Hamburger Teppichkonferenz
Engagement für Kinder in den Knüpfländern
Mit einem "Öffentlichen Paukenschlag" wollte sich am 27. Februar die Hamburger Teppichkonferenz Gehör verschaffen und auf die Situation von Kindern in der Teppichindustrie aufmerksam machen. In einer Podiumsdiskussion bezogen der Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Verbänden zu dem Problem Stellung, wie die schlimmsten Formen von Kinderarbeit bekämpft werden können. Im Mittelpunkt stand die Frage, welchen Beitrag die gesellschaftlichen Gruppen leisten können und wollen, um soziale Mindeststandards durchzusetzen.
Mit einem Grußwort der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen, Schirmherrin der Veranstaltung, wurde die Tagung eröffnet. Die Position der indischen Regierung erläuterte Generalkonsul Arun Kumar Goel. Tagesschausprecher Wilhelm Wieben berichtete vom Schicksal des 10jährigen Jungen Vinud, der zwei Jahre lang 12 bis 14 Stunden am Knüpfstuhl die Schulden seines Vater beim Knüpfstuhlbesitzer abarbeiten musste. Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin referierte zum Thema "Kinderrechte heute - Menschenrechte morgen".
Die 1995 ins Leben gerufene Hamburger Teppichkonferenz versteht sich als Dialog zwischen Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft, Kirche und Politik. Ihr Ziel: Verbindliche Absprachen treffen, um ausbeuterische Kinderarbeit in der Teppichherstellung abzuschaffen.
Die erste Konferenz tagte in der Hamburger Speicherstadt noch hinter verschlossenen Türen. Man wollte die erwarteten Konflikte unter den Beteiligten zunächst intern austragen. Neben den beiden Veranstaltern Brot für die Welt und Werkstatt 3-Bildungswerk waren die Hilfsorganisationen Rugmark und Care & Fair Teilnehmer der ersten Stunde.
Heute sind außerdem mit dabei: Nordelbische Kirche, Terre des Hommes, das indische Generalkonsulat in Hamburg sowie die Hamburger Handelskammer, Wirtschaftsbehörde und Verbraucherzentrale. Hamburg wurde als Veranstaltungsort gewählt, weil die Hansestadt in Europa wichtigster Umschlagplatz für Orientteppiche und Deutschland weltweit einer der größten Absatzmärkte für handgeknüpfte Teppich ist.
Das ehrgeizige Ziel, ab 2001 über Hamburg keine Teppiche mehr zu vermarkten, die von Kinderhand geknüpft wurden, konnte bislang nicht erreicht werden. Kinderarbeit gänzlich abzuschaffen, scheint kaum realistisch. Noch immer arbeiten Millionen Kinder in Indien, Nepal und Pakistan zum Teil unter den Bedingungen von Schuldknechtschaft.
Trotzdem sprechen die Initiatoren der Teppichkonferenz von Erfolg. Der würde sich unter anderem in der Schaffung und Verbreitung des Rugmark-Siegels widerspiegeln, das eine Herstellung ohne Kinderarbeit garantiert.
"Leider wissen selbst Teppichverkäufer noch zu wenig über die Produktionsbedingungen. Dabei könnten sie mit wertvollen Tipps den Kunden die Kaufentscheidung erleichtern", kritisieren Teilnehmer diesjährigen Teppichkonferenz. Um zu zeigen, wie Teppiche in Indien und Nepal mit und ohne Kinderarbeit hergestellt werden, überreichte Bischöfin Jepsen ein eigens erstelltes, 9 Minuten dauerndes Schulungs-Video an Karstadt-Direktor Jens Gerstenkorn und an Peter W. Engmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Teppich- und Gardinenhandels. Das Video wird nun in verschiedenen Teppichhäusern gezeigt, um Verkäufer und Kunden für das Thema zu sensibilisieren.
Zum Preis von 10 Mark ist es zudem unter der Telefonnummer 0 40/ 306 20 221 oder der E-Mailadresse info@bfdw-hamburg.de erhältlich.
Zitate aus der Hamburger TeppichkonferenzBischöfin Maria Jepsen:
"Dass Wirtschaft und Handel nicht nach den Leitlinien der Barmherzigkeit funktionieren, ist uns klar. Es ist gut, dass alle hier gemeinsam öffentlich Stellung für die Rechte von Kindern beziehen und zugleich versuchen, konkrete Schritte zur Verbesserung ihrer Lebenssituation auf den Weg zu bringen."
Arun Kumar Goel, indischer Generalkonsul:
"Im Gegensatz zum weit verbreiteten Mythos sind Kinder als Weber weder beschäftigt, weil sie flinke Finger haben, noch, weil sie schlechter bezahlt werden als Erwachsene. Die Bezahlung in der Teppichherstellung erfolgt pro Stück, nicht pro Stunde. Kinder arbeiten, weil ihre Eltern sich die Mühe machen, ihnen Fertigkeiten beizubringen, die man erst nach einer beachtlichen Zeitspanne beherrscht. Armut und fehlende Ausbildungsplätze sind der Boden für Kinderarbeit. Die indische Verfassung verbietet Arbeit von Kindern unter 14 Jahren. Ausgenommen sind jedoch Kinder, die in Familien arbeiten, in denen das Handwerk von einer Generation auf die andere übergeht."
Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin:
"Wir wirken daran mit, das rechtliche Fundament stabiler und wirksamer zu machen. Wir haben gerade die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation in die Wege geleitet. Damit wollen wir wenigsten die schlimmsten Formen der Kinderarbeit wirksam bekämpfen. Die Vertragsstaaten sollen sich zu einem Rechtsrahmen verpflichten, der die Kinderrechte tatsächlich schützt."
Dr. Uschi Eid, Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ernährung:
"Care & Fair und Rugmark haben zusammen einen höheren Marktanteil als alle anderen Produkte des fairen Handels. Sie haben demonstriert, dass man nicht bei den Debatten um internationales Handelsrecht stehen bleiben darf, sondern Handlungsmöglichkeiten für die Menschen entwickeln kann. Es ist aber niemandem mehr klar zu machen, dass es zwei Initiativen gibt, die das Gleiche wollen. Ich hoffe, dass am Ende sich die beiden Initiativen vereinigen werden. Es soll darum gehen, dem Verbraucher eine eindeutige Orientierungshilfe zu geben und Verunsicherungen zu vermeiden."
Senatorin Ute Pape, Schirmherrin der Hamburger Teppichkonferenz:
"Gemessen an dem, was realistisch zu erreichen war, ist die Arbeit der Teppichkonferenz sehr erfolgreich verlaufen. Die verschiedenen Interessengruppen haben an einem Tisch nicht nur zusammengefunden, sondern haben ein Modell zu Vermeidung von Kinderarbeit weiterentwickelt und umgesetzt. Jede Hamburgerin und jeder Hamburger kann sich auf der Grundlage von Information und Angebot entscheiden, Teppiche zu kaufen, die ohne Kinderarbeit gefertigt worden sind."
Cornelia Füllkrug-Weitzel, Direktorin der Organisation Brot für die Welt:
"Sofern es um Teppiche geht, kommt die kritische Haltung der Verbraucherinnen und Verbraucher nur sehr bedingt in Kaufentscheidungen zum Ausdruck. Noch immer ist ein Teppich eine Anschaffung, die zwar wohlüberlegt wird, aber eben nicht jede Woche stattfindet. Hinzu kommt, dass Fachgeschäfte, die Teppiche ohne Kinderarbeit führen, damit nicht offensiv werben. Potentielle Kunden tun sich schwer, wenn sie einen Teppich suchen, an dem keine Kinder gearbeitet haben."
Dr. Johannes Merck, Direktor für Umwelt- und Gesellschaftspolitik im Otto-Versand:
"Die Unternehmen der Otto-Gruppe nutzen auch die Möglichkeit des Imports aus Regionen der Welt, in denen besonders günstig produziert wird. Das ist heute eine unabdingbare Voraussetzung, um wettbewerbsfähig zu sein. Wir wollen aber einen Beitrag leisten, dass dort, wo für unsere Kunden produziert wird, angemessene soziale Mindeststandards gelten.
Unsere Strategie umfasst drei Stoßrichtungen: die Unterstützung von Entwicklungsprojekten, die Durchführung eines eigenen Qualifikations- und Entwicklungsprogramms und Unterstützung der Initiative Social Accountability International, einer US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation, die das Ziel verfolgt, einen weltweiten zertifizierungsfähigen Sozialstandard zu entwickeln und zu etablieren."
aus
Heimtex Orient 01/01
(Teppiche)