrt sind die vorzüglichen Bosporus-Fische, die in den Restaurants an seinen Ufern, insbesondere in dem dafür renommierten Tarabia zubereitet werden. Erklärt wird dies unter anderem mit den beiden starken Strömungen: Das leichtere, weniger salzhaltige Oberwasser fließt vom Schwarzen in das Marmara-Meer ab, während das salzhaltigere und damit schwere Tiefenwasser ins darunter liegende Schwarze Meer zurückströmt.


Arabeske - Spiralartiges Detail ornamentaler Musterführung

Mit Arabeske bezeichnet man ein schwungförmig gestaltetes, kreisendes Ornament als Teilspirale in Orientteppichen und anderen Musterdecors meist orientalischer Kunstwerke. Sie läuft am Ende oft in Gabelranken aus und erscheint besonders ausdrucksstark im medaillonbetonten Eslimi-Muster.

Umgeben von anderen, der Pflanzenwelt entliehenen, abstrahierten Musterdetails schmückt sie umlaufend als sog. Arabeskenranke die Bordüren vieler floral gemusterter Knüpfteppiche. Die Arabeske wird auf einer, fachlich Patrone oder auch Karton genannten Mustervorlage detail- und knotengenau entworfen.


Schisch-Lah - Qualitätsbezeichnung für feingeknüpfte Nain-Teppiche

Nain-Knüpfungen werden nach Garnstärke der Kettgarne eingestuft und gehandelt. Je mehr Garne verzwirnt sind, um so dicker wird der darum gewundene Knoten und um so gröber wird folglich die Knüpfung. Diese Garnstärke wird persisch mit "lah" bezeichnet.

Die feinste übliche Knüpfung ist 4-lah, gefolgt von 6-lah. 6 heisst persisch Schisch. Ein Schisch-lah-Nain ist also eine 6-lah-Knüpfung. Die gröbste Nainknüpfung wird in 9-lah ausgeführt.
aus Heimtex Orient 04/01 (Teppiche)